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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 31.10.2002 06:00

Michael Strasser zum dritten Mal vom Forschungsschiff "Joides Resolution"
Interdisziplinäre Detektivarbeit

Seit sechs Wochen ist der ETH-Geologiestudent Michael Strasser nun an Bord der "Joides Resolution", auf der er zur Zeit mithilft, die Plattengrenze zwischen der Cocos und der Karibischen Platte zu untersuchen. Nach dem gelungenen Abschluss einiger Versuche wurde zur Feier des Tages eine Party gestartet - gerade in der Nacht, als das Bohrloch zusammenfiel und weitere Untersuchungen an diesem Ort verunmöglichte.

Von Michael Strasser

Das ODP-Forschungsschiff JOIDES Resolution liegt ruhig im Wasser, rund 70 Kilometer vor der Küste von Cost Rica. Seit nun bald sechs Wochen können sich die 104 Personen an Bord - davon 20 Wissenschaftler aus sieben verschiedenen Ländern - über eine ruhige See und meistens schönes Wetter freuen. Nach den etwas unglücklichen Verhältnissen bei der ersten Site (1)ist auch das Strahlen in unseren Gesichter mit dem Transfer zur zweiten Site wieder zurückgekehrt. Zumindest vorübergehend, denn es hat sich herausgestellt, dass wir das Pech, welches uns anscheinend zu verfolgen scheint, nicht ganz losgeworden sind.

Rasende Platten: 9 cm pro Jahr!

Das Ziel der zweiten Site bestand darin, die Plattengrenze zwischen der Cocos und der Karibischen Platte zu erbohren, um in den zutage geförderten Gesteinen die Deformationsgeschichte dieser Grenzzone zu rekonstruieren. Während die ozeanische Platte mit ca. 9 cm pro Jahr (!!) unter die kontinentale Platte geschoben wird, entstehen sehr grosse Scherkräfte, welche die Gesteine an dieser Grenzzone deformieren. Erste Beobachtungen in den Bohrkernen haben gezeigt, dass diese Deformationszone hier ca. 35 Meter mächtig ist. Es wird vermutet (rsp. es wurde in früheren Forschungsprojekten an Subduktionszonen nachgewiesen), dass entlang der deformierten Grenzzone ein intensiver Fluidtransport (2) stattfindet, wobei Fluide aus verborgener Tiefe entlang der Schwächezone aufsteigen können.

Mit Pfeilen markiert sind Diatomeen, kleine, an der Wasseroberfläche lebende, einzellige Organismen, deren kieseliges (SiO2) Gerüst nach dem Absterben durch die Wassersäule fällt und am Ozeanboden sedimentiert wird.

Matthias Haeckel (Kanada) und Evan Solomon (USA), unsere Chemiker an Bord, messen Gase (Propan und höhere Kohlenwasserstoffe) und chemische Elemente, wie zum Beispiel Lithium, im Porenwasser, welche charakteristisch für eine tiefer im Untergrund liegende Quelle der Fluide sind. Die ersten Messresultate zeigen wie erwartet erhöhte Konzentrationen dieser Substanzen im Bereich der Grenzzone. Weitere Analysen sowie Modellierungen der Prozesse, welche zu den gemessenen Konzentrationen führen, werden in Zukunft wichtige Erkenntnisse über chemische und physikalische Prozesse in der seismogenen Zone (2) liefern.

Karibische Platte durchbohrt

Es war für mich ein sehr spannender Moment als die Bohrkerne aus dieser interessanten Zone an Bord kamen. Etwa im Zwei-Stunden-Rhythmus wurden die neun Meter langen Kerne zu Tage gefördert, und sofort von Paola Vannucchi (Strukturgeologin, Italien) und Demian Saffer (Hydrogeologe USA) auf Hinweise von Deformationsstrukturen inspiziert.


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Vorbereitungen für die Dance Party in der Science Lounge, wo sonst nach Schichtende Filme auf Grossleinwand gezeigt werden. gross

Auch die Porenwässer wurden so schnell wie möglich analysiert, und schon eine halbe Stunde später wurden die ersten Resultate diskutiert. Der Grund für die Eile war, dass wir unmittelbar am unteren Ende der Grenzzone mit Bohren stoppen wollten, damit die Langzeitanalyse-Messinstrumente, welche Porenwasserchemie, Flussraten, Temperaturen und Druck über die nächsten Jahre aufzeichnen sollten, genau innerhalb dieser Grenzzone installiert werden können.

Mikrofossilien im Gestein

Julie Morris (Co-chief Scientist, USA) hat mich gefragt, ob ich von jedem Kern sofort ein Mikroskop-Präparat anfertigen und untersuchen könne, wo der Gehalt an Mikrofossilien im Gestein zunehme. Ein erhöhter Gehalt von Mikrofossilen ist charakteristisch für die Sedimente, welche auf der ozeanischen Platte vor der Küste von Costa Rica abgelagert werden. Meist handelt es sich dabei um Diatomeen, kleine, an der Wasseroberfläche lebende, einzellige Organismen, deren kieseliges (SiO2) Gerüst nach dem Absterben durch die Wassersäule fällt und am Ozeanboden sedimentiert wird. Da das Erstellen eines solchen Mikroskop-Präparates nur wenige Minuten dauert und die Mikrofossilen einfach unter dem Mikroskop zu erkennen sind, konnte ich sehr schnell feststellen, wann wir die Karibische Platte durchbohrt und die Sedimentbedeckung der Ozeanischen Platte angebohrt hatten. Ich war also Teil eines interdisziplinären Detektiv-Corps, dessen Aufgabe darin bestand, die Grenzzone zweier tektonischer Platten in einem Bohrkern mit 7 Zentimeter Durchmesser zu lokalisieren.

Bohrloch in sich zusammengestürzt

Der Erfolg an dieser Site musste natürlich mit einer Party gefeiert werden. Julie Morris (Co-Chief, USA) hat Cara Santelli (Mikrobiologin, USA) und mich gebeten, in der Science Lounge eine Tanzparty zu organisieren, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Wir befinden uns nämlich nun schon seit mehr als fünf Wochen auf hoher See, und es ist nicht immer leicht, wenn man bedenkt, dass man vieles entbehren muss. So kommt es uns hier allen sehr entgegen, dem Schiffsalltag und den Heimwehgedanken für einen Moment zu entfliehen und eine Nacht lang durchzutanzen. Die Party war ein Erfolg. Leider wurde uns jedoch in der selben Nacht von den Drillern mitgeteilt, dass während den Vorbereitungsarbeiten zur Installation der Langzeitmessgeräte das Bohrloch in sich zusammengestürzt ist, und wir das Loch somit verloren haben. Es verbleiben uns jetzt noch zwei Wochen. Alle hoffen, dass wir in dieser sehr kurzen Zeit doch noch erfolgreich die Langzeitanalysegeräte innerhalb der Grenzzone installieren können.


Fussnoten:
(1) vgl. Bericht: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/strasserzwei.html
(2) vgl. Einleitungsbericht: www.ethlife.ethz.ch/articles/strasser1.html



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