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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.05.2007 06:00

Gold-Nanopartikel für personalisierte Diagnostik
Sensibles Gold für exakte Diagnosen

Die Biosensorik könnte dereinst dazu beitragen, dass auch scheinbar gesunde Menschen Erkrankungen aufgrund personalisierter Diagnostik frühzeitig erkennen. Damit dies möglich wird, braucht es kleinste portable und vor allem kostengünstige Systeme. Ein Team am Institut für Biomedizinische Technik der ETH beschreibt in einem neuen Paper, wie mittels gesteuerter Selbstorganisation von Gold-Nanopartikeln zu Nanodrähten Biosensoren entstehen, mit welchen zukünftig kleinste Blutproben auf Krankheitserreger getestet werden könnten. Bis es zur Revolution der Diagnostik kommt, gilt es jedoch noch einige Probleme aus dem Weg zu räumen.

Samuel Schlaefli

Ein schmerzloser Nadelstich in die Fingerkuppe, ein Knopfdruck, fünf Sekunden Wartezeit und ein eindeutiges Ergebnis - so stellt sich Janos Vörös die Diagnostik der Zukunft vor. Der ETH-Professor für Bioelektronik am Institut für Biomedizinische Technik (1) zückt ein mobiles Blutzucker-Messgeräte, wie es Diabetespatienten auf der ganzen Welt benutzen. Ein solches Gerät, in der Grösse eines I-Pods, könnte in Zukunft jedermann erlauben, Krebs- oder Hepatitis-Antigene in seinem Blut selbständig zu diagnostizieren. „Personalisierte Diagnostik“ heisst der Trend, von welchem die Pharmaindustrie und Wissenschaftler gleichermassen angetan sind. „Bisher waren solche Untersuchungen nur in Spitälern möglich. Es sind 10 Milliliter Blut nötig um Antigene mit spezifischen Markern für teure spektroskopische Analysegeräte detektierbar zu machen“, so der ETH-Professor. Das soll sich ändern: Vörös Forschung gilt der Entwicklung von biosensorischen Systemen im Nanobereich – eine Disziplin, die Elektronik, Biologie, Chemie und Physik mit dem Ziel verbindet, biologische Abläufe beobachtbar und kontrollierbar zu machen. Seine Gruppe hat einen ersten Durchbruch geschafft, der sich gerade in der personalisierten Diagnostik als wegweisend erweisen könnte. Der anfangs März im Magazin „Nanotechnology“ erschienene Artikel (2) beschreibt einen neuen Typus von markerfreien Biosensoren, der einst zur individuellen Detektion von Krankheitserregern genutzt werden könnte.

Goldiger Chip mit Potenzial zum Mainstream

Der grundsätzliche Aufbau des im Paper beschriebenen Biosensors entstammt der Halbleitertechnologie. Beim gängigen Produktionsverfahren für Mikrochips werden Metalldrähte für den Aufbau von integrierten Schaltkreisen mittels Licht (Lithographie) auf einen Siliziumträger „gedruckt“. Da dieses Verfahren jedoch sehr aufwändig, teuer und limitierend ist, hat die Gruppe unter Vörös ein neues, selbstorganisierendes System für den Aufbau von Nanodrähten entwickelt. Auf einem Siliziumträger – wie er für Mikrochips gewöhnlich verwendet wird - werden Goldpartikel linear so nah beieinander angeordnet, dass daraus ein stromleitender Draht entsteht. Damit sich die Partikel auf dem Träger selbständig zu Drähten ausrichten, ist ein Ankersystem nötig, das die Goldkolloide aus einer Goldpartikel-Lösung absorbiert. Das Ankersystem wurde in Zusammenarbeit mit dem Labor für Mikro und Nanotechnologie des Paul Scherrer Instituts (PSI) und dem Institut für Oberflächentechnik der ETH entwickelt. Auf die vom PSI mittels Synchrotronstrahlung vorstrukturierte Trägerplatte wird mittels Neutravidin, dem Klebstoff der Biotechnologen, DNA auf den Träger gekoppelt, welche als Anker für die Goldpartikel fungiert. Die Goldkolloide adsorbieren schliesslich Antigene, zum Beispiel aus einer zu messenden Blutprobe mit Krankheitserregern. Mit geeigneten Verfahren können Wissenschaftler die Antigene detektieren und damit Krankheiten frühzeitig erkennen.

