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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.12.2000 06:00

Uni-Professor Adriano Aguzzi zum Rinderwahnsinn (Teil II)
Patent für künftigen Test

Die Entstehung des Rinderwahnsinns ist noch nicht geklärt. Trotzdem scheint sicher, dass der Erreger ein Prion-Eiweiss ist, und dass auch der Mensch daran erkrankt. Im zweiten Teil des Gesprächs mit ETH Life erklärt der bekannte Prionenforscher Adriano Aguzzi, warum seine neusten Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wichtig sind für die Entwicklung von besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten sowie zur Reinigung von Blutprodukten.

Von Jakob Lindenmeyer

Herr Aguzzi, wie ist der Rinderwahnsinn überhaupt entstanden? Durch Fütterung Scrapie-infizierter Schafhirne im Tiermehl oder durch Spontanmutation bei einem Rind?

Das ist momentan zwar eine eher akademische Diskussion, wird uns aber in Zukunft stark beschäftigen. Im Moment halten sich die beiden Varianten, Verfütterung von Schafhirnen gegenüber Spontanmutation beim Rind, die Waage. Die Beweise für die eine oder die andere Entstehungsmöglichkeit sind enorm schwierig.

Momentan ist es aber wichtiger, wie wir den Rinderwahnsinn wieder loswerden, als wie er entstanden ist. Aber wenn wir den Rinderwahnsinn mal zum Verschwinden gebracht haben, dann müssen wir uns ernsthaft fragen, wie das ganze entstanden ist. Vielleicht lässt sich die Frage nach den Ursachen des Rinderwahnsinns auch gar nie eindeutig beantworten.

Was halten Sie von der Hypothese von Rohwer und Kimberlin, es handle sich beim Rinderwahnsinn-Erreger um eine Art Virus mit einer Prionenhülle?

Die Beweislast liegt bei Rohwer und Kimberlin. Alle experimentellen Befunde sprechen dafür, dass die Prionenhypothese von Nobelpreisträger Stanley Prusiner korrekt ist. Es steht jedem frei, diese Hypothese in Frage zu stellen. Aber Rohwer und Kimberlin behaupten jetzt schon seit 30 Jahren, dass es sich beim Rinderwahnsinn um einen Virus handelt. Ich finde, dass sie jetzt diesen Virus endlich mal vorzeigen sollten.

Wird die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch den Verzehr von BSE-infiziertem Rindfleisch verursacht?

Bis jetzt existieren zwar nur Indizien und noch keine Beweise, aber die Indizien sind erdrückend, dass die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen dem Rinderwahnsinn entspricht.

Warum gibt es noch keine Beweise?

Beim Rinderwahnsinn haben Sie es mit einem Protein zu tun. Die wissenschaftlichen Methoden zur Charakterisierung der räumlichen Struktur von Proteinen sind bei weitem nicht so gut wie bei DNA. Dort machen sie schnell eine Polymerase-Kettenreaktion und wissen, was sie haben. Bei der räumlichen Struktur hingegen müssen sie jahrelang dran arbeiten. Beim bösartigen Prionprotein ist die räumliche Struktur noch überhaupt nicht bekannt, im Gegensatz zum Gutartigen, wo die Gruppe von Professor Wüthrich die Struktur berechnete (siehe Bild) .

Wie gut eignet sich Ihr im neusten Nature publizierter Testansatz für den Nachweis von Rinderwahnsinn in der Praxis?

Das ganze war primär eine grundlagenwissenschaftliche Arbeit, um im Blut Proteine zu finden, welche das pathologische Prionproteine binden, nicht aber normale Prionproteine.


