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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.01.2002 06:00

Fahrtbericht zur Swedarctic 2001 Nordpol-Expedition
Forschen bei den Eisbären

Dass Forschung ein Abenteuer sein kann, ist bekannt. Doch nicht jeder trifft dabei auf Eisbären oder geht am Nordpol baden. Der ETH-Geochemiker Martin Frank berichtet von seiner Forschungsexpedition letzten Sommer in der Arktis.

Von Martin Frank

Am 14. Juli gelangten wir per Helikopter an Bord der "Oden", die nordöstlich von Spitzbergen lag. Unmittelbar nach der Ankunft nahm das Schiff mit 45 Wissenschaftlern und 20 Besatzungsmitgliedern aus verschiedenen Nationen an Bord Kurs in Richtung Norden, bereits am folgenden Tag bei 90-100 Prozent Meereisbedeckung. Die "Oden", die 1991 zusammen mit der "Polarstern" als erster nicht nuklear angetriebener Eisbrecher den Nordpol erreichte, bahnte sich ihren Weg durch das teilweise mehrere Meter mächtige Eis mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich etwa 5 bis 8 km/h.

Die Ozeanographen an Bord nahmen Tiefenprofile (0-4500 m) des Salzgehalts und der Temperatur in den verschiedenen arktischen Becken auf, um die Wassermassenverteilung zu erfassen. Während dieser Zeit fand auch der Hauptteil unserer Probennahme statt. Etwa alle 6-8 Stunden kamen unsere Proben an Bord, die danach gefiltert, angesäuert und verpackt werden mussten, was nicht viel Zeit zum Schlafen liess. Zusätzlich unternahmen wir Helikopterflüge, um Eissedimente zu beproben.

Baden und Golfen am Nordpol

Bad am Nordpol
Die Möglichkeit zu einem kühlen Bad am Nordpol liessen sich die Forscher natürlich nicht entgehen. gross

Die "Oden" erreichte nach der erfolgreichen Beprobung der tiefen Becken am 1. August 2001 den geographischen Nordpol. Dieses Ereignis musste natürlich gefeiert werden. Nachdem das Schiff festgemacht hatte, zollten Besatzung und Wissenschaftler diesem besonderen Ort, der sich natürlich vom Aussehen her durch nichts vom übrigen arktischen Ozean unterscheidet, individuell ihre Hochachtung. Es wurde Golf gespielt (natürlich mit roten Bällen...), Ski gefahren und der als Gast mitreisende Bildhauer und Maler Johan Petterson veranstaltete ein Happening und setzte eine von ihm geschaffene Bronzestatue auf dem Eis aus. Eindeutiger Höhepunkt war jedoch ein Bad am Nordpol, das bei Wassertemperaturen von -2°C in der Badehose ein extrem kurzes "Vergnügen" war, und nur duch einen anschliessenden längeren Aufenthalt in der bordeigenen Sauna zu überstehen war.

Forschen und Feiern

Anschliessend dampfte die "Oden" etwa 100 km nach Süden, um ein geeignetes zusammenhängendes und stabiles Eisfeld für die geplante dreiwöchige Verankerung zu finden, während derer das Schiff sich nur passiv mit dem driftenden Eis bewegen sollte. In dieser Zeit fand hauptsächlich ein atmosphärenchemisches und -physikalisches Messprogramm statt.

Während der Eisdrift konnten wir zu einem etwas geordneteren Leben an Bord finden. Die 6-Stunden-Schichten, in denen die Besatzung arbeitete, bestimmten die Essenszeiten. Diese stellten auch die einzigen echten Fixpunkte des Tages dar, da es natürlich nie dunkel wurde. Die Routine wurde immer wieder durch gesellschaftliche Ereignisse durchbrochen, die dazu beitrugen, dass es während der gesamten Zeit nur sehr wenige Reiberein an Bord gab. Wir wurden unter anderem in verschiedene "heidnische" schwedische Bräuche eingeführt, wie die Crayfishparty (ein Süsswasserhummer, der sehr proteinreich ist und daher mit einigen hochprozentigen Getränken und schwedischen Trinkliedern verdaut werden muss) oder das Verspeisen von fermentiertem Hering. Deren Dosen sollten aus gutem Grund nur im Freien geöffnet werden.

Mit dem Helikopter gegen Eisbären

Während dieser Zeit ergab sich auch die Gelegenheit für uns, das etwa 25 km2 grosse Eisfeld mit den Langlaufskiern zu erkunden. Dazu lud das Hochdruckwetter mit meist rund um die Uhr strahlendem Sonnenschein und Temperaturen knapp unter Null Grad ein. So konnten wir dann ausser Sicht des Schiffes zumindest andeutungsweise nachvollziehen, wie Nansen sich gefühlt haben musste, als er vor mehr als hundert Jahren nach Aufgabe seines Schiffes mehrere Monate zu Fuss auf dem Eis unterwegs war. Bei unserer Expedition geschah das natürlich nie ohne obligatorisches Funkgerät und Gewehr, da immer mit Besuchen neugieriger und hungriger Eisbären gerechnet werden musste, von denen wir unterwegs schon viele Spuren und auch einige Exemplare in Fleisch und Blut gesehen hatten.


