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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.05.2003 06:00

Futterzusatzstoffe in der Tierernährung
Alternativen zu Antibiotika

Alternativen, die seit dem Verbot antimikrobieller Leistungsförderer in der Tierernährung eingesetzt werden sind Thema einer Fachtagung des Instituts für Nutztierwissenschaften, Gruppe Ernährung - Produkte - Umwelt, von heute Donnerstag an die ETH. Experten aus dem In- und Ausland diskutieren Nutzen, Risiken und Alternativen von Futterzusatzstoffen. Zwei ETH-Experten äussern sich im Vorfeld der Tagung zum recht brisanten Themenkomplex.

Von Regina Schwendener

Im Jahr 1999 wurde in der Schweiz der Einsatz antimikrobieller Leistungsförderer (AML) als Zusatzstoffe zum Futter der Nutztiere verboten. Dies, wie Professor Caspar Wenk betont, als vertrauensbildende politische Massnahme, um so den Wünschen und Bedenken der Bevölkerung zu entsprechen. Gilt das für den gesamten europäischen Raum? - "Nein", sagt Wenk: "Die EU plant zwar ebenfalls den Ausstieg aus der Fütterung mit AML, erweist sich aber einmal mehr als weniger flexibel als die Schweiz." Das AML-Verbot habe in der Schweiz in vielen Bereichen ein Umdenken und das Entwickeln neuer Strategien erfordert. Inzwischen seien erste Erfahrungen gesammelt worden und Konzepte im Einsatz, die nicht nur den Nutzen alternativer Futterzusatzstoffe, sondern auch Massnahmen im Bereich der Haltung und der Genetik der Tiere umfassen. "Im Mittelpunkt aller Bemühungen steht, dass die Nutztiere auch ohne AML gesund bleiben und hochwertige Produkte liefern", so der Ernährungsbiologe. An der Fachtagung werden deshalb aus den verschiedensten Blickwinkeln einerseits Massnahmen zur Gesunderhaltung der Nutztiere ohne AML vorgestellt und andererseits den heute verfügbaren Futterzusatzstoffen und ihrem Potential bei den wichtigsten Nutztierarten Aufmerksamkeit geschenkt.

Zusatznutzen angepeilt

Futterzusatzstoffe können Zusatznutzen bewirken. Caspar Wenk erklärt den Begriff "Zusatznutzen": Er birgt die Annahme in sich, dass Futterzusatzstoffe, die den Nutztieren verabreicht werden, auch eine besondere Wirkung auf den Menschen ausüben können und zu einem Bestandteil der Nahrungskette werden. Der "Zusatznutzen" für den Menschen bestehe vorerst eindeutig in der Sicherung der Bedarfsdeckung mit essentiellen Nähr- und Wirkstoffen. Caspar Wenk: "Gewisse Inhaltsstoffe aus Nahrungsmitteln tierischer Herkunft können zudem den Gesundheitswert für den Menschen positiv beeinflussen."

Antioxidantien wie beispielsweise Vitamin C und E werden Nutztieren zugeführt, um insbesondere den Genusswert und die Lagerfähigkeit der Produkte zu verbessern, so der ETH-Forscher. Doch die Beigabe gestaltet sich nicht immer einfach. In der Kategorie der erlaubten Aromastoffe seien zum Beispiel antioxidativ wirkende Kräuterextrakte zu finden, die sich positiv auf den Genusswert und die Lagerfähigkeit auswirken, die aber auch das Risiko in sich bergen, mit unerwünschten Inhaltsstoffen verunreinigt zu sein. Kräutermischungen würden möglicherweise - so mutmasst Wenk - keiner strengen Qualitätskontrolle unterzogen.

Ein besonderer Zusatznutzen könne für Jod in Milch und Milchprodukten sowie Selen bei allen Lebensmitteln tierischer Herkunft erwartet werden. Wenk: „Hauptsächlich Selenomethionin wird bei reichlicher Versorgung in Körper- oder Eiprotein eingelagert und trägt damit wesentlich zur Bedarfsdeckung beim Menschen bei. „In Kanada zum Beispiel, wo Weizen auf selenreichem Boden wächst, gibt es bedeutend weniger Krebserkrankungen als in anderen Gebieten", erwähnt Wenk als Resultat einer Studie. Unsachgemässe Anwendung von Spurenelementen als antimikrobielle Wirksubstanzen, Kupfersulfat und Zinkoxid zum Beispiel, würden sich hingegen sehr negativ auf die Umwelt auswirken."

