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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.12.2005 06:00

Abschlusssymposium zum "Jahr der Technik"
Die Lähmung überwinden

Mit einem Innovationssymposium wurde am letzten Mittwoch das "Jahr der Technik" beendet. Neben konkreten Vorschlägen, wie die Schweizer Wirtschaft wieder mehr Schwung erhalten könnte, waren auch kritische Stimmen zu hören.

Felix Würsten

Die jüngsten statistischen Daten belegen es einmal mehr: Die Schweizer Wirtschaft lahmt und gerät gegenüber der ausländischen Konkurrenz zunehmend ins Hintertreffen. Den hiesigen Unternehmen, so die oft gehörte Klage, fehle es an neuen Produkten und Dienstleistungen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können; die Schweiz müsse deshalb dringend ihre Innovationskraft stärken. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass die Veranstalter des "Jahres der Technik" (1) am Mittwoch an der Abschlussveranstaltung im Technopark Zürich das Thema "Innovation" ins Zentrum rückten.

Innovation als Abwehrzauber?

Benedikt Loderer, Mitbegründer der Zeitschrift Hochparterre, heute Redaktor und Stadtwanderer, übernahm gleich zu Beginn der Tagung die Rolle des Hofnarren. Das Wort "Innovation" werde heute zwar von allen im Munde geführt, doch der Begriff habe seinen Zenit schon vor zehn Jahren überschritten, hielt er den Zuhörern vor. Hinter dem Schlagwort "Innovation" verberge sich ein nicht eingehaltenes Versprechen, nämlich dass Innovation uns vor dem Niedergang schützen könne. Damit verbunden sei die Hoffnung, dass Innovation zu Wirtschaftswachstum und dies wiederum zu mehr Arbeitsplätzen führen werde. Historisch gesehen sei Vollbeschäftigung in der Schweiz jedoch ein Ausnahmezustand. "Was wir wollen, ist der Arbeitsmarkt von gestern, damit wir auf der gesellschaftlich-politischen Ebene nichts zu ändern brauchen", meinte Loderer. Soziale Erneuerung jedenfalls sei mit dem Wort Innovation nie gemeint, der Begriff mithin also ein plumpes Ablenkungsmanöver. Loderer empfahl dem Plenum, das Wort "Innovation" durch "Erfindung" zu ersetzen.

Ohne Vernunft geht die Basis verloren

Auch Jürgen Mittelstrass, Direktor des "Zentrum Philosophie und Wissenschaftstheorie" an der Universität Konstanz, setzte sich kritisch mit dem Begriff Innovation auseinander. Die heutige Gesellschaft bezeichnete Mittelstrass als Leonardowelt. Der moderne Mensch sei Techniker, Forscher und Künstler zugleich, ähnlich wie das grosse Vorbild Leonardo da Vinci. Die Leonardowelt sei zwar auf Forschung und Entwicklung angewiesen; dennoch drohe das Schlagwort "Innovation" ins begriffliche Nirgendwo zu führen. "Wenn das Neue nur besser ist, weil es neu ist, dann hat es das Alte schon in sich." Mittelstrass wies darauf hin, dass das Technische immer mehr das Nicht-Technische beherrscht. Das löse auch Ängste aus. Eine technisch orientierte Kultur brauche deshalb Orientierungswissen, sie benötige vernünftige Zwecke und Ziele. Mittelstrass plädierte für eine rationale Auseinandersetzung, die sich an den Werten der Aufklärung orientiert. "Wenn die Vernunft fehlt, verliert die Leonardowelt ihre Grundlagen."

Ethik als Führungsprinzip

Auch wenn der Forderung Loderers, schwammige Schlagworte durch verständliche Begriffe zu ersetzen, grundsätzlich zuzustimmen ist, so zeigten die vorgestellten Beispiele aus der Praxis doch, dass Erfindung und Innovation nicht einfach synonym verwendet werden können. Die Erfindung an sich ist zwar wichtig, reicht alleine aber noch nicht aus, um zu bestehen. Hugo Tschirky, Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der ETH Zürich, zeigte an mehreren Beispiele auf, wie es Unternehmen mit kreativen Ansätzen gelingt, neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. So hat beispielsweise ein Schweizer Werkzeughersteller bei seinen Kunden minutiös untersucht, wie die Geräte in der Praxis eingesetzt werden, um so Verbesserungsmöglichkeiten zu entdecken.


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Im Gegensatz zu Europa boomt in China die Wirtschaft. Gerade die Grossregion Shanghai erlebt zur Zeit einen dramatischen Wandel. gross

Entscheidend für den Erfolg ist auch eine angemessene Unternehmenskultur. Dieter Frey, Professor für Sozialpsychologie an der Maximilians-Universität München, plädierte für eine Ethik-orientierte Führung. Innovation könne nur in einem Umfeld entstehen, in dem sich die Mitarbeitenden wohl fühlen. Seine Studien hätten allerdings gezeigt, dass in Deutschland – und wohl auch in der Schweiz – ein Grossteil der Manager keine Ahnung habe, wie Mitarbeiter geführt werden sollten. Häufig werde übersehen, dass Menschen dann am besten arbeiten, wenn sie ihre Sehnsüchte am Arbeitsplatz verwirklichen können.

Sorgenvoller Blick nach China

Für ein Unternehmen ist es aber nicht nur wichtig, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen, sondern auch, diese rechtlich abzusichern. Patente anzumelden mache allerdings nur Sinn, wenn man auch in der Lage sei, diese durchzusetzen, erklärte Oliver Gassmann, Direktor des Instituts für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Blick nach China. Den hiesigen Unternehmen bereitet es Kopfzerbrechen, dass in China das Kopieren von Produkten und Erfindungen nicht als anrüchig gilt. Das Copyright würde oft als "Right to copy" interpretiert, meinte Gassmann. Allerdings sei festzustellen, dass sich die chinesische Rechtssprechung zumindest in diesem Bereich der westlichen annähere.

In verschiedenen Referaten wurde deutlich spürbar, dass die enorme Dynamik der chinesischen (und auch indischen) Wirtschaft auf die europäischen Unternehmen eher beängstigend wirkt. Tatsächlich steigt die Zahl der ausgebildeten chinesischen Ingenieure rasant an, und es ist absehbar, dass China künftig nicht nur als billiger Produktionsstandort von sich reden machen wird. Die Vorgänge in Ostasien würden darauf hindeuten, dass der Welt ein zweites industrielles Zeitalter bevorstehe, meinte etwa Franz Betschon, VR-Präsident der Micronas Semiconductor Holding. Es sei deshalb sehr bedauerlich, dass die Schweiz in den neunziger Jahren leichtfertig strategische Erfolgspositionen in der Maschinenindustrie aufgegeben habe. Eine einmal vollzogene Desindustrialisierung könne kaum wieder rückgängig gemacht werden.

Den Dialog fördern

Doch wie soll die Schweiz konkret ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder stärken? Die Wissensproduktion, so meinte etwa René Dändliker, Präsident der SATW, sei zwar auf einem hohen Stand, doch bei der Umsetzung harze es. Auch Eric Fumeaux, Präsident der Förderagentur für Innovation (KTI), sprach sich für eine stärkere Partnerschaft zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus. Die Schweiz müsse sich von einer Versicherungsgesellschaft, die nur bewahren wolle, zu einer Pioniergesellschaft wandeln, die Neues anstrebe.


Fussnoten:
(1) Homepage des Jahrs der Technik: www.jahr-der-technik.ch Auf dieser Site finden sich auf Unterlagen zu den Referaten der Tagung.



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