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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 16.06.2005 06:00

ETH-Forscher entwickelten neues bildbasiertes Informationssystem
Dem Knochen auf der Spur

Am Institut für Biomedizinische Technik von ETH und Uni Zürich wurde ein neues bildbasiertes Informationssystem entwickelt, welches es erlaubt, mit Hilfe der Mikrocomputertomographie neue Einsichten in die Knochenarchitektur zu gewinnen. Dabei tasten Röntgenstrahlen die Knochenmikrostruktur ab und das Ergebnis kann dreidimensional dargestellt und quantitativ ausgewertet werden.

Von Regina Schwendener

Mikrocomputertomographie sieht Strukturen, die bis zu hundertmal feiner sind, als ein Haar. Das bedeutet einen Durchbruch in der Diagnosetechnologie und eröffnet damit auch neue Möglichkeiten zur Früherkennung von sich anbahnenden Erkrankungen des Bewegungsapparates wie zum Beispiel der Osteoporose bis hin zum Therapieverlauf von neuen Behandlungsmethoden.

Im Verborgenen angebahnt

Ein einfacher Sturz oder eine kleine, falsche Bewegung und ein Knochen bricht. Was hier so plötzlich geschieht, kann sich schon vor Jahren im Verborgenen angebahnt haben: die Osteoporose oder wie man gemeinhin sagt, der Knochenschwund. Die Mikrostrukturen, die den Knochen an sich hart und fest machen, sind im Laufe der Jahre porös und brüchig geworden. "Brüchig, wenn zum Beispiel durch mangelnde Bewegung keine neue Knochenmasse mehr aufgebaut wird und somit die Knochendichte zusammen mit der Muskelmasse schlicht zu gering geworden ist", erklärt Professor Ralph Müller vom Institut für Biomedizinische Technik der ETH und Uni Zürich (IBT) (1). Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems - Osteoporose , Osteoarthrose und Rheumatische Arthritis - gehören zu den häufigsten Krankheiten in den Industrienationen. Fachleute schätzen, dass in Europa etwa 30 Prozent der über 50-jährigen an Osteoporose erkranken, 15 Prozent an Osteoarthritis und ein Prozent an Rheuma. Bis heute gibt es für diese Krankheiten keine ausreichend erfolgreichen Behandlungsmethoden oder Therapien. Es ist auch noch nicht so lange her, dass die Forscher erkannt haben, dass für die Stabilität des Knochens nicht nur die Dichte oder Zusammensetzung entscheidend ist, sondern vielmehr auch seine Bauweise.

Professor Ralph Müller erforscht mit seiner Fachgruppe die Hintergründe, die zum Ab- oder Aufbau eines Knochens, welche Ursachen zu deren Bruch führen. gross

Entscheidende Grundlagen entwickelt

Hier setzten Projekte des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms an, an dem sich auch die Fachgruppe Bioelektrik am IBT unter der Leitung von Ralph Müller beteiligt. In den zwei Forschungsprojekten – "Genostem" und "Expertissues" - beschäftigen sich fast 50 Forschungsgruppen verschiedener Länder ausschliesslich mit dem muskuloskelettalen System. Unter anderem liefern die ETH-Forscher mit dem Einsatz biomedizinischer Informationstechnologie wie der quantitativen Mikrocomputertomographie, und komplexen Simulationsverfahren entscheidende Grundlagen, um die Prozesse im Bewegungsapparat besser zu verstehen. Sie gehen Fragen nach, was gesundes und was krankes Gewebe ausmacht und versuchen zu ergründen, wie Therapie-Erfolge bemessen und quantifiziert werden können. "Denn", so Müller, "die Struktur eines Knochens ist ein wichtiger Parameter, um die Osteoporose zu verstehen, die übrigens nicht nur mit dem Alter zu tun hat."

