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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 26.04.2001 06:00

Ein Kongress in Davos widmet sich der Gesundheit
Sei jeden Tag körperlich aktiv!

Heute beginnt in Davos ein Kongress zum Thema "Bewegung - Ernährung - Erholung". Einer der Mitorganisatoren ist der ETH-Ernährungsbiologe Paolo Colombani. Er beantwortet im Interview mit ETH-Life Fragen zum Kongress und allgemein zur Gesundheit.

Mit Paolo Colombani sprach Christoph Meier

Herr Colombani, der Kongress, den sie mitorganisiert haben, nennt sich "Bewegung - Ernährung - Erholung". Hat die Wortabfolge eine spezielle Bedeutung, so nach dem Motto "Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen"?

Ja,effektiv. Sie ist im Ablauf der Stoffwechselvorgänge zu sehen. Während der körperlichen Bewegung wird Energie aus Fetten und Kohlenhydraten verbraucht, und über die Ernährung wird dann neue Energie dem Körper zugeführt, was zur Regeneration der Energiespeicher führt. Die Regeneration beschränkt sich aber nicht nur auf die Ernährung, sondern enthält noch weitere Faktoren wie mentale oder muskuläre Erholung durch Stretching oder Massagen. Persönlich zumindest stelle ich körperliche und mentale Arbeit ebenfalls mit Vergnügen gleich.

Gibt es einen Grund dafür, dass der Kongress in Davos stattfindet?

Eines der Ziele der Stiftung Forum Davos (1) ist die Wissensvermittlung in Natur-, Medizin- und Geisteswissenschaften. Da der ETH-Professor Caspar Wenk im Forum Davos tätig ist, bot sich dadurch die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit dem Forum und mit Davos Tourismus (2).

Welche bedeutenden wissenschaftliche Erkenntnisse gab es in letzter Zeit in den Ernährungswissenschaften?

Zwei Erkenntnisse, die in den nächsten Jahrzehnten nicht in Frage gestellt werden, ragen heraus. Das eine ist die wichtigste Ernährungsempfehlung "Sei jeden Tag körperlich aktiv!". In den USA ist diese Empfehlung bereits in die aktuellen Richtlinien für die Ernährung der Bevölkerung implementiert (3). Die zweite grundlegende Erkenntnis ist, dass körperliche Inaktivität ein Krankheitszustand ist. Bei Inaktivität wie zum Beispiel sitzender, beruflicher Tätigkeit und geringer Bewegung in der Freizeit verschlechtert sich der Gesundheitszustand. Leider wird immer noch geglaubt, bei Inaktivität werde der momentane Gesundheitszustand beibehalten und mit verstärkter Aktivität dieser verbessert. Dies ist nicht der Fall: Der Status quo kann nur durch ein bestimmtes Mass an Aktivität beibehalten werden.

Fänden Sie es sinnvoll, wenn zum Beispiel an der ETH Morgengymnastik betrieben würde, wie das in japanischen Betrieben geschieht?

Jede Form von Bewegung ist sinnvoll. Eine Morgengymnastik an der ETH nach japanischem Vorbild würde wahrscheinlich keinen grossen Anklang finden. Die ETH könnte aber als Betrieb noch stärker die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden fördern. Dies kann von einer Optimierung der Arbeitsplatzumgebung bis hin zu Bewegungskampagnen gehen.

Bestandteil des Kongresses ist auch eine Wanderung. Müsste an solchen Anlässen nicht grundsätzlich mehr auch auf Abwechslung durch Bewegung geachtet werden?

Auf jeden Fall. Ganz peinlich wird es vor allem bei Sport- oder Ernährungswissenschaftlichen Kongressen, bei denen die Pausenverpflegung aus Kaffee und Süssigkeiten besteht, keine Bewegungsmöglichkeiten angeboten werden und dann noch für das gemeinsame Nachtessen ein Bus organisiert wird, um eine Strecke von 200 Metern zu überbrücken. An der ETH gibt es vom ASVZ organisierte Angebote, um die Bewegung während Tagungen zu fördern. Es ist unverständlich, wenn man nicht darauf zurückgreift.

Ab wann wird Bewegung ungesund?

Dann, wenn dem Körper nicht genügend Zeit gegeben wird, um sich zu erholen. Die Erholungsfähigkeit kann aber variieren. Einfacher beantworten lässt sich die Frage, wie viel Bewegung es braucht, um gesund zu bleiben: 30 Minuten pro Tag körperliche Bewegung mit einer Intensität, bei der man ein wenig ins "Schnaufen" kommt. Dies muss aber nicht am Stück absolviert werden. Ich kann am Morgen vom Hauptbahnhof an die ETH hoch laufen und während des Tages auf den Lift verzichten und die Treppen nehmen. Bald merkt man, dass das Treppenlaufen immer einfacher geht. Dies wirkt sich positiv auf die Psyche und das allgemeine Wohlbefinden aus.

