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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.02.2001 06:00

Kolloquium Technikgeschichte
Erfrischend diesseitig

Technikgeschichte soll an der ETH ein grösseres Gewicht erhalten - geplant ist die Schaffung einer ordentlichen Professur. In diesem Zusammenhang ist das heutige Kolloquium des ETH-Instituts für Geschichte mit Fachleuten aus der Schweiz, Deutschland und China von besonderem Interesse.

Von Norbert Staub

Watts Dampfmaschine, Edisons Geistesblitz mit der Glühbirne, die Erfindung des Computers: Ist das Technikgeschichte? Ja, aber nur einer von vielen Aspekten: der objektzentrierte, der narrativ-chronikale - und damit sicher nicht jener, welcher die Technikhistorie heute primär interessiert. Vielmehr geht es ihr um die gesellschaftlichen Bedingungen und Auswirkungen des technischen Fortschritts: "Technikgeschichte untersucht Angebote technischer Entwicklungen, welche in bestimmten historischen Kontexten entstanden sind und von sozialen Gruppen oder ganzen Gesellschaften als Möglichkeit sozialen Wandels wahrgenommen, ausgehandelt und schliesslich genutzt oder vergessen worden sind", heisst es in einem das Fach erläuternden Text des ETH-Instituts für Geschichte.

Wie das Telefon und die AKWs die Gesellschaft veränderten

Diesen Zweig der Historie zeichnet aus, dass er Themen behandelt, die breiteren Strömungen der Geschichtswissenschaft in der Regel entgehen; und damit legt er eine erfrischende Diesseitigkeit an den Tag: Da gibt es Lehrveranstaltungen zur "Sozialgeschichte des Telefons", zu "Literatur und Architektur", zu "Atomenergie und gespaltener Gesellschaft 1945-1990" und nicht zuletzt eine solche unter dem Titel "Internet. Historische Kontexte einer postmodernen Kommunikationstechnik". - Soweit eine zufällige Auswahl von technikgeschichtlichen Veranstaltungen der letzten zwei Jahre an der ETH.

ETH-Rektor Konrad Osterwalder
Technikgeschichte durchkreuze wirksam ökonomistisches Denken: ETH-Rektor Konrad Osterwalder. gross

Die Einbettung der technologischen Entwicklung in deren Umfeld erscheint auch ETH-Rektor Konrad Osterwalder zentral. "Man sieht, dass technische Entwicklung nicht nur aus sich selbst heraus geschieht, sondern entscheidend durch das soziale, wirtschaftliche und politische Umfeld beeinflusst, gefördert oder behindert oder in eine bestimmte Richtung gedrängt wird" - und das sei enorm spannend. Aber hat bei "Zukunftsfächern" wie der Informatik der Blick zurück nicht einen (zu) schweren Stand? "Ich glaube, absolut nicht", betont Osterwalder, "Die Informatik beruht auf so vielen technischen Voraussetzungen, die im Verlauf des letzten Jahrhunderts entstanden sind und deren Entwicklung auch anders hätte sein können."


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Eisenbahnbruecke
Historische Betrachtungsweise erschliesst Praktikern zusätzliches Wissen: Darstellung einer Eisenbahnbrücke aus dem 19. Jahrhundert. (Bild: ETH-Bibliothek) gross

Und mit historischem Bewusstsein werde klar, dass Gesellschaft, Wirtschaft und Politik die Entwicklung der Informatik geprägt haben; "auch wenn es jetzt angesichts ihrer riesigen Eigendynamik so scheint, als ob die Informatik den anderen Bereichen den Takt vorgibt."

Mittel gegen Oberflächlichkeit

Bei der schnell aufkommenden Frage: "Was hat ein Ingenieur davon?" wird Konrad Osterwalder grundsätzlich: Technikgeschichte könne Studierenden die Augen dafür öffnen, "dass der Mensch nicht - oder nur zum Teil - der homo oeconomicus ist, als den ihn ein oberflächliches Bewusstsein von Technik definiert."

Aus der Sicht von Peter Marti, ETH-Professor für Baustatik und Konstruktion und gleichzeitig Präsident der Gesellschaft für Ingenieurbaukunst, sind neuere Entwicklungen gerade in der Architekur und im Ingenieurwesen nur zu verstehen, wenn sie historisch betrachtet werden. "Wir möchten, dass unsere Studierenden sich vermehrt mit Technikgeschichte auseinandersetzen", so Marti. "Ich denke da zum Beispiel an den Betonbau: dieser hat eine rund 100-jährige Geschichte. Von Pionieren wie dem Schweizer Robert Maillart (1872-1940) können heutige Studierende immer noch viel lernen." Von der stärkeren Positionierung der Technikgeschichte erhofft Marti sich eine Anregung des Dialogs zwischen technischer Anwendung und deren Reflexion: "Das braucht die ETH unbedingt."

Langes Warten auf die Aufwertung

Die bevorstehende Umwandlung der Technikgeschichts-Assistenzprofessur in ein Ordinariat ist laut Rektor Konrad Osterwalder "ein sehr alter Wunsch" von grossen Teilen der ETHZ, mit dem man sich schwer getan habe. "Ich hoffe, dieses Kolloquium zeigt, dass es ein grosses Angebot an interessanten Projekten und auch Personen in diesem Bereich gibt." Die heutige Veranstaltung zum Stand der Dinge in dieser Wissenschaft ist öffentlich. Aus Dresden kommt Karin Zachmann, die zum Selbstbild des Ingenieurwissenschfters an deutschen Hochschulen nach den Weltkriegen spricht. Der Münchner Helmuth Trischler vergleicht die Innovationskulturen in der Schweiz und Deutschland; Hans-Liudger Dienel aus Berlin wirft einen Blick auf das Wissensmanagement von Ingenieuren seit 1850. Govindan Parayil, Hongkong, nimmt den technologischen Wandel zwischen "grüner" und "Gen-Revolution" ins Visier. Und David Gugerli, Assistenzprofessor für Technikgeschichte an der ETH Zürich, referiert zum gesellschaftlichen Lernprozess in bezug auf die Kommunikationstechniken und zwischen 1960 und 1985.

Das Kolloquium Technikgeschichte findet heute statt im Hauptgebäude ETH Zentrum; 10.15 bis 12.00 Uhr: Hörsaal D5.2; 13.15 bis 16.00 Uhr: Hörsaal E1.1. Weiterführende Informationen zur Technikgeschichte an der ETH: www.tg.ethz.ch/




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