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Rubrik: Tagesberichte |
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Internationaler Workshop am Centro Stefano Franscini Virtueller Wiederaufbau |
Ausgrabungsstätten und Museumsstücke werden heute zunehmend mit raffinierten technischen Mitteln erfasst und visualisiert. Dies eröffnet neue Perspektiven für die Untersuchung und Dokumentation von Kulturgütern. Von Felix Würsten Die Archäologie und Kunstgeschichte erlebt zur Zeit einen markanten technischen Umbruch. Neue Geräte wie etwa 3D-Laserscanner und ausgeklügelte Software-Produkte revolutionieren die Erfassung, Katalogisierung und Konservierung von Kulturgütern unterschiedlichster Art. Gleichzeitig bietet sich den Museen die Chance, bei der Vermittlung historischen Wissens neue Wege zu beschreiten. Wie faszinierend und vielfältig die Möglichkeiten heute sind, zeigt ein internationaler Workshop, den die beiden ETH-Professoren Armin Grün vom Institut für Geodäsie und Photogrammetrie (1) sowie Luc van Gool vom Communication Technology Labor diese Woche im Centro Stefano Franscini in Ascona (s. Kasten) zum Thema "Recording, Modeling and Visualization of Cultural Heritage" durchführen. Beliebige Profile durch Grabungen Der Wandel setzt bereits bei den archäologischen Ausgrabungen ein. Dank den neuen Geräten können heute die einzelnen freigelegten Schichten kontinuierlich digital in dreidimensionaler Auflösung dokumentiert werden. Dies ermöglicht es unter anderem, zu einem späteren Zeitpunkt beliebige vertikale Profile durch die Ausgrabungsstätte zu legen. Dies sei vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen, meinte etwa Michael Doneus von der Universität Wien. Geographische Informationssysteme erlauben es zudem, unterschiedlichste Informationen von Grabungen – etwa die Position von Fundstücken oder flächendeckende geophysikalische Messungen – miteinander zu verknüpfen und in dreidimensionalen Geländemodellen darzustellen. Bei der anschliessenden Erfassung und Katalogisierung der Fundstücke werden die wertvollen Gegenstände nicht mehr nur abgezeichnet und fotografiert, sondern immer häufiger auch mit 3D-Scannern erfasst. Die so registrierten Objekte können anschliessend auf dem Bildschirm von allen Seiten betrachtet werden. Wo gewünscht, werden fehlende Teile virtuell ergänzt. Obwohl der technische Fortschritt beachtlich ist, zeigten sich die versammelten Experten noch nicht restlos zufrieden. In verschiedenen Bereichen gibt es tatsächlich noch einige Probleme zu lösen. Bei komplexen Objekten – und dies ist bei wertvollen Kunstgegenständen häufig der Fall – gelangen 3D-Scanner schnell einmal an ihre Leistungsgrenzen. Der Anwender bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite möchte er möglichst detailgetreue Aufnahmen, damit feine Strukturen, die aus kunsthistorischer Sicht besonders interessant sind, erkennbar werden. Auf der anderen Seite muss man aufpassen, dass durch eine zu hohe Auflösung nicht Artefakte entstehen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Am Workshop wurden einige Vorschläge gemacht, wie man etwa die Erfassung mit 3D-Lasern verbessern könnte. Die teilweise angeregten Diskussionen zeigten, dass es dabei um mehr als nur technische Finessen geht. Hollywood prägt Geschichtsbild Positiv vermerkt wurde am Workshop, dass die neuen Visualisierungstechniken interessante pädagogische Perspektiven eröffnen. Ein virtueller Rundgang durch das Schloss Neuschwanstein in Bayern oder die Rekonstruktion einer antiken Stadt, bei der die Bauten in ihrer ganzen Pracht erscheinen, stösst auch bei Laien auf reges Interesse. Das Ziel müsse sein, Geschichten zu erzählen, die Kulturgüter in ihrem historischen Kontext zeigen, forderte etwa Pierre Boulanger von der University of Alberta. Die opulenten Hollywood-Filme hätten das Bild, das sich die breite Bevölkerung von der Römerzeit macht, stärker geprägt als die trockenen, wissenschaftlich korrekten Ausstellungen in den Museen. Dass die heutigen Möglichkeiten, zerstörte Kulturgüter wieder auferstehen zu lassen, die Öffentlichkeit faszinieren, zeigt sich auch am Beispiel der Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan. Armin Grün, Professor am Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der ETH Zürich, hat im Rahmen eines Projektes (2) mit seinem Team die mächtigen Felsstatuen rekonstruiert. "Am Anfang unseres Projekts stand eigentlich eine wissenschaftliche Frage. Wir wollten untersuchen, wie man ein Objekt, von dem nur vereinzelte Bilder vorliegen, digital nachbilden kann. Als die Statuen von den Taliban im Jahr 2001 zerstört wurden, erhielt unser Projekt ungeahnte Aktualität." Die ETH Forscher haben für ihre Arbeit völlig unterschiedliche Bildquellen miteinander kombiniert. Die Palette reicht von Satellitenaufnahmen bis hin zu alten Touristenfotos. Ob die virtuell rekonstruierten Statuen tatsächlich wieder erstellt werden, ist zur Zeit noch unklar. "Nächste Woche findet in Afghanistan eine grosse Konferenz statt, die Klarheit schaffen sollte", erklärt Armin Grün. "Letztlich müssen die Afghanen selbst entscheiden, ob sie die Statuen wieder aufbauen wollen, ob die Statuen mit Laserprojektionen virtuell auferstehen sollen oder ob die Felsnischen auch künftig leer bleiben." |
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