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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.03.2001 06:00

Die hoch ansteckende Maul- und Klauenseuche bewegt sich bereits seit 1991 auf Europa zu
Seuche im Anmarsch

Die Maul- und Klauenseuche wütet in ganz Grossbritannien. "Seit zehn Jahren bewegt sich der Virus-Typ O von Südasien auf Europa zu", erklärt der Veterinärmediziner und ETH-Professor Wolfgang Langhans und erläutert mit dem Zürcher Zoodirektor Alex Rübel die notwendigen Gegenmassnahmen zur Eindämmung der Seuche.

Von Jakob Lindenmeyer

Der momentan in Grossbritannien wütende Maul- und Klauenseuche-Virus vom Typ O stammt aus Asien. "Virus-Typ O bewegt sich seit 1991 aus Südasien auf uns zu und hat vor fünf Jahren erstmals Europa erreicht", stellt Wolfgang Langhans fest. Der 48jährige Veterinärmediziner ist Professor für Nutztierwissenschaften am gleichnamigen Institut der ETH Zürich.

Langhans
Professor Wolfgang Langhans: "Aus seltenen Einzelfällen sollte keine generelle Gefährdung für den Menschen abgeleitet werden."

Wolfgang Langhans kann sich noch gut an die Seuchen-Sperrschilder aus seiner Kinderzeit in den sechziger Jahren erinnern. Damals wütete die Seuche in ganz Europa, vernichtete allein in der Schweiz gegen 60'000 und in Grossbritannien fast eine halbe Million Tiere.


Notschlachtungen, Importverbote und Quarantäne

Heute werden in England wieder tausende von Tierkadavern verbrannt. Nach Rinderwahnsinn und Schweinepest wird ganz Grossbritannien nun auch noch von der Maul- und Klauenseuche (MKS) heimgesucht (siehe Kasten 3). Aus Angst vor Seuchenverbreitung durch Zuschauer werden Pferderennen, Länderspiele und bei anhaltender Seuche sogar die Wahlen abgesagt. Wanderwege und Nationalpärke werden gesperrt, zoologische Gärten geschlossen und die Jagd eingestellt. Landschulen schicken ihre Schüler heim oder lassen sie vor dem Unterricht ihre Schuhe desinfizieren. Trotz Aufrufen gegen Hamsterkäufe zeichnen sich aufgrund der landesweiten Transportverbote in den Läden eine Fleischverknappung und happige Preiserhöhungen ab.

Die EU und die Schweiz verhängten in der Folge eine Importsperre für britisches Fleisch und in Frankreich, Holland und Deutschland werden bereits zehntausende von Tieren notgeschlachtet. In Frankreich wurden verdächtige Bauernhöfe unter Quarantäne gesetzt, da Tests bei neun aus Grossbritannien importierten Schafherden positiv ausgefallen sind.



Schwarze Schafe

Ein englischer Bauernführer macht die Liberalisierung des Welthandels und die dadurch zunehmenden Fleisch- und Tiertransporte für die Seuche verantwortlich. Durch die Reduktion der britischen Schlachthöfe von 1'000 auf 400 in den letzten 15 Jahren haben sich auch die Transportwege im Landesinnern verlängert. "Dies begünstigt natürlich die Ausbreitung einer Seuche, ganz allgemein ist die Schuld aber nicht nur in der Industrialisierung der Landwirtschaft zu suchen, denn die MKS gab es auch oder gerade zu Zeiten, als wir das noch nicht hatten", entgegnet Wolfgang Langhans.

Zur raschen Verbreitung haben wahrscheinlich auch einige "schwarze Schafe" unter den Viehhändlern beigetragen. Zwecks Profitmaximierung karrten sie eingekauftes Vieh kreuz und quer durch ganz England, um an Auktionen noch höhere Preise zu erzielen. Die im Vergleich zur USA und Australien tieferen europäischen Hygienevorschriften waren wohl auch nicht eben förderlich, das widerstandskräftige und hoch infektiöse Virus einzudämmen. "Das Maul- und Klauenseuche-Virus weist eine hohe Widerstandskraft gegen Austrocknung, Kälte oder hohe Salzkonzentration auf", beschreibt Langhans den Überlebensstrategie des heimtückischen Erregers.


Übertragung durch asiatisches Wurstbrot?

Weil das in England wütende MKS-Virus vom Typ O aus Asien stammt, vermutet unter anderem der Tages-Anzeiger eine Übertragung durch ein Wurstbrot oder ein anderes importiertes Fleischprodukt. Offenbar wurden Speiseabfälle von Fluggesellschaften an Schweine verfüttert. In Asien hat man seinerseits reagiert auf die MKS-Fälle in England und droht Touristen, die mit einem Schinken- oder Wurstbrot aus Europa nach Thailand einreisen mit bis zu zwei Jahren Haft oder einer Geldbusse.