Eine der Schlüsselfragen für seine Forschungsgruppe ist daher, herauszufinden, wie ein Knochen bricht, wenn die Belastung auf ihn wächst. Und er fragt zum Beispiel, wo es Gemeinsamkeiten bei den Brüchen gibt, wo Unterschiede. Dabei erlauben die an der ETH Zürich entwickelten Software-Systeme einen einfachen und effizienten Umgang mit grossen Bilddatenmengen, die dann gleichzeitig auch an verschiedenen Orten in Europa betrachtet und diskutiert werden können. Mit dem neu entwickelten Patientensystem zur quantitativen Mikrocomputertomographie verfüge man heute über ein Gerät, das eine mehr als 1000-mal bessere volumetrische Auflösung (besser als ein Zehntelmillimeter) hat als konventionelle Computertomographen, wie sie in jedem grösseren Spital verwendet werden.


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Mit dem an der ETH entwickelten Mikro-Tomographen versuchen die Forschenden den Knochen ihre Geheimnisse zu entlocken. gross

Der Knochen lebt

Mit dem Mikro-Tomographen können periphere Körperteile – Handgelenk, Handknochen, Unterarm, Unterschenkel und Fussgelenk – nicht-invasiv und mit höchster Auflösung untersucht werden. Nicht-invasiv heisst, der Patient spürt während der Untersuchung nichts Aussergewöhnliches. Die effektive Dosis an Röntgenstrahlung ist laut Professor Müller mit einem konventionellen Röntgenbild des Vorderarms vergleichbar.

Ralph Müller erklärt: "Bei der Osteoporose verändert sich das Bild der Knochenstruktur. Dank der dreidimensionalen Bildgebung können jetzt Knochenvolumen, -oberfläche und -struktur oder Konnektivität analysiert werden. Messungen können dreidimensional betrachtet und analysiert werden, und Strukturfehler können sichtbar gemacht werden. Diese Parameter geben dann Aufschluss über Zustand oder Veränderungen des Bewegungsapparates und auch über den Heilungsverlauf beziehungsweise Therapie-Erfolg bei der Suche nach biologischen Ersatzmaterialien."

Dreidimensionale Visualisierung eines Vorderarms einer 78-jähriger Person mit hoher Knochendichte und einer 72-jährigem Person mit niedriger Dichte. Die Unterschiede in der Knochenarchitektur sind augenscheinlich. Die Bilder wurde mit einem hochauflösenden Patiententomographen mit rund 90 Mikrometer Auflösung gemessen. gross

Lösungsansätze vorhanden

Lösungsansätze, um den degenerierten Bewegungsapparat wieder in Form zu bringen, sind bereits vorhanden, so der Professor für Bioengineering. Er führt die biologische Heilung durch die Zell- und Gentherapie, bei der adulte patienteneigene Stammzellen verwendet werden an, und verweist auf die Herstellung von Knochen- und Knorpelersatz - dank Nanotechnologie und neuen Biomaterialien. Der Knochen kann Knochensubstanz auf oder abbauen - ein Prozess, der normalerweise im Gleichgewicht ist. Während also mit der körpereigenen Zelltherapie das Knochenpotential der Patienten genetisch wieder aufgebaut wird, kann dies bei einer physischen Therapie auch durch reine mechanische Belastung passieren.

Ralph Müller: "Blutgefässe und Zellen leben und bewegen sich im Knochen, sind miteinander verbunden und kommunizieren bei Belastung. Folglich wird bei zu wenig Belastung Knochenstruktur abgebaut, bei zunehmender aufgebaut." Das bedeute, dass mechanische Kräfte den Knochenaufbau stimulieren und somit zur Zeit geeignete "mechanische“ Therapien als alternative Strategie zur Knochenheilung untersucht werden. Dabei interessiert die Forschungsgruppe vor allem die molekularen Vorgänge bei mechanischer Belastung. Eine Identifikation von mechanosensitiven Molekülen würde es in der Zukunft vielleicht erlauben, Medikamente zu entwickeln, die eine mechanische Belastung ohne eigentliche Bewegung simulieren. Trotz dieser interessanten Ansätzen – für eine nachhaltige Therapie braucht es noch viel Knochenarbeit.


Fussnoten:
(1) Institut für Biomedizinische Technik: www.biomed.ee.ethz.ch/



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