Goldpartikel mit DNA-Verbindung zum Träger," geklebt" mittels Neutravidin. gross

Vörös` hofft, dass sich das Ankersystem ohne grossen Aufwand vervielfältigen lässt. „Die Verwendung von DNA hat sich als hilfreiches Werkzeug für selbstorganisierende Systeme im Nanobereich herausgestellt. Da wir durch Hybridisierung der DNA die kreierten Muster durch „Stempeln“ sehr einfach auf neue Träger übertragen können, hat dieses System Potenzial zur Massenproduktion“, so Vörös. Die Hybridisierung ist ein biologischer Prozess, mit dem sich bestimmte Grundmuster von DNA-Strängen auf einen neuen Träger übertragen lassen. Im Gegensatz zum linearen Prozess der Lithographie, könnten damit neue Nanochips exponentiell vervielfältigt werden. Ein weiterer Vorteil dieses Trägersystems besteht darin, dass die Goldkolloide mit Halbleiter-Nanopartikel ausgewechselt werden können und damit den Träger vielfach und multifunktional einsetzbar ist.


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Ein Gold-Nanodraht unter dem Rasterelektronen-Mikroskop: Tausende Gold-Nanopartikel bilden einen winzigen Draht. gross

Detektion – optisch oder elektrisch

Vörös` Gruppe am Institut für Biomedizinische Technik prüft zurzeit zwei mögliche Systeme, wie die adsorbierten Antigene detektiert werden könnten. Einerseits können die feinen Widerstandsunterschiede in den goldenen Nanodrähten, verursacht durch die Adsorption des Antigens, gemessen und interpretiert werden. Die zweite Möglichkeit ist die Detektion mittels Spektroskopie, also einem optischen Verfahren. Edelmetallkolloide absorbieren Licht bei einer bestimmten Wellenlänge, die durch die Eigenschaften der direkten Umgebung des Partikels definiert ist. Die Adsorption eines Antigens auf einem solchen Partikel macht sich durch die Veränderung im gemessenen Lichtspektrum bemerkbar.

Sowohl in der Empfindlichkeit wie auch in der Selektivität hat der Biosensor gegenüber herkömmlichen Systemen grosse Vorteile. Laut Vörös kann der Sensor sogar einzelne Antigene noch erkennen. Zudem entfällt eine zeitraubende Aufarbeitung der Probe: „Bisher musste eine Blutprobe mit Antikörpern und verschiedenen Markern für eine Messung erst über fünf Schritte aufgearbeitet werden. Das fällt bei unserem System weg“, erklärt Brigitte Städler, die Erstautorin des neusten Papers und bis vor kurzem Vörös` Doktorandin.

Beide Detektionssysteme sind in den Augen von Vörös vielversprechend und werden zurzeit von der Gruppe weiter getestet. Die optische Variante könnte einst zu Messstäbchen führen, die ihre Farbe je nach Befund verändern, so wie man dies von Schwangerschaftstests her kennt. „Langfristiges Ziel muss es sein, dass ein solcher Test weniger als ein Dollar kostet. Nur dann kann er sich soweit durchsetzen, dass er auch von gesunden Menschen zur Routinekontrolle genutzt wird“, so Vörös.

Neben der medizinischen Anwendung in der Biosensorik könnten die selbstorganisierenden Nanodrähte auch für die Halbleiterindustrie von grossem Interesse sein. Bereits laufen erste Versuche von Computerherstellern zur Nutzung der Technologie für die Herstellung von Nanochips. Mit einer Revolution der Halbleitertechnologie rechnet Vörös aber in den nächsten Jahren nicht, schliesslich blicke die Technologie mittlerweile auf eine fünfzigjährige Geschichte zurück, da könne es etwas länger dauern, bis sich ein neues Produktionsmodell durchsetzten könne .

„Medizinische Tests in einem Jahr“

Mit dem neusten Paper haben Vörös und sein Team bewiesen, dass die Herstellung des Biosensors im Labor funktioniert. „Wir hoffen, innerhalb einem Jahr erste medizinische Anwendungen testen zu können“, so Vörös` Vorhersage. Bis dahin müssen jedoch noch einige praktische Probleme gelöst werden. So bereitet den Forschern die Entwicklung einer Schnittstelle von den Nanodrähten zum Widerstands-Messgerät noch erhebliche Mühe. Da die Nanodrähte bislang nur trocken getestet wurden, ist auch noch nicht geklärt, inwiefern Salzmoleküle, die in einer zu messenden Blutprobe zwangsläufig enthalten sind, die Messsignale verfälschen könnten.

Das Interesse der Industrie an den Biosensoren ist indes gross: Unlängst suchen grosse Pharmakonzerne nach Möglichkeiten das Fehlschlagrisiko ihrer mit Milliarden von Franken entwickelten Medikamente einzudämmen. Von gleicher Seite wird verkündet, dass der Diagnostik bald eine ebenso wichtige Funktion zukommen wird, wie der Therapie selber. Dazu braucht es Diagnose-Methoden mit welchen Krankheiten und die Wirkung von Medikamenten routinemässig ergründet werden können. Den selbstorganisierenden Nanodrähten könnte in diesem Kontext bald eine goldene Zukunft bevorstehen.


Fussnoten:
(1) Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich: www.lbb.ethz.ch
(2) Das neuste Paper von Vörös` Gruppe: www.iop.org/EJ/abstract/0957-4484/18/15/155306/



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