Gefährliche Sandwiches

Professor Langhans weist Englandreisende speziell auf die für eine Übertragung besonders gefährlichen Nahrungsmittel hin: "In Rohmilch und ungenügend erhitzten Milchprodukten, Gefrier- oder Pökelfleisch bleibt das Virus monatelang infektiös." Aus diesen Gründen warnt das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) auch davor, Sandwiches aus England mitzunehmen. Das nicht erhitzte Fleisch könnte die Seuche auch in die Schweiz einschleppen. Auch vom Besuch auf dem Bauernhof wird abgeraten, denn in Stallschmutz, Mist und Jauche bleibt das Virus bis zu zwei Wochen infektiös und könnte über Dreckspuren an den Schuhen in die Schweiz importiert werden.

In England schützen sich die Bauern mit desinfektionsmittelgetränkten Fussmatten vor der Haustüre und vor den Ställen. Der Virus-Erreger kann durch Säure oder Temperaturen über 50 Grad Celsius inaktiviert werden. Darum ruft das BVET die Bauern auch auf, die Speiseabfälle ausreichend zu erhitzen, bevor sie an die Schweine verfüttert werden.


Die Maul- und Klauenseuche (MKS)

MKS ist eine hoch ansteckende Viruskrankheit bei Klauentieren wie Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen und Hirschen, aber auch bei Meerschweinchen, Ratten, Igeln und Elefanten. Zum typischen Krankheitsbild gehören hohes Fieber sowie blasige Entzündungen an Maul und Füssen (siehe Bilder). Die Krankheit verläuft nicht immer tödlich, führt aber bei Kühen zu einem lang andauernden Leistungsabfall, Milchrückgang, Appetitlosigkeit und Apathie.

Die Ansteckung erfolgt meist über Tröpfcheninfektion. Infizierte Tiere scheiden schon vor Ausbruch der Krankheit Millionen von Viren über Speichel und Kot aus. Die Seuche verbreitet sich hauptsächlich über 4 Kanäle: Durch Viehtransporte, durch ungenügend erhitztes Fleisch, durch den Menschen über dessen Kleidungsstücke oder Dreck an den Schuhsohlen und schliesslich auch über die von infizierten Tieren ausgeatmeten Viren in der Luft, die durch den Wind kilometerweit übertragen werden.

Die Viehseuche MKS ist heute hauptsächlich in Entwicklungsländern verbreitet (siehe Weltkarte). In der Schweiz gilt die Krankheit seit 1980 als ausgerottet.




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MKS-generel
Von Maul- und Klauenseuche infiziertes Rind: "Die Tiere haben sicher starke Schmerzen."


Gefährdete Elefanten

Das Bundesamt für Veterinärwesen ruft Englandreisende auf, den Kontakt mit britischen Bauernbetrieben zu meiden, oder andernfalls mindestens eine Woche keinen Schweizer Bauernhof zu besuchen. Professor Langhans findet es auch sinnvoll, wenn Englandreisende, die dort auf einem Baurnhof waren, in nächster Zeit auf einen Zoobesuch verzichten, um die Elefanten und die Klauentiere nicht zu gefährden.

Der Zürcher Zoodirektor Alex Rübel freut sich hingegen weiterhin auf alle Zoobesucher. "Die Schutzmassnahmen gegen die Seuche betreffen vorerst nur Personen mit direktem Kontakt zu den Elefanten und den Huftieren", erklärt Rübel auf Anfrage und präzisiert: "Die Tierpfleger bei den Elefanten und Huftieren müssen als Sofortmassnahme die Schuhe wechseln, bevor sie sich den Tieren nähern." Bei einem Übergreifen der Seuche in die Schweiz würde als erste Massnahme beim Zooeingang ein Desinfektionsteppich für die Schuhe der Zoobesucher montiert, wie schon in den sechziger Jahren.

Bei einem massiven Ausbruch der Seuche käme es auch in der Schweiz zu einer Schliessung der zoologischen Gärten, wie aktuell in ganz Grossbritannien. "Wäre ich momentan dort Zoodirektor, hätte ich schon ein etwas mulmiges Gefühl", meint Rübel mitfühlend mit den britischen Kollegen.



Gefahr für den Menschen?

Der Mensch könne sich nicht anstecken und die Seuche sei für den Menschen völlig ungefährlich, versichert das zuständige Bundesamt für Veterinärwesen. Nach ähnlich lautenden Unbedenklichkeitserklärungen zum Rinderwahnsinn in England vor zehn Jahren sind die Konsumenten aber verunsichert.