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Aguzzi
Aguzzi: "Die Indizien sind erdrückend, dass die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen dem Rinderwahnsinn entspricht." gross


Zur Person

Der 40jährige italienische Neuropathologe Adriano Aguzzi ist Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsspital Zürich und des Schweizerischen Referenzzentrums für Prionenkrankheiten. Er ist Mitglied des BSE-Beratungsausschusses der britischen Regierung und der EU-Kommission. Aguzzi gilt als einer der weltweit führenden Experten für die menschliche Variante von Rinderwahnsinn. In der neusten Ausgabe von "Nature" publizierte er einen Ansatz, um bösartige Prionen im Blut nachzuweisen und Blutprodukte zu reinigen.



Die Basis für einen Bluttest?

Basierend auf dieser Entdeckung lässt sich hoffentlich ein Test entwickeln. Die Aufgabe meines Labors besteht aber nicht darin, einen solchen Test selbst zu entwickeln. Wir sind ein Universitätslabor und forschen auf einem Gebiet, auf dem die Industrie nicht aktiv ist, weil damit nichts zu verdienen ist.

Mit einem Patent auf einen Bluttest ist aber sehr wohl etwas zu verdienen...

...meine Politik ist, dass wenn wir etwas kommerziell Anwendbares herausfinden, wie das bei diesem Test der Fall war, dann melden wir ein Patent an. Eigentümerin des Patents ist die Universität beziehungsweise der Kanton Zürich. Dann suchen wir eine geeignete Firma, welche die Lizenzrechte übernimmt und den Test oder ein Produkt entwickelt. Die Lizenzgebühren finanzieren im optimalen Fall weitere grundlagenwissenschaftliche Forschung in meinem Labor.

Was konkret soll der Test bringen?

Unser Patent umfasst einerseits die Entwicklung eines empfindlichen Tests für Prionen im Blut. Andererseits deckt es auch die Entwicklung eines Verfahrens ab, in dem mit Hilfe des Plasminogens Prionen aus dem Blut entfernt werden können, beispielsweise um Blutkonserven zu reinigen.

Ist dank dem Test eine Lebend-Diagnose im Blut möglich, ohne dass Hirngewebe entnommen werden muss?

Die eigentliche Frage ist: wo liegt der Nachweisgrenzwert? Daran wird sich der Test messen. Je empfindlicher der Test, desto wahrscheinlicher wird man Rinderwahnsinn früher und somit auch zu Lebzeiten feststellen können. Der ideale Test wird positiv sofort nach der Infektion. So ein Test gibt es eigentlich noch für keine Krankheit. Selbst der HIV-Test wird nicht am Infektionstag positiv.

Bei den Prionen ist zusätzlich problematisch, dass die heute verwendeten Tests eher unempfindlich sind und die Nachweisgrenze sehr hoch liegt. Pro Gramm Gewebe braucht es 10 hoch 10 infektiöse Einheiten, um einen positiven Nachweis zu bekommen. Darum wird auch oft kritisiert, der Test von Rindfleisch bringe nichts für den Konsumentenschutz. Bei 10 hoch 9 infektiösen Einheiten, ist infiziertes Fleisch immer noch sehr gefährlich, aber der Test detektiert es nicht.

Den ersten Teil des Interviews mit Professor Aguzzi über die Sicherheit von Rindfleisch sowie die epidemische Situation der Schweiz finden Sie im neusten Freitags-Interview "Die Gefahr lauert im Menschen".


Literaturhinweise:
Deutsche Kurzfassung des neuen Testansatzes in der Wissenschaftszeitschrift "Nature": www.unizh.ch/forschung/aktuell/2000/aguzzi/prionen.html
Aguzzis Institut fuer Neuropathologie: www.unizh.ch/pathol/neuropathologie
Homepage von Professor Adriano Aguzzi: www.neuroscience.unizh.ch/e/groups/aguzzi00.htm
Aktionsgruppe zur Bekaempfung des Rinderwahnsinns in der Schweiz: www.rinderwahnsinn.ch
Informationen zur menschlichen Variante des Rinderwahnsinns: www.cjd.ed.ac.uk
ETH Life-Artikel: Wie die ETH-Mensen mit dem Rinderwahnsinn umgehen: http://ethlife.ethz.ch/tages/show/BSE.html



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