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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 29.01.2003 06:00

Materials Day des ETH-Departements Materialwissenschaft
Von Stossstangen und Quasikristallen

Computermodelle spielen bei der Entwicklung von neuen Werkstoffen eine immer bedeutendere Rolle. Sie ermöglichen neue Einsichten in das Verhalten von Materialien und kürzere Entwicklungszeiten von Produkten. Um weitergehende Fortschritte zu erzielen, braucht es aber nicht nur schnellere Computer und bessere Programme, sondern auch neue theoretische Konzepte.

Von Felix Würsten

Ersetzt das Computermodell schon bald das bewährte Laborexperiment? Diese Frage wird zur Zeit auch in der Materialwissenschaft intensiv diskutiert. Die Antwort, man ahnt es, fällt salomonisch aus: Mit den heutigen Computermodellen kann man zwar das Verhalten von Materialien vom atomaren bis hin zum grossmassstäblichen Bereich nachbilden und Prozesse untersuchen, die zwischen Bruchteilen von Sekunden und mehreren Tagen dauern. Doch bei der Entwicklung von neuen Materialien wird man auf Laborexperimente dennoch kaum verzichten können. In der konkreten Forschungsarbeit scheinen die Modelle allerdings zunehmend die Oberhand zu gewinnen, wie sich letzten Freitag am jährlichen «Materials Day» des Departements Materialwissenschaft zeigte. (1)

Ungewöhnliche Eigenschaften

Die Referenten spannten in ihren Vorträgen einen weiten thematischen Bogen. Eine eher theoretisch orientierte Arbeit stellte Walter Steurer, Professor am Laboratorium für Kristallographie, vor. Um die physikalischen Eigenschaften von festen Materialien zu verstehen, muss man wissen, wie die Atome angeordnet sind. Eines der eindrücklichsten Beispiele für die Bedeutung der Kristallstruktur ist reiner Kohlenstoff. Je nach Modifikation liegt er als schwarzer, weicher und elektrisch leitender Graphit oder als durchsichtiger, harter und isolierender Diamant vor.

Kopfzerbrechen bereitet den Kristallographen nun eine spezielle Klasse von Materialien, die Quasikristalle. Diese weisen fünfzählige Symmetrieelemente auf und haben daher keine regelmässige Struktur wie normale Kristalle. Quasikristalle besitzen eine Reihe von ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften. Diese können jedoch nicht befriedigend erklärt werden, weil man eben nicht genau weiss, nach welchem Prinzip die Atome angeordnet sind. Eine Möglichkeit, das Ordnungsprinzip zu untersuchen, besteht nun darin, die Atome als Punkte in einem virtuellen vier- oder gar sechsdimensionalen Raum darzustellen, wie Steurer erklärte.


Zwei Forscher ausgezeichnet
Am Materials Day hat das Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich den beiden Professoren Kurt Binder von der Universität Mainz und Ulrich W. Suter von der ETH Zürich den Staudinger-Durrer-Preis verliehen, die höchste Auszeichnung des Departements. Binder erhielt den Preis für seine Beiträge auf dem Gebiet der Monte-Carlo- Simulationen und die Ausleuchtung verschiedener Polymersysteme. Suter wurde für seine Beiträge zur Entwicklung detaillierter Polymermodelle und für verschiedene Simulationstechniken geehrt.



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Walter Steurer bei seinem Vortrag über Quasikristalle. gross

Teuer erkaufte Gewichtsreduktion

Geradezu profan wirkte im Vergleich dazu der Vortrag von Arne Wahlen vom Leichtmetall-Kompetenzzentrum Ranshofen. Zusammen mit der ETH hat das österreichische Forschungszentrum für einen grossen Karosserie-Vorentwickler eine Stossstange aus Magnesium entwickelt. Die Konstruktion ist rund 20 Prozent leichter als die bisherige Stossstange aus Aluminium. Die erzielte Gewichtsreduktion muss allerdings teuer erkauft werden, ist die Herstellung der Magnesium-Stossstange doch relativ kostspielig.

Wahlen wies darauf hin, dass die Modellierung von Materialien für die Automobilindustrie immer wichtiger wird. An einem konkreten Beispiel zeigte er, dass die Fahrzeuge in den letzten Jahrzehnten in immer kürzeren Abständen durch ihre Nachfolgemodelle abgelöst wurden. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Die Automobile müssen also immer schneller entwickelt werden, und das lässt sich ohne leistungsfähige Computermodelle nicht bewerkstelligen.

Meso-skaliger Ansatz

Es ist anzunehmen, dass Simulationsprogramme auch bei anderen Forschungs- und Entwicklungsprojekten an Bedeutung gewinnen werden. Um bei der Gestaltung von neuen Materialien Fortschritte zu erzielen, braucht es jedoch nicht nur leistungsfähigere Computer und bessere Programme, sondern auch neue theoretische Konzepte, wie Ulrich W. Suter, Professor für Polymerchemie, am Beispiel der Nanocomposites darlegte.

Nanocomposites sind Werkstoffe, die aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind. Im Gegensatz zu anderen kombinierten Werkstoffen ist die Distanz zwischen den verschiedenen Partikeln bei den Nanocomposites jedoch sehr klein. Es handelt sich also um Materialien, die optisch homogen sind und ungewöhnliche Eigenschaften aufweisen. So gibt es beispielsweise Plastikfolien, in die kleine Zinkoxid-Partikel eingebettet sind. Solche Folien werden von UV-Licht nicht mehr so leicht zersetzt wie normale Kunststoffe.

Um das Verhalten eines solchen Werkstoffs zu berechnen, gibt es grundsätzlich zwei Ansätze. Der eine Ansatz versucht, auf Grund der Eigenschaften der einzelnen Partikel den Charakter des Werkstoffes abzuleiten; der andere Ansatz hingegen betrachtet den Werkstoff als Kontinuum, übersieht also die Inhomogenitäten im Material. Beide Verfahren, so Suter, sind im Fall der Nanocomposites nicht angemessen. Vielmehr braucht es einen neuen, mesoskaligen Ansatz, um das kleinräumige Zusammenwirken der Materialien zu verstehen.


Fussnoten:
(1) Homepage des Departements Materialwissenschaft: www.mat.ethz.ch



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