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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.01.2004 06:00

Neuer Forschungsschwerpunkt 'Nachhaltige Landnutzung' im ETH-Umweltbereich
Mit vereinten Kräften

Weltweit gehen durch menschliche Aktivitäten kontinuierlich grosse Flächen an fruchtbarem Boden verloren. Die ETH Zürich will sich diesem komplexen Problem in den nächsten Jahren verstärkt annehmen. Dabei soll ein integraler Ansatz gewählt werden, der Fachkräfte aus verschiedenen Departementen zusammenführt.

Von Felix Würsten

Die fortschreitende Degradation des Kulturlandes gehört zu den schwerwiegendsten Problemen unserer Zeit. Bis heute wurde weltweit ein Drittel der gesamten Landfläche durch menschliche Eingriffe umgewandelt - mit teilweise gravierenden Folgen. So werfen landwirtschaftlich genutzte Böden weniger Ertrag ab, wenn sie falsch bewirtschaftet werden, und durch die oftmals planlose Zersiedelung geht laufend fruchtbares Land verloren. Die Wissenschaft begegnet dieser facettenreichen Problematik bisher meistens mit einer sektoriellen Betrachtungsweise. Das soll sich, zumindest an der ETH Zürich, in den nächsten Jahren nun ändern. Vertreter aus sieben verschiedenen Departementen möchten die Grenzen der disziplinären Forschung überwinden und eine "Interdepartmental Priority Area" zum Thema nachhaltige Bodennutzung etablieren.

Ländliche Modellregionen

"Wir möchten vertieft untersuchen, welche Konsequenzen die heutige Landnutzung für die Weltbevölkerung hat und mit welchen ökologischen, technischen, wirtschaftlichen und politischen Massnahmen ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Boden erreicht werden kann", erklärt Rainer Schulin vom Institut für Terrestrische Ökologie. Dabei sehen sich die Forschenden mit einem grundsätzlichen Problem konfrontiert. "Wir haben es mit komplexen Systemen zu tun, in denen sich einzelne Prozesse über lange Zeiträume hinweg abspielen. Aus Kosten und Zeitgründen können wir also keine Experimente machen", meint Schulin. "Die anstehenden Fragen wollen wir deshalb mit Modellen untersuchen."

Diese Modelle sollen in zwei ausgewählten Regionen konkret angewendet werden. Wo die Fallstudien durchgeführt werden, ist noch offen. "Ein Gebiet wird sicher in der Schweiz liegen, vermutlich irgendwo im Alpenraum", erläutert Hans Rudolf Heinimann, Professor für Forstliches Ingenieurwesen. "Ergänzend dazu möchten wir ein zweites Fallbeispiel in einem Entwicklungsland bearbeiten, in dem die ETH bereits aktiv ist."

Positionierung im Forschungsumfeld

Wie sich die ETH mit ihrem Vorhaben im nationalen und internationalen Umfeld positionieren könnte, haben die Initianten im letzten November an einen Workshop in Horgen diskutiert. "Die Siedlungsentwicklung im ländlichen Raum ist zum Beispiel ein Faktor, der sich massiv auf die Bodennutzung auswirkt", meint Heinimann. "Für städtische Räume gibt es bereits gute Modelle, mit denen man solche Prozesse simulieren kann. Für den ländlichen Raum fehlen diese aber noch. Hier könnte also ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegen."


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Die braun-kahlen Hügel in der zentraliranischen Region Isfahan waren noch vor 30, 40 Jahren von Kastanienwäldern überwachsen. Die Bauern haben die Bäume abgeholzt, um Landwirtschaftsland zu gewinnen und Holzkohle herzustellen. In der Folge wurde der fruchtbare Boden erodiert, und es bildeten sich offene Erosionsrinnen. Hangrutschungen sind heute in der Gegend alltäglich. (Bild Majid Afyuni) gross

Die beiden Forscher möchten aber nicht nur untersuchen, wie ein ländliches System funktioniert, sondern auch, in welche Richtung sich ein solcher Raum denn überhaupt entwickeln muss, damit von einer nachhaltigen Bodennutzung gesprochen werden kann. "Grundsätzlich sind sich alle einig, dass sie nachhaltige Entwicklung wollen", erklärt Heinimann. "Die Frage ist aber: wie operationalisiert man das? Da kommen sofort grundsätzliche Diskussionen auf. Bei der Nachhaltigkeit geht es ja nicht nur um ökologische, sondern auch um wirtschaftliche und soziale Aspekte."

Einbindung der Sozialwissenschaften

"Wir müssen deshalb die Sozialwissenschaften auf jeden Fall einbinden", sind sich die beiden einig. Auch mit anderen Disziplinen wird die Zusammenarbeit gesucht, etwa mit den Computational Sciences, um Landnutzungssysteme zu modellieren. Das Zusammenführen der verschiedenen Kräfte dürfte nicht immer ganz einfach sein. "Wir haben ein strukturelles Problem", räumt Schulin ein. "Wer Fächer übergreifend arbeitet, hat es im akademischen Betrieb oft schwer. Solche Leute drohen mit ihrer Vielseitigkeit zwischen Stuhl und Bank zu fallen." Die Forscher wollen daher auf die Erfahrungen zurückgreifen, die man mit dem Projekt "Primalp" (1) gemacht hat. "Für eine gute Zusammenarbeit ist es wichtig, dass die Probleme am Anfang gemeinsam formuliert werden und nicht einfach ein Bündel von Fragen aus den verschiedenen Disziplinen zusammengetragen wird", meint Heinimann.

Geht es nach dem Willen der Initianten, so wird die neue "Interdepartmental Priority Area" im Jubiläumsjahr 2005 lanciert. "Bis es soweit ist, müssen wir die zentralen Fragen identifizieren und konkrete Projekte formulieren", erklärt Heinimann. Falls sich der Ansatz als fruchtbar erweist, soll das Thema der nachhaltigen Landnutzung während den nächsten 10 bis 15 Jahren zu einem grossen Forschungsschwerpunkt der ETH Zürich werden.


Fussnoten:
(1) Die Abkürzung "Primalp" steht für "Sustainable Primary Production in the Alpine Region". Informationen zum Projekt finden sich unter www.primalp.ethz.ch/



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