Nach Angaben des britischen Landwirtschaftsministerium MAFF gab es 1966 in England einen Fall von MKS-Übertragung auf den Menschen. Auch bei der Mutter eines Redaktionsmitglieds von ETH Life diagnostizierte ein Appenzeller Tierarzt 1938/39 aufgrund der Symptome MKS. Die Symptome ähnelten einer Grippe, allerdings hatte die Erkrankte Blasen, entzündete Finger- und Zehennägel und geschwollene Augen. Besteht also doch ein gewisses Risiko für den Menschen? Experte Langhans hält eine Panik für unnötig. "Das sind extrem seltene Fälle, wo es vermutlich durch ein Zusammentreffen verschiedener Umstände zu vergleichsweise harmlosen Infektionen bei Menschen kommt", entgegnet Langhans und betont: "Daraus sollte keine generelle Gefährdung für den Menschen abgeleitet werden."

MKS-Schnauze
Blasen an einer infizierten Schweineschnauze.

Impfung nur im Notfall

Warum wird in der Schweiz das Vieh nicht mehr wie bis 1990 gegen die Seuche geimpft? "Vor zehn Jahren waren die europäischen MKS-Virusstämme getilgt und die Impfung bot keinen zuverlässigen Schutz gegen exotische Stämme", antwortet Langhans. Unter diesen Aspekten wurde das Impfverbot erlassen, um Handelshemmnisse abzubauen beziehungsweise vorzubeugen. "Geimpfte Tiere sind von infizierten Tieren serologisch nicht zu unterscheiden", stellt Langhans fest. Beide Gruppen haben Antikörper gegen das Virus. Seuchenfreie Länder können somit den Import von allen seropositiven Tieren verbieten. Darum muss es sich ein infiziertes Land sehr genau überlegen, ob und wann es gegebenenfalls zu einer Notimpfung greift und was man sich dabei einhandelt.

"Die Konsequenzen einer Impfung für den internationalen Handel mit Fleisch, Milch, Käse, Schokolade, bis hin zu HIV-Test-Kits, die Kälberserum enthalten, wären gravierend", erläutert Langhans die Folgen einer Impfung in der Schweiz. Für Monate, vielleicht sogar für Jahre wären Exporte in die USA, Japan, Australien und andere Industrienationen blockiert. Denn seuchenfreie Länder, die nicht impfen, würden genau die Impfung zum Anlass nehmen, um Handelsrestriktionen aufzubauen. Die Unterscheidung eines geimpften Tieres von einem infizierten Tier ist nicht durchführbar, so dass man für den Export wieder warten müsste, bis eine Population von antikörperfreien Tieren da ist.

Starke Schmerzen

"Der Einsatz von Impfstoffen käme wohl nur im äussersten Notfall in Frage", meint Langhans. "Nämlich nur dann, wenn wir mit den drastischen Methoden wie Tötung und Vernichtung auf dem Hof nicht mehr weiter kommen." Bei einem massiven Ausbruch der Seuche in der Schweiz müsste eine derartige Notimpfung vom Bundesrat entschieden werden.

Wenn die Krankheit nicht tödlich ist, wieso werden die Tiere dann nicht natürlich immunisiert, indem sie die Krankheit durchmachen, analog der Grippe beim Menschen? Langhans fände dies unverantwortlich: "Die Tiere haben sicher starke Schmerzen, so dass die Tötung wohl humaner ist, auch wenn sie die Krankheit überleben." Zusätzlich könne eine MKS-Infektion auch Wegbereiter für alle möglichen Sekundärinfektionen sein.

MKS-Stand1998
Die Maul- und Klauenseuche ist heute hauptsächlich in Entwicklungsländern verbreitet. gross

Erfahrungen aus Entwicklungsländern zeigen, dass MKS-infiziertes Fleisch für den Menschen geniessbar ist, nachdem es einen Tag lang abgehangen wurde, damit der natürliche Säuerungsprozess die Viren abtötet. Wieso werden dann tausende Tiere verbrannt und nicht beispielsweise nach Nordkorea an die hungernde Bevölkerung geliefert? Professor Langhans warnt entschieden davor, am falschen Ort zu sparen: "Aufgrund der leichten Ausbreitung des Virus und der damit verbundenen Gefährdung für die empfänglichen Nutztiere wäre es verantwortungslos hier Kompromisse einzugehen."


Literaturhinweise:
Info-Website des Bundesamtes für Veterinärwesen: www.bvet.admin.ch
Merkblatt zur Maul- und Klauenseuche: www.bvet.admin.ch/tiergesundheit/d/ausbild_beratung/tierseuchen/mks/maulklau.html



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