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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.02.2001 06:00

Info-Abend: Freisetzungsversuch in Eschikon
Fakten statt Spektakel

Gut hundert gespannte Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen gestern am Informationsabend der ETH und der Gemeinde Lindau im Schulhaus von Tagelswangen teil. Der Anlass verlief entgegen ersten Befürchtungen sachlich und brachte eine fundierte Orientierung über den geplanten ETH-Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen.

Von Norbert Staub, Richi Brogle und Jakob Lindenmeyer

Er wolle, dass die Orientierung "sauber" verlaufe, mahnte der Lindauer Gemeindepräsident Willy Flammer die Anwesenden. Man solle in der Debatte einander bitte ausreden lassen. Befürchtungen, die Information der Bevölkerung über das Gesuch des ETH-Pflanzenwissenschaftlers Christoph Sautter für einen Feldtest mit transgenem Weizen könnte zu einem Polit-Spektakel ausarten, hatte Greenpeace genährt. Im Vorfeld waren von der Umweltorganisation Handzettel mit einem "kritischen Beitrag" zur Informationsveranstaltung verteilt worden. Dem Abend zusätzliche Bedeutung verlieh ein Filmteam der Sendung "Menschen-Technik-Wissenschaft", dessen Beitrag heute Abend im Schweizer Fernsehen (SF1) zu sehen sein wird.

Vom Gewächshaus ins Freiland

"Uns interessiert die Frage: funktioniert's?"- das sei nun einmal der Motor der Grundlagenforschung, begründete Christof Sautter seinen geplanten Freisetzungsversuch in der Eschikoner Versuchsstation der ETH. Es gehe darum, eine gegen die Pilzkrankheit Stinkbrand resistent gemachte Weizenpflanze auf acht Quadratmetern Freiland zu testen. Dafür würden maximale Sicherheitsvorkehren ergriffen, so eine Dauerüberwachung und staubdichte Abdeckungen zur Pollenflugzeit. Gearbeitet werde mit Prototypen, die nie in die Anwendung gehen würden, erläuterte Sautter.

Stinkbrand
Rege Beteiligung am Informationsabend über den geplanten ETH-Feldtest: Betroffene und Interessierte gestern Abend im Schulhaus Tagelswangen. gross

Die Kritik von Greenpeace setzte hier an, indem ins Feld geführt wurde, dass der Gentech-Weizen "landwirtschaftlich und ökologisch keinen Nutzen" bringe. Just dies könne erst nach dem Experiment entschieden werden, entgegnete Sautter gestern. Stinkbrand sei heute in der Schweiz darum kein Thema mehr, weil ihm mit jährlich 20 Tonnen Fungiziden vorgebeugt werde - auch der biologische Landbau mache davon Gebrauch.

Entscheid kommt Ende April

Ein weiterer Kritikpunkt von Greenpeace betraf die in den Versuchsweizen eingebaute Antiboitikaresistenz. Sie bilde "ein unnötiges Gesundheitsrisiko". Dass ein Antibiotikaresistenzgen in ein Bodenbakterium gelange, sei bisher noch nicht beobachtet worden, erklärte Sautter. Zudem erinnerte er daran, dass "in jedem Gramm Boden bereits Zehntausende von antibiotikaresistenten Bakterien existieren". Vor fünf Jahren, als dieses Experiment begann, war der Einbau der Antibiotikaresistenz Standard.

Dem dritten Greenpeace-Vorwurf, Sautter "unterminiere" die laufenden Diskussionen um ein Freisetzungsmoratorium, konterte dieser mit dem Hinweis, dass keiner der diskutierten Moratoriumsvorschläge ein Verbot von kontrollierten Feldversuchen vorsehe.[4] Hans Hosbach, im Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) zuständig für Sicherheitsfragen im Bereich Gentechnologie, erläuterte den Instanzenweg, den das Bewilligungsgesuch nehmen muss. Unter anderem müsse für ein Ja des BUWAL von sämtlichen anderen involvierten Bundesämtern grünes Licht zu dem Projekt gegeben werden. Mit einem ersten Entscheid sei ungefähr Ende April 2001 zu rechnen.

Wirklich keine Gefahr?

In der sich anschliessenden Diskussion mit dem Publikum manifestierten sich Sorgen und Hoffnungen. Ein "Lothar" könnte unter Umständen die transgenen Pflanzen in alle Windrichtungen verteilen, wurde befürchtet. Und eine in der Eschikoner Nachbarschaft lebende Bäuerin ist sich nicht sicher, ob Pollen aus dem Versuchsfeld nicht doch auf ihrem Brotweizen landen und so in die Nahrungskette gelangen. Für einen Zuhörer, der an Weizenunverträglichkeit leidet, ist die moderne Züchtung mittels Gentechnologie mitverantwortlich für seine Allergie. Er forderte breit angelegte Verträglichkeitsstudien. Dazu führte Christof Sautter an, dass im Gegenteil gerade moderne Forschungsmethoden wie die Biotechnologie präzisere Aussagen über die Allergenität zuliessen.