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EisbŠren
Obwohl statistisch nicht unbedingt zu erwarten, kamen Eisbären den Forschenden ziemlich nahe. gross

Nach der ersten Woche Eisdrift bekamen wir dann auch hautnahen Kontakt mit zweien dieser Besucher, - einer Mutter mit einem etwa eineinhalb jährigen Jungen. Am frühen Morgen und bei noch hochgezogener Gangway kamen sie bis auf 5 Meter an das Schiff heran. Ein weiterer einzelner Bär erschien ein paar Tage später. Statistisch gesehen hätten diese Bären gar nicht in dieser Häufigkeit so weit im Norden anzutreffen sein dürfen. Statistiken helfen im Einzelfall aber bekanntlich ja nicht weiter; die pelzigen Besucher mussten am Ende mit dem Helikopter vertrieben werden.

Das nördlichste Fussballturnier

Abwechslung gab es durch zwei internationale Rendez-vous. Zuerst kam es zu einem Treffen mit der "Yamal", einem russischen Nukleareisbrecher. Angetrieben von 2 Kernreaktoren mit 75,000 Pferdestärken schafft es dieser, mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten durch 5 Meter mächtiges zuammenhängendes Eis zu fahren. Die Hauptaufgabe dieses beeindruckenden Schiffs, das wir auch besichtigen konnten, ist die Freihaltung von Schifffahrtswegen im Norden von Russland. In diesem Sommer war es gerade von amerikanischen Abenteuerreiseveranstaltern gechartert worden und transportierte zahlungskräftige westliche Touristen unter angenehmen Bedingungen von Murmansk zum Nordpol und zurück.

Eisbrecher
Auch am Nordpol ist man nicht vor Touristen sicher: der russische "Ausflugs"-Eisbrecher Yamal gross

Ein weiteres Treffen fand kurz vor Ende der Expedition auf der Rückfahrt bei etwa 85°N statt, als sich drei im arktischen Ozean operierenden Forschungseisbrecher, die "Oden" aus Schweden, die "Polarstern" aus Deutschland und die "Healy" von der U.S. Küstenwache, zu einem Rendez-vous auf dem Eis trafen. Die beiden anderen Schiffe waren auf einer gemeinsamen Expedition, um Gesteinsproben vom arktischen Meeresboden zu nehmen. Am Ende waren 250 Wissenschaftler und Besatzungsmitglieder zu einem Picknick und einem internationalen Fussballturnier auf dem Eis. Das dürfte wahrscheinlich eine der grössten Menschenansammlungen nördlich von 80°N gewesen sein, die jemals stattgefunden hat.

Die Expedition ging am 30. August in Spitzbergen wie geplant mit dem Rückflug in einem Hercules-Truppentransporter der schwedischen Armee zu Ende. Wir erwarten nun gespannt die Ergebnisse der Messungen, die wir im Moment in unserem Reinraumlabor an der ETH vorbereiten.


Nordpol-Expedition

Im letzten Sommer nahmen die beiden Geochemiker Don Porcelli und Martin Frank vom Institut für Isotopengeologie und Mineralische Rohstoffe (IGMR) des Departements Erdwissenschaften der ETH an einer vom schwedischen Polarforschungssekretariat organisierten und finanzierten Expedition zum Nordpol teil. Ziel der Wissenschaftler auf der insgesamt neun Wochen dauernden Ausfahrt mit dem schwedischen Forschungs-Eisbrecher "Oden" war es, die Wassermassen des arktischen Ozeans in verschiedenen Bereichen zu beproben.

Diese Proben sollen am IGMR in Kollaboration mit dem Laboratorium für Isotopengeologie des schwedischen Naturhistorischen Museums in Stockholm und den Instituten für Teilchenphysik und für anorganische Chemie der ETH mittels aufwendiger massenspektrometrischer Messungen auf den Gehalt und die isotopische Zusammensetzungen von Spurenmetallen untersucht werden. Die Wissenschaftler erhoffen sich von diesen Messungen ein verbessertes quantitatives Verständnis der Wassermassenzirkulation und des kontinentalen Verwitterungseintrags in den arktischen Ozean.




Literaturhinweise:
ETH-Life Bericht im Vorfeld zur "Swedarctic 2001": www.ethlife.ethz.ch/tages/show/WasserschpfendeWiss.html



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