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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.06.2001 06:00

Sun Microsystems bläst Hochschul-Aktion in letzter Minute ab
Image nachhaltig ramponiert

Am Anfang war ein verlockendes Angebot, zum Schluss gibt es lange Gesichter und viel Frust. Sun Microsystems hat ihr Sonderangebot für den Kauf von Workstations vom Typ Sun Blade 100 in letzter Minute zurückgezogen. Hunderte von ETH-Studierenden, aber auch die Informatikdienste, fühlen sich über den Tisch gezogen. Die Firma versucht nun, zu retten, was noch zu retten ist (siehe Kasten).

Von Roman Klingler

"Ich bin hier, um Feedback zu sammeln", sagt Klaus Landl von Sun Microsystems Schweiz, an einem improvisiert eingerichteten Stand vor der ETH-Hauptmensa. Ihm und einer Kollegin fiel die undankbare Aufgabe zu, sich den enttäuschten bis aufgebrachten Studierenden zu stellen. Ein gutes Dutzend Studierende umringen in der Mittagspause den Sun-Mann und lassen ihrem Frust freien Lauf: "Wir kommen uns ziemlich verarscht vor", sagt Informatik-Student Rainer Baumann. Landl windet sich und versucht, die Peinlichkeit in beschwichtigende Worte zu packen. Mit mässigem Erfolg.

Vom Weihnachtsmann zum Buhmann

Die Enttäuschung bei den Studierenden ist umso grösser, als sich ETH-Studenten vor Weihnachten noch mächtig ins Zeug gelegt hatten, als im Computerraum HG E-27 einige Sun-Workstations durch Windows-Maschinen ersetzt werden sollten. Mehr als 600 Studierende unterschrieben eine Petition, die die Beibehaltung von UNIX als Betriebssystem forderte. (1) Schlagartig wurde klar, dass die Firma respektive ihre Plattform bei der Studentenschaft eine nicht zu unterschätzende Fangemeinde hat.

Dass nun die Aussicht auf eine supergünstige Sun-Maschine jäh zunichte gemacht wurde, hat dem Image der Firma in ETH-Kreisen einen nachhaltigen Schaden zugefügt. "Ich werde mir jedenfalls zweimal überlegen, das nächste Mal, wenn ich einen Computer kaufe, Sun zu wählen", wirft ein Student der Wirtschaftsinformatik in die Diskussion ein. So schnell kann's gehen: Der vermeintliche Weihnachtsmann ist zum Buhmann geworden. Da macht es auch keinen Unterschied, dass nicht Sun Schweiz, sondern in letzter Instanz das Management der Muttergesellschaft in Kalifornien die Notbremse gezogen haben soll.

Der grosse Run auf Sun

Dabei hatte alles so schön begonnen. Nach Aussagen von Andreas Dudler, Direktor der Informatikdienste an der ETH, fanden im März erste Gespräche statt zwischen ihm und Sun. Der Computerhersteller machte von sich aus ein Angebot, bei dem vielen Computerbenutzern buchstäblich das Augenwasser kam. Studierende, aber auch Institute an der ETH, sollten Workstations vom Typ Sun Blade 100 mitsamt einem Flachbildschirm für sage und schreibe 2100 bis 2500 Franken kaufen können.

Das ist ein Discount von bis zu 80 Prozent gegenüber dem normalen Ladenpreis. Wer könnte da widerstehen? Prompt kamen so in kurzer Zeit Bestellungen für rund 2500 Workstations zusammen; das entspricht einem Betrag in der Höhe von 6,5 Millionen Franken. "Sun wollte sich agressiv auf dem hart umkämpften Desktop-Markt gegenüber Linux und Windows positionieren", vermutet Dudler die Beweggründe für das attraktive Angebot. Er habe die Sun-Leute immer wieder über den Stand der Bestellungen informiert, und bis am Schluss sei ihm niemals signalisiert worden, dass die Menge ein Problem werden könne.

Sun-Stand vor ETH-Mensa
Fühlen sich von ihrem bevorzugten Computerhersteller im Regen stehen gelassen: Studierende gestern im Gespräch mit Klaus Landl von Sun Microsystems


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Workstation Sun Blade 100
Traum vieler Studierender: Sun Blade 100 Workstation

Blauäugige Informatikdienste?

