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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 05.02.2004 06:00

NIDECO-Konferenz zur akademischen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern
Ein Denk-Netz für Entwicklung

Entwicklungszusammenarbeit kann auch auf akademischer Ebene betrieben werden. Macht es Sinn, dass das ETH-Netzwerk für internationale Entwicklung und Zusammenarbeit (NIDECO) den Aufbau von Hochschul-Kooperationen mit Entwicklungsländern fördert? Welche Fragen und Probleme tauchen dabei auf? Diesem Thema widmete sich vergangene Woche ein Workshop an der ETH, zu welchem das NIDECO Fachleute aus Deutschland und der Schweiz eingeladen hatte.

Von Norbert Staub

„Es gehört zur Verantwortung einer Hochschule wie der ETH, ihr Wissen mit der Welt zu teilen“, sagte ETH-Präsident Olaf Kübler in seiner Begrüssung der etwa 40 Anwesenden und ermunterte sie, Kooperationen mit Hochschulen in Entwicklungsländern zu pflegen. Zudem erweise sich erst im Zusammenspiel mit Wissenschaftlern in Entwicklungsländern, ob die in der Ersten und Zweiten Welt vorgenommene Wahl der Forschungsthemen den Bedürfnissen der Menschen in der Dritten Welt entspreche.

Pionierarbeit hat hier seit 1972 die IFS geleistet, die International Foundation for Science in Stockholm. Diese weltweit vernetzte NGO will mit relativ bescheidener, aber gezielter Unterstützung (Stipendien und Know-How-Vermittlung) helfen, vielversprechende Akademiker aus Entwicklungsländern zu Top-Wissenschaftlern auszubilden, welche später Wertvolles zur Entwicklung ihrer Heimat beitragen sollen. Der Ansatz hat Erfolg. So seien von total 57 in Tansania unterstützten Stipendiaten bis auf sieben alle im Land geblieben; die meisten haben respektable, und 15 von ihnen höchste Posten bis hin zum Bildungsminister bekleidet, sagte Bruno Messerli, von 1986 bis 1996 Rektor der Uni Bern und derzeit Präsident des IFS-Kuratoriums.

Afrika im Hintertreffen

In den vergangenen Jahrzehnten hätten Länder wie China und Indien eine starke wissenschaftliche Infrastruktur aufgebaut. Gleichzeitig sei ein ganzer Kontinent, was den wissenschaftlichen Output anbelangt, massiv ins Hintertreffen geraten: Afrika. Die immer drängenden Probleme Afrikas – Wasser- und Bodenprobleme, Bevölkerungsdruck – verlangen laut Messerli nach neuen, wirkungsvollen Ansätzen: Es liege jetzt am Norden und Westen, Lösungen in Zusammenarbeit mit den Betroffenen zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. Auf diesem Hintergrund, so Messerli, habe die IFS den „harten Entscheid“ getroffen, 70 Prozent ihrer vier bis fünf Millionen Euro pro Jahr in die schwächsten Länder fliessen zu lassen. Sie liegen südlich der Sahara und in Zentralamerika.

Paternalismus unerwünscht

Ein ähnliches Bild zeichnete Hans von Lengerke, Geograf und bis vor kurzem Programmleiter für Zusammenarbeitsprojekte mit Entwicklungsländern bei der Volkswagen-Stiftung in Hannover, die jährlich 100 Millionen Euro für Wissenschafts- und Hochschulprojekte zur Verfügung hat. Indien und China hätten sich akademisch vorbildlich entwickelt, doch südlich der Sahara, aber auch in Zentralasien gebe es derzeit ein grosses Bedürfnis nach Unterstützung. Entwicklungszusammenarbeit in der Wissenschaft kann laut von Lengerke nur dann glücken, wenn sie auf die Stärkung der örtlichen Forschungskapazitäten zielt und wenn echte Partnerschaft und kein Paternalismus angestrebt werde.


Hochschulen: die Türen stehen offen

Walter Schaufelberger, bis Herbst 2003 ETH-Prorektor für Internationale Beziehungen, machte an der NIDECO-Veranstaltung darauf aufmerksam, dass mit dem nun praktisch voll umgesetzten gestuften Bachelor- und Masterstudium sich Studierenden aus aller Welt die Chance biete, ihren Master an der ETH zu machen. Günther Manske (Uni Bonn) und Marion Moser (Uni Hohenheim) stellten deutsche PhD-Programme speziell für Absolventen aus Entwicklungsländern vor. Lilo Roost Vischer skizzierte die Aktivitäten des 2001 gegründeten Zentrums für Afrika-Studien der Uni Basel, das betont interdisziplinär operiert und sich auch um Studierende aus Afrika bemüht. Auch Jean-Claude Bolay, Verantwortlicher für internationale Kooperation an der EPF Lausanne, betonte die essentielle Rolle der Interdisziplinarität. Mit dem Kooperationsnetzwerk „Ingénieurs du Monde“, so Bolay, habe sich an der EPFL eine wirkungsvolle studentische Initiative etabliert.




