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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.09.2002 06:00

Verfassung und Gesetz ermöglichen Gentech-Forschung
Gentech-Weizen und Recht

Die ETH hat mit ihrem Rekurs gegen das Nein des BUWAL zum Freisetzungsversuch mit Gentech-Weizen vor zehn Tagen einen klaren Sieg errungen. Was hat dazu geführt? Ein Jurist, der die ETH beim Dossier Gentechnik berät, und ein Greenpeace-Vertreter äussern sich dazu sowie zum möglichen weiteren Verlauf des Verfahrens.

Von Norbert Staub

„Die ETH hat sich auf der ganzen Linie durchgesetzt“, sagt Stefan Kohler, Rechtsanwalt bei der Zürcher Kanzlei Pestalozzi Lachenal Patry. Er betreut dort für die ETH das Dossier Gentechnologie. „Der Uvek-Entscheid klärt wichtige Fragen zum Vollzug des Schweizer Gentechnikrechts und ist deshalb von wegweisender Bedeutung“, so Kohler. Der 35-Jährige verfügt neben seiner juristischen Ausbildung über ein ETH-Diplom in Biologie mit Vertiefungsrichtung molekulare Ökologie - eine im vorliegenden Fall bestimmt sehr hilfreiche Zusatzkompetenz.

Begleitverantwortung missachtet

Das BUWAL darf Gesuche für Freisetzungsversuche nicht allein entscheiden. Das Gesetz schreibt vor, dass weitere drei Bundesämter, zwei Eidgenössische Fachstellen sowie auch eine kantonale Fachstelle das Gesuch beurteilen müssen (1). „Auf diese Weise soll die interdisziplinäre Risikoprüfung gewährleistet werden. Dieses für das Gentechnikrecht typische Konzept der Begleitverantwortung hat das BUWAL bei seinem Entscheid leider missachtet“, sagt Stefan Kohler. Es habe, basierend auf wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Erwägungen, die Beurteilungen der oben genannten Experten, die allesamt positiv ausfielen, übergangen. „Und das darf nicht sein“, hält Stefan Kohler fest.

Bedenken entkräftet

Das im internationalen Vergleich sehr strenge Schweizer Gentechnikrecht könne nur funktionieren, wenn die Stellungnahmen aller Expertengremien ernst genommen werden. Kohler: „Die Biosicherheit wird langfristig nur gewährleistet, wenn diese Regel unabhängig davon gilt, ob das BUWAL tendenziell Gentechnik-feindlich oder -freundlich eingestellt ist. Stellen Sie sich die Konsequenzen der Missachtung dieser Regel vor, wenn in Zukunft ein übermässig Gentechnik-freundlicher Chef im BUWAL sitzen würde.“ Das Prinzip der Begleitverantwortung habe das Uvek in aller Deutlichkeit festgestellt. Insbesondere wird das BUWAL im Entscheid ermahnt, die Stellungnahme der EFBS ernst zu nehmen und in die Beurteilung einfliessen zu lassen. „Dies ist die juristisch wichtigste Feststellung des Uvek-Entscheids“, erklärt der Jurist. Bundesrat Moritz Leuenberger hatte gegenüber den Medien betont, dass seine Zurechtweisung des BUWAL stark formaljuristisch motiviert sei. Bei dieser Formulierung kam zu kurz, dass das Uvek alle wissenschaftlichen Ablehnungsgründe des BUWAL überprüfte - und verwarf. „Mit anderen Worten: Das UVEK hat in aller Deutlichkeit festgestellt, dass dem Freisetzungsversuch - es handelt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um den bestgesicherten, der je geplant wurde - keine Sicherheitsbedenken entgegenstehen“, sagt Stefan Kohler.