Das heisst, bis wenige Tage vor Pfingsten, als die Sun-Zentrale sich für die ETH völlig überraschend vom gemachten Angebot zurückzog. Keine Aussagen will Dudler machen, ob die Informatikdienste rechtlich gegen Sun vorgehen wollen. Die Frage, wie bindend das Angebot ist, lässt sich jedenfalls nicht schlüssig beantworten.

Es besteht keine schriftliche Offerte, sondern die Aktion ist lediglich in einem E-Mail-Verkehr zwischen den Informatikdiensten und Sun begründet. Blauäugig? - Im Nachhinein sei man immer schlauer, sagt Dudler. Er habe zwar von Beginn weg eine schriftliche Offerte gewünscht, aber nicht darauf bestanden, als diese von Sun nicht geliefert wurde. Aktionen von Computerfirmen für Hochschulen, wie es sie immer wieder gibt, lägen in der Regel keine schriftlichen Offerten zugrunde. Verträge kommen mit der Annahme der Bestellung zustande, und dies hat SUN ja eben abgelehnt.

Ausser Spesen nix gewesen

Rund die Hälfte der Bestellungen betrifft die Informatikdienste der ETH, die für Studentenräume und Institute Sun-Maschinen kaufen wollten. Zwar seien noch keine Ausgaben gemacht worden. Aber der Aufwand, um die Bedürfnisse abzuklären, sei nun für die Katz, enerviert sich Dudler. Nicht weniger als 1100 Bestellungen gingen bei der "Stiftung Studenten Discount" (SSD) ein, bei denen sich Studierende sowohl von der Uni wie auch von der ETH mit dem attraktiven Schnäppchen eindecken wollten. Sie mussten das Geld für die bestellten Compis bereits einzahlen.

Nun muss die SSD den potentiellen Käufern ihr Geld wieder zurückerstatten. "Für diese Umtriebe", so SSD-Geschäftsleiter Jan Wenger, "werden wir von Sun entschädigt". Wenger schätzt den Aufwand, der im Vorfeld der Aktion für Werbung (Plakate, Prospekte) betrieben wurde, zwischen 200 und 400 Mannstunden. Ausser Spesen nix gewesen, dies also auch das Fazit bei der studentischen Verkaufsstelle SSD. Der VSETH verurteilt in einer Resolution das Geschäftsgebaren von Sun.


Informations-Apéro

Bei Sun Microsystems Schweiz rauft man sich die Haare, wie ein solcher Fehler passieren konnte. "Absolut peinlich", kommentiert Roger Marti, Kommunikationsverantwortlicher der Firma, die Sachlage. Es habe Missverständnisse gegeben in bezug auf die Preise wie auch in bezug auf die Menge. Und zwar gleich an mehreren Stellen. Die Firma lädt heute Mittwoch zu einem Informations-Apéro:
auflistungszeichen Ort: Raum HG E 1.2 im Hauptgebäude an der Rämistrasse 101
auflistungszeichen Zeit: Mittwoch, 20. Juni, 1200 bis 1400 Uhr

Folgende Firmenvertreter werden sich den Fragen und der Kritik stellen:

auflistungszeichen Kim Jones, Vice President of Worldwide Education&Research
auflistungszeichen Nic Cantuniar, Managing Director SUN Schweiz
auflistungszeichen Roger Marti, Manager Communications&WebMarketing

Die Firma versucht, ihr Image unter den Studierenden mit folgendem Angebot aufzupolieren:

auflistungszeichen 220 (statt 2500 Workstations) werden zu den abgemachten Konditionen geliefert - und zwar für die Studentenräume.
auflistungszeichen Die geprellten Studierenden, die zwar ihr einbezahltes Geld zurückerhalten, soll ein Gutschein in Höhe von 100 Franken darüber hinwegtrösten, dass sie nun ohne ihren Wunschcompi dastehen.




Literaturhinweise:
Stiftung Studenten Discount unterhttp://www.ssd.ethz.ch
Heise online unter www.heise.de/newsticker/data/dwi-19.06.01-001/
Symlink unter unter http://www.symlink.ch

Fussnoten:
(1) Siehe dazu den Artikel Krach um alte Computer unter:http://www.ethlife.ch/tages/show/0,1046,2-8-219,00.html>



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