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Rubrik: Tagesberichte |
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ETH-Tag: Nobelpreisträger Kurt Wüthrich als Ehrengast Wunder gibt es keine |
Zurück zu Verantwortung und Realitätssinn: so lautete der Tenor des 147. ETH-Tags vom letzten Samstag. ETH-Präsident Olaf Kübler blickte kritisch zurück auf die Phase der New Economy. Jenes Denken habe auch auf die Politik übergegriffen und der ETH abnehmende Mittel beschert - was den Grundauftrag der ETH gefährdete. Rektor Konrad Osterwalder rief dazu auf, dem jetzt notwendiger denn je werdenden Hochschul-Fund Raising keine politischen Steine in den Weg zu legen. Von Norbert Staub ETH-Rektor und Gastgeber Konrad Osterwalder hiess in seiner Begrüssung der 600 Geladenen als Ehrengast jenen Mann willkommen, durch welchen in den vergangenen Wochen die ETH in aller Medien Munde war: Kurt Wüthrich, dem am 10. Dezember in Stockholm der Nobelpreis für Chemie verliehen wird. Solche Spitzenleistungen seien nicht denkbar ohne jenes solide Fundament an Ausbildung und Ressourcen, welches die ETH und die Schweiz ihrer Forscherelite zur Verfügung stellen. Längerfristig sei es aber unumgänglich, für die ETH mehr nicht-staatliche Mittel zu generieren. Osterwalder rief die Politik dazu auf, solchen Sponsoren möglichst bald Anreize über Steuererleichterungen zu gewähren. "Jetzt tut Eile not", so der ETH-Rektor. Absage ans Irrationale "Faster, Better, Cheaper" - die NASA hatte mit diesem Slogan gehofft, die Raumfahrt zum Kinderspiel zu machen. Es kam bekanntlich anders, Stichwort "Challenger"-Katastrophe.
Einer vergleichbaren Selbsttäuschung erlag die Weltwirtschaft Ende der 90er Jahre, als man sich von der so genannten "New Economy" Wunder, von der "Old Economy" kaum mehr etwas versprach. Solches Denken habe an einer ETH keinen Platz, sagte ETH-Präsident Olaf Kübler in seiner Ansprache. Kübler sprach sich dafür aus, der Kultur der Objektivität, die Institutionen wie der ETH zu ihrer Bedeutung verhalf, wieder mehr Nachachtung zu verschaffen. Es sei dieser irrationale Glaube an das Erreichen von Höchstleistungen ohne entsprechende finanzielle Basis, der in der aktuellen Planungsperiode 2000 bis 2003 der ETH real schrumpfende Mittel beschert habe, gab Kübler zu bedenken. Um die finanzielle Lage zu stabilisieren, wird die ETH in den kommenden Jahren unter anderem 13 vakante oder durch Rücktritt frei werdende Professuren nicht mehr besetzen.
Wüthrich zu einem Drittel an der ETH Kein Wunder, sondern Resultat ambitionierter Visionen, grossen Einfallsreichtums und harter Arbeit sei die Verleihung des Nobelpreises an Kurt Wüthrich, sagte Kübler. In den Medien zu reden gegeben hatte sein Wechsel ans Scripps Institute in San Diego nach seinem altersbedingten Rücktritt im Jahr 2004. Olaf Kübler hielt fest, dass von einem "kalifornischen Exil" nicht die Rede sein könne. Mit Wüthrich habe man ein Weiterwirken an der ETH vereinbart. Dieses wird ein Drittel seiner Arbeitszeit ausmachen.
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Mehr Verantwortung übernehmen Einen "Aufruf zur Verantwortung" lancierte Martin Näf, Co-Präsident der Assistierenden-Vereinigung der ETH (AVETH). Der "viel gerühmte Elfenbeinturm" gerate ins Wanken, wenn für Forscher Undenkbares geschehe wie etwa an der ETH das staatliche Ausbleiben der Bewilligung von Experimenten im Bereich Gentechnologie.
In solchen Momenten gelte es, vom hohen Ross herunterzusteigen, die Öffentlichkeit aufzuklären und zu überzeugen vom Nutzen der eigenen Arbeit - und sei dies mit "einem Artikel im lokalen Käseblatt". Die Entschuldigung, es mangle den Wissenschaftlern an Zeit, bezeichnete Näf als vorgeschoben. Arbeit für die Öffentlichkeit und in politischen Gremien werde generell zu wenig geschätzt: "Solange Verantwortung nur Bürde statt Würde ist, möchte sie kaum jemand übernehmen." Fairness beim Publizieren An die Adresse von Mittelbau und Professoren richtete Martin Näf den Appell, Lehrverantwortung ernst zu nehmen und nicht "als lästige Ablenkung von der eigenen Forschung" zu empfinden. Es sei unverantwortlich, wenn Lehrbefähigung bei Einstellungen keine ernsthafte Rolle spiele. Verantwortung sei auch beim Schreiben von Publikationern gefordert, insbesondere bei der Frage der Primär-Autorschaft, sagte Näf und appellierte an die Fairness der etablierten Professorenschaft. Diese "könnte es sich zweifelsohne leisten, zugunsten der jüngeren Wissenschaftler einen Schritt zurück zu treten", meinte der AVETH-Co-Präsident. Zuletzt machte Martin Näf noch auf die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden aufmerksam. Denn Professoren seien meist auch Personalverantwortliche. Sie würden den damit verbundenden Pflichten allerdings viel zu wenig nachkommen. Jährliche Mitarbeitergespräche oder die Personalverordnung seien manchem Chef kaum geläufig. An der ETH, so Näf, müsse jedoch Verantwortungsbewusstsein einen festen Platz haben, damit hier "nicht nur die Forschung, sondern auch die Gesellschaft als ganzes gedeiht". ETH herzlich aufs Korn genommen In seinem Grusswort nahm Uni-Rektor Hans Weder die ETH gewohnt herzlich aufs Korn. Auch er kam dabei unter anderem nicht um den neuen Nobelpreisträger herum. Dieser soll kürzlich gesagt haben, Zürich habe eine grosse und eine gute Universität. "Ich wusste gar nicht, dass die ETH so gross ist", so Weders Replik. Ein weiteres seiner Themen war das stattliche Gebäude des ETH-Rats im Universitätsquartier und dessen im Vergleich zum Uni-Aufsichtsgremium zehnmal grösserer Stab. Dies liess Weder darüber spekulieren, ob der Rat der ETH wohl operativ unter die Arme greifen müsse. Falls nicht, und falls ein Personalabbau nicht in Frage komme, könnte die ETH vielleicht zu expandieren versuchen, meinte der Uni-Rektor: "Die Hunterstrategie muss ja nicht immer versagen."
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