Etwas anders ist es bei den Vitaminen als Zusatzstoffen, die vor allem der Bedarfsdeckung der Nutztiere dienen. In grösseren Mengen lassen sich nur fettlösliche Vitamine in tierischen Produkten anreichern, so Caspar Wenk weiter. Bei übermässiger Zufuhr könne aber Vitamin A in so hohen Mengen in der Leber eingelagert werden, dass gesundheitliche Probleme auftreten können. So ist ein Anliegen des Ernährungsbiologen: „Für Zusätze im Futter wurden Mindest- und Höchstmengen im Futter festgelegt, die dringend eingehalten werden sollten."


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Futterzusatzstoffe können für Mensch und Tier einen Zusatznutzen bewirken, bergen aber auch Risiken in sich. gross

Ein Leben ohne AML

Unter den Leistungsförderern standen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem antimikrobiell wirksame Substanzen aus der Gruppe der Antibiotika und/oder Chemotherapeutika im Vordergrund. „Ihr Einsatz wurde strikt von der therapeutischen Anwendung derselben oder ähnlicher Substanzen abgegrenzt, indem ganz klar eine Wirkung beim gesunden Tier anvisiert wurde", betont Professor Hans Peter Pfirter, Institut für Nutztierwissenschaften. Er geht an der Tagung auf alternative Futterzusatzstoffe zur Leistungsverbesserung nach dem AML-Verbot ein. Als Folge des AML-Verbots seien Substanzen und Substanzgruppen als Futtersätze in den Vordergrund gerückt, die teils neu entwickelt oder aus „der Versenkung" geholt wurden und werden. Nach bisherigen Befunden kämen die alternativen Zusätze nicht an die Leistungsverbesserung mit AML heran. Hans Peter Pfirter weist jedoch darauf hin: „Bei dieser Aussage muss auf die Besonderheit von Enzymzulagen hingewiesen werden. Obwohl an sich nicht essentiell, sind sie in manchen Fällen für eine vollwertige Ernährung und Leistungsfähigkeit der Tiere unverzichtbar, beispielsweise Phytasen bei phosporarmen Rationen." Enzyme als Futterzusatz müssten daher immer mit Bezug auf die bei der Rationsgestaltung zu erfüllenden Randbedingungen beurteilt werden.

Die gegenwärtige Situation bei den nicht essentiellen Futterzusatzstoffen zeichne sich durch ein breites Angebot an Produkten aus, die verschiedensten, zum Teil aber auch derselben Stoffgruppe angehören. Manchen Präparaten würden zum Beispiel dank guten Marketings eine Fülle von positiven Eigenschaften und Wirkungen zugeschrieben, die einer objektiven, kritischen Beurteilung kaum Stand hielten. „Dass in diesem Falle manche potentielle Anwender und Anwenderinnen eine abwartende Haltung einnehmen, solange sie vom Nutzen eines Einsatzes nicht überzeugt sind, ist ebenso eine Tatsache", streift Pfirter ein Problem im Einsatz alternativer Zusatzstoffe.

Organische Säuren und Salze sowie Enzyme stehen heute in der Schweiz an erster Stelle der verfügbaren, nicht essentiellen Zusatzstoffe mit leistungsverbessernder Wirkung. Mit ihnen wird eine positive Beeinflussung der Verdauungsvorgänge angestrebt. Sie könnten als Alternativen zu den AML angesehen werden, unterstreicht Hans Peter Pfirter. Er fährt fort: „Auch mit anderen Stoffklassen wie Prebiotika, Probiotika oder pflanzlichen Extrakten werden vor allem günstige Effekte auf der Stufe des Verdauungsgeschehens postuliert." Ziele, wie zum Beispiel die wirksame Unterdrückung gefürchteter Mikroorganismen der Typen von E. coli oder Salmonellen würden die Suche nach nicht medikamentösen Stoffen - wenn möglich auf natürlicher Basis - stimulieren. Hinter „natürlich" könnten sich aber auch Substanzen mit pharmakologischen Wirkungen verbergen, die toxikologisch nicht unbedenklich seien, gibt Pfirter zu bedenken. Für Fortschritte in der praktischen Fütterung bliebe als Herausforderung, Wechselwirkungen zwischen verdauungsphysiologischen Gegebenheiten bei den verschiedenen Nutztieren und Inhaltsstoffen der Futtermittel besser kennenzulernen und die Folgerungen daraus umzusetzen. „Ein in diesem Bereich noch wenig genutztes, aber bestimmt beachtliches Potential liegt in der Pflanzenzüchtung. Dazu muss aber die Tierernährung präzise Vorgaben formulieren, was heute noch kaum der Fall ist", so Pfirter.




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