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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.05.2004 06:00

Kongress "Frauen in Naturwissenschaft und Technik" 2004 - erstmals in der Schweiz
"no limits?!"

"no limits?!" - so lautete das Thema des dreitägigen Kongresses "Frauen in Naturwissenschaft und Technik" (FiNuT), der erstmals von Schweizerinnen organisiert wurde. Rund 500 Frauen aus Deutschland, Österreich, der Ukraine und der Schweiz machten sich auf den Weg, um ihre Grenzen aufzuspüren und diese zu durchbrechen. Klar wurde, dass dies oft nicht auf direktem Wege möglich ist und vor allem Beharrlichkeit zum Ziel führen könnte. Könnte, weil noch harte Arbeit bei den Frauen selbst, aber auch in Gesellschaft und Politik nötig ist.

Von Regina Schwendener

Vom 20. bis 23. Mai war der FiNuT-Kongress erstmals in der Schweiz - an der Zürcher Hochschule Winterthur - zu Gast. Zum internationalen Kongress waren Frauen eingeladen, die an Technik und Naturwissenschaften interessiert sind - Naturwissenschaftlerinnen, Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen, Forscherinnen, Ingenieurinnen, Planerinnen, Architektinnen, Technikerinnen, Handwerkerinnen und Studentinnen. Und FiNuT 2004 - durch ein Grusswort von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey eröffnet - bestach durch seine Vielfalt: Die Referentinnen stellten an der Zürcher Hochschule Winterthur in etwa 140 Beiträgen ihre Projekte und Arbeiten in Form von Marktständen (über 20) und Posterausstellung, von Vorträgen, Workshops oder Diskussionsforen vor. Das Rahmenprogramm servierte ihnen zudem ein Frauenfest, Konzerte mit "Les Reines Prochaines" und "Clara Buntin und den Cantatritzen", das Theater "Amaradonna" und ein Jazzbrunch mit Irène Schweizer und Co Streiff.

Frauen überschreiten Grenzen, die sie sich auch oft selbst setzen. - "No limit" muss Realität werden, waren sich die Kongressteilnehmerinnen einig. gross

Vorurteile abbauen

Aussenministerin Calmy-Rey, wegen der Unterzeichnung der Bilateralen II in Brüssel an der Kongressteilnahme verhindert, liess durch Carla Zingg, Gleichstellungsbeauftragte an der ETH Zürich, eine Grussbotschaft verlesen: "Wer möchte leugnen, dass Vorurteile hartnäckig sind, und dass sich Bilder manchmal langsamer verändern als die Gesetzgebung?" Micheline Calmy-Rey stellte fest, dass Frauen in allen Fächern und Branchen seit Aufhebung der formellen Ungleichheiten zwar Boden gutgemacht hätten, nur in Naturwissenschaften und Technik "harze" es. Sie hatte wohl in der Geschichte der ETH geforscht, denn sie wies in der Folge auf eine erstaunliche Tatsache hin: Schon 1871 habe die erste Studentin am Polytechnikum in Maschinenbau ihre Studien aufgenommen. 1877 finde man die erste Diplomandin in Land- und Forstwirtschaft, 1910 hätte die erste Frau ihre Habilitationsschrift an der Fakultät für Mineralogie verteidigt. "Und trotzdem wird man noch 69 Jahre warten müssen, bis es eine Titularprofessorin und 75 Jahre, bis es eine ordentliche Professorin gibt", stellt die Bundesrätin fest. Sie wisse aber auch, dass es schwierig sei, etablierte Strukturen zu durchbrechen: Es verlange in erster Linie eine Überwindung von Ängsten, die oft Folge falschen Verständnisses der naturwissenschaftlichen und technischen Berufe seien, und die Überwindung von Vorstellungen darüber, wie schwierig der Zugang zu diesen Berufen für Frauen sei. Die Bundesrätin forderte: "Frauen in Naturwissenschaft und Technik müssen sichtbar werden. Wir müssen zeigen, wie aktiv ihre Rolle dort ist und sein kann."

Vier Schwerpunkte

Am Kongress wurdendie bundesrätlichen Worte lebhaft in die Tat umgesetzt. Vier Schwerpunkte bestimmten das Kongressthema - Grenzen für Frauen, Grenzen des Raumes, Grenzen des Körpers, Grenzen der Ressourcen - in welchen die verschiedensten Fragestellungen auftauchten: Wie finden Frauen Zugang zu Naturwissenschaft und Technik? Wo liegen die weiblichen Barrieren in diesen Disziplinen? Steht man sich nicht auch selbst im Weg? Diskutiert wurde aber auch, wie Karrieremöglichkeiten der Frauen behindert werden, welchen Raum und welchen Freiraum Frauen beanspruchen.


FiNut Schweiz gegründet

Seit 1977 findet der Kongress "Frauen in Naturwissenschaft und Technik" (1) statt. Die Kongressveranstalterinnen wollen den Erfahrungsaustausch sowie die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten und Strukturen, die Frauen in Naturwissenschaft und Technik antreffen, fördern. Von einem "nationalen Treffen" entwickelte sich der Anlass zu einem überregionalen Kongress für den gesamten deutschsprachigen Raum und bietet den Teilnehmerinnen zudem eine Plattform zum Aufbau und zur Pflege des persönlichen und beruflichen Netzwerkes.

