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Rubrik: Tagesberichte |
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AOZ-Konzert der Tonhalle Klangrausch, ganz unakademisch |
Die Zürcher Tonhalle umfasst rund 1600 Plätze. Am vergangenen Samstag waren die allermeisten besetzt, als das Akademische Orchester Zürich (AOZ) aufspielte. Geboten wurden Leckerbissen von Brahms und Mahler, Meilensteine der Spätromatik: am Ende war das Publikum zu Recht begeistert. Von Norbert Staub Er ist ein 29-jähriger Geiger, heisst Stefan Tönz, wuchs auf in Zürich und Wien und hat hervorragende Kritiken sowie namhafte Preise für seine Interpretationen erhalten, unter anderem für eine CD mit dem 3. Violinkonzert von Saint-Saens. Wenn er in Zürich noch entdeckt werden muss, bestätigt das nur, dass die Latte für einheimische Kunstschaffende offenbar besonders hoch liegt.
Das schien den jugendlichen Solisten aber nicht zu stören: Wie er unbekümmert loslegte in Brahms' Violinkonzert, einem der heikelsten Stücke der Violinliteratur, und dabei brillierte - das war schon beeindruckend. Mit stupender Technik, an der er nie einen Zweifel aufkommen liess, dazu hochsensibel sich in den Orchesterpassagen zurücknehmend, las er das Konzert gegen den Strich.
Nicht schwerblütig-druckvoll, wie man es häufig hört, kam es daher, sondern federnd und leicht. Dieser Ansatz schlug sich einzig im ruhigen Mittelsatz nachteilig nieder. Dessen träumerische Melodie hätte Tönz ruhig noch mit etwas mehr geigerischem Schmelz versehen dürfen. Ein selbstbewusster Klangkörper Das nun gut seit einem Jahrhundert bestehende Akademische Orchester mit Mitgliedern von Uni Zürich und ETH erwies sich als selbstbewusster Klangkörper, der alles in allem höchsten Respekt verdient - sicher auch ein Ergebnis der langjährigen Aufbauarbeit des Dirigenten Johannes Schlaefli. Dies erscheint umso erstaunlicher, als die Fluktuation hoch ist. Bei einem Studierendenorchester muss naturgemäss Semester für Semester mit Austritten gerechnet werden. Die Streicher agierten, ganz der symphonischen Anlage des Brahms-Konzerts entsprechend, schon fast kongenial: hochsensibel in der komplexen Verschränkung mit dem Solisten - kleinere Ungereimtheiten in der Koordination ausgenommen. Erwähnt werden muss aber, dass die Blechbläser da und dort Mühe bekundeten: Unsicherheiten in der Dynamik und rhythmische Schwierigkeiten gab es da, spür- und hörbar im langsamen zweiten Satz. Im selben Satz überzeugten wiederum die anderen Bläser sehr: wunderschön die von den Holzbläsern kammermusikalisch vorgetragene Hauptmelodie. Vereinzelt unsicher reagierten die hohen Streicher im furiosen dritten Satz mit den vom Solisten vorgegebenen rhythmischen Sprüngen. Hier wie schon in der Kadenz konnte Stefan Tönz sein Ausnahmetalent noch einmal voll entfalten.
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Heikles souverän gemeistert Nach der Pause konnte bei Mahler dann dem Orchester die ungeteilte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Zur Aufführung kam Musik aus dem Umkreis der 1. und 2. Symphonie. Zu Beginn die schwärmerische "Blumine", ursprünglich ein Bestandteil der 1. Symphonie, die Mahler nach negativen Kritiken aus dem Ensemble entfernt hatte. Herauszuheben ist hier - das gilt übrigens für das gesamte Konzert - die Solo-Oboe: schön und klar im Ton, hervorragend in der dynamischen Gestaltung. Und erneut die Holzbläser im Zusammenspiel mit den Geigen. Den heiklen, in vertrackter Höhe zu spielenden Schluss der "Blumine" meisterten letztere brillant.
Szenisches Denken In Mahlers "Totenfeier" (sie ging später in der 2. Symphonie auf) oszillieren in wildem Wechsel furchteinflössender Totenkult und romantische Hoffnung. Diesen Gegensatz gilt es musikalisch zu bewältigen. Und das erfordert geradezu szenisches Denken. Das AOZ meisterte diese Aufgabe mit Bravour: beeindruckend die tiefen Streicher, die einen kompakten Sound entfalteten - in den hervorragend besetzten Celli vor allem: Geradezu mitreissend interpretierten diese das getragen-ernste Eingangsmotiv. Im Vergleich zum tiefen fehlte dem hohen Register hier allerdings der Zug: die Geigen erschienen gerade im Fortissimo zuwenig differenziert und sprechend. Ihre Stärke spielten sie indessen im sphärisch verwobenen Seitenthema aus. Ganz offensichtlich: an diesen Stellen wurde enorm gefeilt. Noch ein Wort zu den (Blech-)Bläsern: sie hatten sich jetzt freigespielt und fügten sich glänzend ins Gesamtbild ein. Das Publikum bedankte sich für das Gebotene mit lang anhaltendem Applaus. Das AOZ dankte seinerseits mit einer Zugabe: einem heiteren Walzer von Johann Strauss. |
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