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Stinkbrand
Gestern Abend im Zentrum des Interesses: ETH-Pflanzenwissenschaftler Christof Sautter. gross

Bruno Heinzer, Koordinator der Gentech-Kampagne bei Greenpeace, machte auf bestehende Wege der Stinkbrandbekämpfung aufmerksam, die naturverträglich seien, auch das Beizen des Saatguts sei nicht sehr bedenklich. Es brauche deshalb diese Forschung gar nicht. Dem entgegnete Sautter, dass die Breitband-Behandlung mit Fungiziden auch nützliche Pilze vernichte. "Den Fünfer und's Weggli gibt hier nicht", so Sautter. Mit seinem transgenen Weizen hoffe er hingegen, gezielt noch weitere schädliche Pilze ausschalten zu können. "Gerade der biologische Landbau könnte das eine oder andere Fungizid - etwa Gelbsenfmehl - weglassen, wenn er gegenüber transgenen Methoden ideologisch flexibler wäre."

Wissenschaft muss Wissen schaffen

Dem widersprach heftig Hansruedi Hurter, Präsident der Zürcher und Schaffhauser Bioproduzenten. Im Reglement für Biolandbau stehe klar, es sei "verboten, gebeiztes Saatgut zu verwenden." Gentechnologie sei nicht der richtige Weg für die heutige Landwirtschaft, das zeige auch die BSE-Krise. Die Bevölkerung wolle keinen Gentech-Food. "Was passiert aber? Die natürliche Forschung stirbt aus, die strategische "Glashäuser"-Forschung wird gefördert", sagte Hurter.

Wenn die Schweiz in der Pflanzenforschung abgehängt werden wolle, müsse sie einfach auf Gentechnologie verzichten, meinte Sautter. Das umliegende Ausland, insbesondere die USA gehe den Weg der Gentechnologie konsequent. "Wissenschaft hat primär die Aufgabe, Wissen zu schaffen. Dafür werden wir bezahlt", so Sautter. Er sei kein Politiker, "es liegt an der Gesellschaft, das angebotene Wissen zu nutzen". Damit wollten sich mehrere Votanten nicht zufrieden geben.

Wer trägt Verantwortung?

Die Diskussion spitzte sich auf die Frage zu, wo die Verantwortung für allfällige Folgen eines Freisetzungsversuchs liege. Die Forschung stehle sich aus der Verantwortung, war zu hören. Bauern im Publikum monierten, sie müssten die von der Forschung jeweils angerichteten Probleme ausbaden. Jürg E. Schmid, ETH-Züchtungsexperte vom Institut für Pfanzenwissenschaften plädierte für ein Zusammengehen von herkömmlicher Landwirtschaft, Biolandbauern und Forschung, um Reglemente zu erarbeiten, die auf europäischer Ebene geltend gemacht werden können. Christof Sautter sagte, er sei froh über das strenge Bewilligungsverfahren mit seiner breiten Mitbestimmung; er sei offen für Kritik, die die Sicherheitsstandards verbessern helfen. Und auch wer eine gentechfreie Schweiz wolle, müsse am Ende kontrollieren können, was für Saatgut aus dem Ausland importiert werde: "Ist dieses Wissen nicht vorhanden, verliert man auch die Kontrolle."


Freilandversuch gegen Stinkbrand

Zur Bekämpfung des Pilzschädlings "Stinkbrand" werden in der Schweiz jährlich rund 20 Tonnen Fungizide auf den Feldern verteilt.[1] Der gentechnisch geschützte Weizen soll den Einsatz giftiger Chemikalien reduzieren. Er enthält neben den pilzhemmenden Genen aber auch Resistenzgene gegen das Herbizid "Basta" sowie das Antibiotikum "Ampicillin". Versuche haben gezeigt: Im künstlichen Klima des Gewächshauses reduzierte sich der Pilzbefall der gentechnisch geschützten Weizensorte um 30-50%. Allerdings können natürliche Einflüsse wie Sonne, Wind, Regen, Temperatur und Trockenheit im Gewächshaus nur ungenügend simuliert und daher nur in einem Freilandversuch überprüft werden.

Im aktuell diskutierten Feldtest sollen auf acht Quadratmetern 1600 transgene Weizenpflanzen ausgesät werden. Die Schutzmassnahmen sind aufwändig: Maschendrahtzaun, Pollenzelt, Vogelschutz- und Bodennetz, "rund um die Uhr"-Bewachung, Nachkontrollen sowie Herbizid- und Hitzebehandlungen sollen die Pollen- und Samenverbreitung verhindern.[2]

Nach Artikel 7 der "Freisetzungsverordnung" muss für einen solchen Freilandversuch eine Bewilligung des BUWAL eingeholt werden. Artikel 9 verlangt im Bewilligungsgesuch neben den europäisch standardisierten Freisetzungsinformationen zusätzlich eine Risikobewertung und einen Überwachungsplan.[3]




Literaturhinweise:
(1): Hintergrund zum ETH Weizen-Projekt: "Gen statt Gift": www.pb.ipw.biol.ethz.ch/crops/wheat/blick1.htm
(2): Zusammenfassung des Gesuchs für das Weizen-Projekt der ETH: www.pb.ipw.biol.ethz.ch/crops/wheat/feldtest.htm
(3): Verordnung vom 25. August 1999 über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung): www.admin.ch/ch/d/sr/c814_911.html
(4): "Kein Moratorium für Stinkbrand": ETH Life-Bericht zur Ablehnung eines Moratoriums für Gentech-Freisetzungen: www.ethlife.ethz.ch/news/show/KeinMoratoriumfrSti.html



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