Angst um Image der Landwirtschaft

"Das ist eine Frage der Interpretation", hält dem Bruno Heinzer entgegen. Heinzer ist verantwortlich für die Gentechkampagne bei Greenpeace Schweiz. "Eine Minderheit der Kommission für Biologische Sicherheit hatte ja Bedenken angemeldet. Das Uvek lässt nun diese nicht mehr gelten und gewichtet die Haltung der gentechfreundlichen Mehrheit stärker."


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Hier soll der Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen stattfinden: Die ETH-Versuchsstation in Lindau-Eschikon. gross

Es stimme zwar, so Heinzer: Christof Sautters Versuch habe in Sachen Biosicherheit einen hohen Standard, das Restrisiko sei sehr klein. "Aber das Experiment liegt völlig quer zu den aktuellen Bedürfnissen der Landwirtschaft.“ Denn der darin untersuchte Stinkbrand sei kein brennendes Problem und wenn er auftaucht, könne er durch herkömmliche, umweltschonende Methoden bekämpft werden. „Die Schweizer Bauern wollen keine Gentechnik“, so Heinzer, „auch ein kleiner Versuch kann das Image der gentechfreien Landwirtschaft gefährden.“

„Zwängerei“ kontra Verfassungstreue

Umweltschutz-Gruppen (und auch die SP) werfen der ETH vor, sie betreibe mit dem Beharren auf dem Experiment „Zwängerei“, da auf der Grundlage des im Nationalrat demnächst zu debattierenden GenLex-Entwurfs dieses möglicherweise nicht mehr bewilligt werden könnte. Der Jurist Kohler hierzu: „Jedes Gesetz, das darauf abzielt, auch sichere Versuche wie jenen der ETH zu verbieten, wird von der Verfassung nicht mehr gedeckt.“ Denn Artikel 120 der Bundesverfassung besage, dass Gentechnik in der Schweiz erlaubt ist, sofern damit keine Gefährdung für Mensch und Umwelt oder ein Missbrauch einhergeht (2). Daran würden sich die bereits heute geltenden, lückenlosen und strengen Bestimmungen im Umweltschutzgesetz und in der Freisetzungsverordnung orientieren. „Es ist absurd und widerspricht rechtstaatlichen Grundsätzen, von ‚Zwängerei’ zu sprechen, wenn ein Rechtssubjekt nichts anderes macht, als sich verfassungs- und gesetzeskonform zu verhalten“, betont Kohler.

Wenig Chancen für Beschwerde

Letztes Rechtsmittel für die Versuchsgegner wäre eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor Bundesgericht, die innert 30 Tagen seit Eröffnung des Entscheids eingereicht werden muss. Einspruchsberechtigt wären vor allem der ETH-Versuchsanstalt Lindau-Eschikon benachbarte Landwirte. Kohler sieht für eine solche Beschwerde aber kaum Chancen: „Das Bundesgericht kann keine Ermessensfragen, sondern nur noch Rechtsverletzungen prüfen. Eine solche liegt beim Entscheid des UVEK meines Erachtens nicht einmal ansatzweise vor.“ Bruno Heinzer von der Gentech-Kampagne bei Greenpeace Schweiz sieht dies ähnlich. Die Umweltorganisation hatte angekündigt, „alle Mittel“ auszuschöpfen, um die Freisetzung zu verhindern. Die Beschwerdemöglichkeit vor Bundesgericht, so Heinzer gegenüber ETH Life, werde derzeit geprüft. "Da wir aber nicht als direkt Betroffene auftreten können, scheint es uns schwierig, auf diesem Weg etwas zu erreichen; unser juristischer Handlungsspielraum ist sehr begrenzt."


Fussnoten:
(1) Dabei handelt es sich das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET), das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), zwei Eidgenössische Fachstellen, nämlich die Eidgenössische Fachkommission für Biologische Sicherheit (EFBS) und die Eidgenössische Ethikkommission für die ausserhumane Gentechnik (EKAH) sowie auch eine kantonale Fachstelle für biologische Sicherheit, hier das Zürcher Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL).
(2) Den Wortlaut des Verfassungsartikel finden Sie hier: http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a120.html



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