Eine Kongress-These lautet "Der Körper ist gebaut, um bewegt zu werden". Wenn das stimmt, wieso haben wir dann nicht einen Bewegungsdrang, vergleichbar mit dem Appetit auf Essen?

Man sollte dabei die Situation von ursprünglichen menschlichen Gesellschaften im Auge behalten. Unsere "Dränge" wurden nicht erst gestern oder vorgestern in uns programmiert, sondern irgendwann vor ein paar hunderttausend Jahren oder noch früher.


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ernaehrungkongress davos
Der ETH-Ernährungsbiologe Paolo Colombani ist Organisator und Referent des Davoser Kongresses "Bewegung - Ernährung - Erholung". gross

Unsere Ahnen mussten sich bewegen, um überhaupt den Drang nach Essen stillen zu können; das heisst: um zu überleben.

Heute ist unser Körper immer noch so programmiert, nur müssen wir uns praktisch nicht mehr bewegen, um an Nahrung zu gelangen. Zudem ist die Lebenserwartung heute so gross wie noch nie, unser Körper "muss" also so lange wie noch nie "funktionieren". Fazit: wir haben einerseits noch einen Drang zum Essen, dem wir nachgeben, der Zwang nach Bewegung ist aber verschwunden. Gleichzeitig haben wir einen Körper, der nicht für die Inaktivität gebaut ist. Um ihn gesund, beziehungsweise lange "funktionsfähig" zu erhalten, müssen wir uns bewegen.

Ist für Sie Gesundheit mehr als nur das Fehlen von Krankheiten?

Diese Definition der Krankheit verschwindet zum Glück immer mehr. Zur Gesundheit gehören meiner Ansicht nach körperliches, mentales und soziales Wohlbefinden. Auch hier sind wiederum mehrere Faktoren bestimmend. Die Voraussetzungen für Gesundheit sind in der sogenannten Ottawa-Charta umschrieben, welche bei der ersten internationalen Tagung zur Gesundheitsförderung Ende der 80er Jahre verfasst wurde (4).

Die Erholung nimmt am wenigsten Platz ein am Kongress. Woran liegt das?

Nicht daran, dass wir der Erholung die geringste Bedeutung zusprechen. Ursprünglich war eine Tagung zur Bewegung und Ernährung geplant, da wir Organisatoren eher in diesen Gebieten tätig sind. Die Tagung ist erst nachträglich in der Planung um den Teil "Erholung" gewachsen, als wir von der ursprünglichen Idee abgekommen sind, eine rein wissenschaftliche Tagung durchzuführen.

Bewusste Ernährung und Gesundheit werden häufig als allgemeine Krankheitsprophylaxe gesehen. In welchem Umfang liessen sich Krankheitskosten durch gezielte Bewegung und Ernährung einsparen?

Die Gesundheitskosten in der Schweiz beliefen sich im Jahre 1998 gemäss der Schweizerischen Stiftung für Gesundheitsförderung (Stiftung 19, dem Hauptsponsor unserer Tagung) auf 38 Milliarden Franken. Eine Antwort auf die Frage, wie viel davon alleine durch optimale Bewegung und Ernährung eingespart werden könnte, erwarte ich an der Tagung von den Leuten, die in der Politik beziehungsweise im Gesundheitswesen tätig sind. Es würde mich aber nicht wundern, wenn der Betrag im sechsstelligen Bereich oder noch höher läge.

Gibt es Sportarten, die von der Bewegungen her ungesund sind und die Sie darum nicht betreiben würden?

Eine Sportart kann in einen Teil Bewegung und einen Teil Risiko aufgeteilt werden. Überwiegt der Risiko- den Bewegungsteil, würde ich sie als ungesund betrachten. Trendsportarten wie Bungee-Jumping gehören beispielsweise zu diesen Sportarten. Da lass ich auch lieber meine Finger davon.

Pflegen Sie gelegentlich auch einen ungesunden Lebensstil?

Unbedingt - aber natürlich unter der Voraussetzung, dass dies "gelegentlich" ist und Spass macht.


Fussnoten:
(1) Forum Davos: http://www.forumdavos.ch
(2) Davos Tourismus: http://www.davos.ch
(3) Dietary Guidelines for Americans 2000: www.usda.gov/cnpp/Pubs/DG2000/Index.htm
(4) Ottawa-Charta: www.who.int/hpr/docs/ottawa.html



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