Für die Durchführung des Kongresses FiNuT 2004 wurde der gemeinnüztige Verein "Frauen in Naturwissenschaft und Technik FiNuT Schweiz" (2) mit rund 40 Mitgliedern gegründet. Organisiert wird der Kongress von den Vereinsmitgliedern, das heisst, Frauen in Beruf und Ausbildung sowie unter anderen von den Fachfrauen Umwelt (FFU), der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen SVIN, der Stelle für Chancengleichheit von Frau und Mann ETH Zürich oder der Fachgruppe Ingenieurinnen und Architektinnen (fia/STV) sowie zahlreichen Einzelmitgliedern. Im "Matronatskomitee" finden sich neben der SANW-Genralsekretärin Ingrid Kissling-Näf auch die Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli, Nationalrätin Franziska Teuscher oder Professorin em. Katharina von Salis.




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Sabina Littmann ist überzeugt, dass es Grenzen, welche einschränken, zu durchbrechen gilt. gross

Es wurde zudem gefragt, wie ein lebenswertes Umfeld aus der Sicht der an der Planung beteiligten Fachdisziplinen aussehen müsse. Dabei kamen Frauen und Aspekte aus den Fachbereichen Verkehrsplanung, Ökologie, Landschaftsarchitektur, Architektur, Soziologie und anderen auf den Tisch. Neue Ansätze wie neue Wohnformen wurden diskutiert. Und es wurde aber auch die Frage erörtert, wo einem der weibliche Körper Grenzen setzt und wie man diese überwindet. Und schliesslich wurde die Tatsache, dass die natürlichen Ressourcen unseres Planeten begrenzt sind, in den Raum gestellt und gefragt, wie der Mensch, insbesondere aber die Frauen mit diesem Fakt umgehen, wie man überhaupt mit den Grenzen als Chance umgehen könne.

Grenzüberschreitung…

Grenzüberschreitungen ziehen Konsequenzen nach sich, sagt Sabina Littmann-Wernli, Oberassistentin am Institut für Wirtschaftsforschung der ETH Zürich, in ihrem Beitrag zur Thematik. "Grenzen sind nicht gleich Grenzen. Es gibt Grenzen, die Freiräume garantieren sollen, aber natürlich auch Grenzen, die Entwicklungs- und Erkenntnismöglichkeiten einschränken." Littmann erscheint es wichtig, dass die Gestaltung von Mobilität und Räumen von beiden Geschlechtern getragen werde: "Wer nur die eigenen Grenzen vor Augen hat, übersieht leicht, welche Anpassungsleistungen von anderen bei Grenzüberschreitungen zu erbringen sind… Identifizieren Sie aber nicht nur äussere, sondern auch innere Widerstände, wenn Grenzen unüberwindbar erscheinen." In den Köpfen von Frauen wie Männern müsse ein Umdenken stattfinden.

Frauen brachen wissenschaftliche Grenzen auf und brachten ihre Vorstellungen zu den speziellen Themen der Tagung, die bisher weitgehend von Männern gestaltet wurden, ein. Mit dabei waren Carl Zingg und Sarah Springman (rechts). gross

…und Nachwuchsförderung

Eine der Vertiefungsveranstaltungen war dem Thema Nachwuchsförderung gewidmet. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob den Frauen neue, frauenfreundlichere Arbeitsmodelle und Arbeitszeitmodelle entgegenkämen, und einen etwas heiteren Ton brachte das Thema "Frauen und Macht" in die Runde, als dem Verhalten der Frauen im üblichen Rollenspiel ein Spiegel vorgehalten wurde.

Laut Professorin Sarah Springman vom Departement Bauingenieurwissenschaften der ETH und Mitglied des Schweizerischen Wissenschaftsrates liegt Frauenförderung zwar im Trend, die Realität zeichne jedoch ein anderes Bild: Je höher die Hierachiestufe, desto weniger Frauen besetzen die Posten. Umgesetzt auf die ETH Zürich sehe das so aus, dass die Anzahl der Frauen im akademischen Betrieb bis hin zu den ordentlichen Professuren rapid abnehme. Waren es bei den Studierenden noch 29 Prozent, seien es bei den Professorinnen heute 4,4 Prozent. Bestimmte Departemente glänzten sogar durch Frauenfeindlichkeit. Während sich ETH-Präsident Nüesch Frauenförderung noch auf die Fahnen geschrieben habe und ein deutlicher Aufschwung in Sachen Professorinnen-Berufungen zu verzeichnen war, stagnierten diese seit dessen Pensionierung. Für den Start in eine Karriere sieht Springman das Mentoring als sehr wichtig an, auch wenn junge Wissenschaftlerinnen manchmal einen Zick-Zack-Weg dorthin beschreiten müssten. Sie forderte aber auch die Föderung von Graduiertenkollegs, eine vereinheitlichte Postdocförderung sowie bessere strukturelle Rahmenbedingungen für die Frauen und spezielle Massnahmen, um Frauen die Angst vor Naturwissenschaft und Technik zu nehmen, um Frauen an die Spitzenplätze zu holen.


Fussnoten:
(1) Informationen zu den bisherigen FiNuT-Kongressen: www.finut.net
(2) FiNuT 2004 in der Schweiz: www.finut.ch/pages/frame_start.html



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