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ETH-Netzwerk vor einem Bündel von Entscheidungen: Gastgeber Rolf Kappel, Präsident des NIDECO-Leitungsausschusses an der Veranstaltung zur interuniversitären Kooperation. gross

Zudem müsse sich der wissenschaftliche Fokus auf aktuelle Probleme richten und den Erwerb wissenschaftlicher Meriten ermöglichen. Schliesslich brauche es eine langfristige Sicherung der Finanzierung sowie ein griffiges lokales Networking.

Entscheidend: Haltbare Bindungen

In den Diskussionsrunden unterschiedlich beurteilt wurde die Frage, ob Wissenschaftskollaborationen, soll deren Wirkung nicht verpuffen, nicht ein Mindestmass an Forschungs-Infrastruktur in den Zielländern voraussetzen, also eine kritische Masse an Fachleuten und Know-How, Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen. Einige Workshop-Teilnehmer haben die Erfahrung gemacht, dass die persönlichen Bindungen, vor allem zwischen Professoren und Studierenden, von essentieller Bedeutung seien und formale Abkommen stets in den Schatten stellen.

Es brauche beides, um zu reüssieren, sagte Ralf Hütter vom NIDECO-Patronatskomitee. So könne ein Memorandum of Understanding zwischen Forschungsinstitutionen entscheidend sein, um die Ausreise eines Stipendiaten aus seiner Heimat zu ermöglichen.

Risiko Brain Drain

Ein widersprüchliches Bild ergab sich in Bezug auf die Rekrutierung der teilweise spärlich vorhandenen lokalen Intellektuellenschicht für Kooperationsprojekte. Hier stehen akademische Institutionen in einer gewissen Konkurrenz zu den Hilfsorganisationen. Für Nachdenklichkeit sorgte auch die Aussage des Mediziners Jakob Zinsstag. Er war 1994 bis 1998 Direktor des Centre Suisse de Recherches Scientifiques in Abidjan (Elfenbeinküste) und arbeitet seit 1998 am Schweizer Tropeninstitut in Basel. Man müsse eigentlich Skrupel haben, einen afrikanischen Arzt für ein Forschungsprojekt zu gewinnen angesichts der Tatsache, dass dieser wohl dringender von seinen Patienten gebraucht werde, so Zinsstag.

Nicht immer liegen die Bedürfnisse eines Landes auf der Hand: Vielfach setzt eine Regierung, aus welchen Gründen auch immer, schlicht die falschen Prioritäten. Erziehung, Traditionen und lokale Machtstrukturen stünden der Entwicklung oft im Weg, meinte Ralf Hütter.

NIDECO im Klärungsprozess

Das alles floss in das Resümee, welches Rolf Kappel, Präsident des NIDECO-Leitungsausschusses, für die Rolle des ETH-Netzwerks in der internationalen Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit zog. Man sei vor ein Bündel von Entscheidungen gestellt. Etwa vor die Wahl zwischen Praxis- und Forschungsorientierung oder jener zwischen einem geografischen (Afrika) und einem qualitativen Fokus. Zu entscheiden sei zudem, wie eng oder lose eine Partnerschaft sein darf, um fruchtbar zu bleiben, und ob der persönliche oder der institutionelle Kontakt zu favorisieren sei. Je nach dem auf welcher Ausbildungsstufe der akademische Austausch einsetze, werde die Lehre (Diplomstudium) oder die Forschung ins Zentrum gerückt. Und schliesslich müsse das NIDECO bestimmen, ob es seine Fühler allein ausstrecken oder sich mit Partnerhochschulen anderer Industrienationen koordinieren wolle.

Jakob Zinsstag ergänzte, dass für ihn Vertrauen das A und O interkultureller Zusammenarbeit darstellt. Idealismus und der Wille zu helfen seien gute Motive, aber dies dürfe gravierende Probleme, die im Kontakt mit anderen Kulturen auftauchen können, nicht übertünchen. Was die ETH betrifft, äusserte Zinsstag den Wunsch, dass sie die für Studierende aus Entwicklungsländern oft unüberbrückbar hohen Qualitätshürden etwas senke.


Literaturhinweise:
Mehr Informationen zum Network for International Development and Cooperation der ETH (NIDECO) finden Sie unter: www.nideco.ethz.ch/
"ETH Life"-Bericht zur Gründung des NIDECO vom 31.1.2002: www.ethlife.ethz.ch/articles/nideco.html



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