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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.04.2002 06:00

Tagung Gender Studies
"Mann in der Krise"

In Zeiten sich wandelnder Geschlechterrollen überrascht es wenig, dass das sich verschiedene Disziplinen mit der männlichen Identität auseinandersetzen. Das Kompetenzzentrum für Gender Studies von Uni und ETH Zürich führt noch bis heute Abend im Zürcher Volkshaus eine Tagung zur "Krisenfigur Mann" durch.

Von Nana Pernod

"Die Aktualität und Vielschichtigkeit des Themas ‚Der Mann in der Krise' gab den entscheidenden Impuls für diese Tagung", so Barbara Naumann, Literaturprofessorin an der Universität Zürich und Initiantin der Tagung (1). Erst in zweiter Linie, so Naumann, war dann das Feld der Gender Studies und damit das Kompetenzzentrum der beiden Hochschulen angesprochen, da es sich beim Thema "Mann in der Krise" explizit um eine interdisziplinäre Fragstellung handle. Mit dieser Tagung werde dem Zürcher Kompetenzzentrum "Gender Studies" eine Chance für den Anschluss an vergleichbare Stellen innerhalb wie ausserhalb der Schweiz gegeben .

Die Referenten/-innen kommen aus den verschiedensten Fachbereichen. Es geht einerseits um die Frage nach der Wahrnehmung des Mannes in der heutigen Gesellschaft, andererseits um die Diskussion von bis anhin als ausschliesslich "männlich" konnotierten Themen wie Terrorismus.

Die ETH war bei der 'Geburtsstunde' des Kompetenzzentrums für Gender Studies der beiden Hochschulen mit dabei. Katharina von Salis, emeritierte Professorin der ETH Zürich, war Gründungsmitglied. Heute sitzen drei Vertreterinnen der ETH im Komitee: Gudela Grote, Professorin am Institut für Arbeitspsychologie, Priska Gisler vom Collegium Helveticum und Brigitte Manz von der Gleichstellungsstelle.

Ein differenzierter Blick auf den Umgang mit Themen, die um den "Mann in der Krise", kreisen, ist für eine Hochschule wie die ETH, wo der Männeranteil dominiert, sicher aktuell: eine Einladung zur Tagung. Finanziert wurde sie vom Kompetenzzentrum der Universität und ETH Zürich, von der schweizerischen Akademie für Geistes- und Naturwissenschaften sowie vom Deutschen Seminar der Universität Zürich.

"Das Leben als Ehrenmann war nicht einfach."

Die Tagung eröffnete Ute Frevert, Historikerin an der Universität Bielefeld. In ihrem Referat zur "Krise in der Krise: Befragungen des Duells" fragte sie nach männlichen Selbstbildern und Verhaltensweisen. Diese diskutierte sie am historischen Beispiel des klassischen Duells. "Das Leben als Ehrenmann war nicht einfach", so Frevert, wenn man sich die komplexen Umstände, in denen sich ein Duellierender im 19. Jahrhundert befand, vor Augen führe.


(nst) Die deutsche Sprache hat längst kapituliert angesichts dieser Differenzierung, aus welcher sich in den letzten Jahrzehnten besonders im angelsächsischen Raum eine ganz neue wissenschaftliche Disziplin etabliert hat. Denn der Begriff "Geschlecht" eignet sich nurmehr als - meist verwirrender - Behelf, um den durch den Feminismus in Gang gebrachten äusserst vielfältigen Diskurs rund um die Identitätspole "Frau" und "Mann" und deren Problematik zu bestreiten.

Das Englische unterscheidet zwischen dem biologischen ("Sex") und dem gesellschaftlich definierten Geschlechtsbegriff ("Gender"). Letzterer unterliegt einer Vielzahl von sich laufend verändernden Einflüssen, Deutungen und Zielvorstellungen, hat also hochgradigen Konstruktcharakter.

"Gender Studies" haben sich mittlerweile auch an deutschsprachigen Hochschulen als Disziplin etabliert, in welcher dieses Spannungsfeld zwischen physiologischem und von aussen zugeschriebenem Geschlecht je auf dem Hintergrund von biologischer, soziologischer, psychologischer, kultureller oder politischer Interessenlage studiert und analysiert wird.




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Naumann
Initierte eine Tagung zur "Krise des Mannes": Barbara Naumann, Literaturprofessorin an der Universität Zürich. gross

So gehe aus den Quellen hervor, dass auch die Duellierhelden des 19. Jahrhunderts am Vorabend des Zeitpunkts x sich gerne ins stille Kämmerlein zurückzogen. - Also ein Beleg dafür, dass die Helden von damals weniger 'starke' Männer, als vielmehr vielschichtige und verletzliche Persönlichkeiten waren, die wir eigentlich mehr mit dem 'heutigen Mann' als mit dem Helden von damals assozieren?

In der anschliessenden Diskussion wurde klar, dass sich der Begriff des Duells gewandelt hat und heute 'anders' verwendet wird, nämlich auch dann, wenn keine lebensbedrohliche Situation verortet werden kann. Dies sei etwa an politischen Diskussionen abzulesen. Das aktuelle Beispiel der französischen Wahlen, das 'Duell' zwischen Jospin und Chirac, wurde in diesem Zusammenhang in die Diskussionsrunde geworfen.

Mann und Frau, Germanist und Biologin

Barbara Naumann findet es wichtig, dass die Gender Studies an der Universität eine Plattform haben. "Es erscheint aber nicht sinnvoll, Gender Studies als Hauptfach-Studiengang einzurichten", so Barbara Naumann. Anzustreben wäre hingegen, dass man für ein derart interdisziplinäres Gebiet eine neuartige Organisationsstruktur findet.

Diese Tagung spiegle die Interdisziplinarität, indem sie anthropologische, soziologische und historische Perspektiven auf das Thema "Der Mann in der Krise" eröffne. Es gehe in der Veranstaltung nicht um das Bild des Mannes. Denn, so Naumann, "Bilder von etwas sind immer selbst gemacht, entworfen - also kann man nicht von einem Bild des Mannes sprechen."

Aufruf zum Diskurs

Sylvia Bärtschi, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Koordinationsstelle des Kompetenzzentrums erwiderte auf die Frage, ob die Veranstalter mit den gut 90 Besuchern am ersten Tag zufrieden sind: "Die Veranstaltung könnte sicher besser besucht sein. Erfreulich ist, dass der Männeranteil relativ gross ist. Vielleicht fehlen im Moment Vertreterinnen aus der Frauenforschung, die sich oft von den Gender Studies abgrenzen." Vielleicht war es punkto Publikumsinteresse ungünstig, die Tagung ausserhalb der Räumlichkeiten der Universität und der ETH, im Volkshaus, durchführen zu müssen - und auf die Wochentage Montag und Dienstag zu legen.

Die Tagung bietet viel Stoff für anregende Diskussionen. Aber: Weniger der Mann, als vielmehr der Umgang mit einem aktuellen Thema, das nur interdisziplinär sinnvoll behandelt werden kann, steht im Vordergrund. Darum: Eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den in- und ausländischen Hochschulen fördert vor allem auch jene wissenschaftliche Arbeit, die auf einen interdisziplinären Rahmen angewiesen ist.


Fussnoten:
(1) Kompetenzzentrum Gender Studies: www.genderstudies.unizh.ch/



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