ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 29.05.2002 06:00

Polit-Podium an der ETH
Gefahr aus dem Internet?

Heute Abend diskutieren vier Experten über Gefahren aus dem Cyberspace. ETH Life sprach mit einem der Teilnehmer, dem ETH-Informatikprofessor Ueli Maurer, über Verschlüsslungsverfahren, Wirtschaftsspionage, den gläsernen Menschen und das Microsoft-Monopol.

Mit Professor Ueli Maurer sprach Richard Brogle

Ist die Privatsphäre im Internet gefährdet?

Die Informationstechnologie birgt ein enormes Potenzial für ungeahnte Veränderungen der Gesellschaft - Chancen wie Risiken. Während man bei der Nuklearenergie und der Gentechnologie Gefahren erkannt hat, beginnt man heute bei der Informationstechnologie diese wahrzunehmen. Es ist aber grundsätzlich eine ähnliche Bedrohung. Der Begriff der Identität einer Person wird neu definiert werden. Aber die Privatsphäre ist nur ein Gebiet, das durch den Cyberspace bedroht wird.


Polit-Podium

Heute Abend findet an der ETH ein Polit-Podium unter dem Titel "Gefahr aus dem Cyberspace. Gibt es eine Privatsphäre im Internet?" statt. Teilnehmer sind Prof. Ueli Maurer, ETH Zürich, Bruno Baeriswil, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich, Andreas Müller-Maguhn, Hacker und ICANN-Botschafter und Stefan Marti, Media Lab des MIT. Diskussionsleiter ist Philipp Löpfe, Chefredaktor des Tages Anzeiger. Die Veranstaltung findet von 19:00 Uhr bis ca. 20:30 Uhr im ETH Hauptgebäude, Audimax F 30 statt. Der Eintritt ist frei.



Wo liegen die Gefahren für den Einzelnen?

Die Informationsspuren einer Person werden heute umfassend gespeichert. Solange all diese Informationen nicht verknüpft werden, ist dies noch nicht bedrohlich. Die Rolle des Datenschutzes besteht darin, die Verknüpfung dieser Daten zu regeln. Werden alle diese vorhandenen Daten verknüpft, so können beliebige Rückschlüsse auf eine Person gezogen werden. Strafverfolgungsbehörden werden so in wenigen Jahren der Lage sein, Verbrechen aufzuklären, die sie sonst nie aufgeklärt hätten. Daraus entwickelt sich dann die politische Frage: sollen alle diese Daten ausgewertet werden? Daher möchte ich auch das Wort "Gefahren" relativieren. Es hat zwei Aspekte: Neben der Gefahr einer Orwell'schen Totalüberwachung ergeben sich auch Chancen für eine sicherere Gesellschaft. Diese Abwägung ist ein brisantes Thema.

Ueli Maurer
Ueli Maurer ist Professor für Theoretische Informatik der ETH Zürich. gross

Wie könnte man die Privatsphäre im Internet besser schützen?

Ein Ansatz besteht darin, die Überwacher genauer zu überwachen, ganz nach dem Motto "Watch the watchers". Das könnte beispielsweise bedeuten, dass in der Überwachungszentrale der Polizei auch eine Überwachungskamera steht, so dass man sehen kann, wen und wo sie überwacht. Es wird nicht geheim evaluiert, sondern öffentlich. Das zeigt, dass die neue Technologie nicht nur Gefahren sondern auch neue Kontrollmechanismen und somit eine grössere Transparenz bringen kann. Es ist wichtig, dass die Diskussion über Vor- und Nachteile der Informationstechnologie gestartet wird. Mit dem Symposium "Privacy and Security", das ich jedes Jahr organisiere und das unter anderen von der ETH gesponsert wird, versuchen wir, die Gesellschaft für diesen Problemkreis zu sensibilisieren.

In Ihrem Referat am Dolder-Meeting erwähnten Sie die Preisdiskriminierung durch Verlust der Privatsphäre. Was muss man sich darunter vorstellen?

Es ist denkbar, dass in Zukunft der Preis einer Schokolade im Supermarkt nicht mehr für alle Kunden der selbe ist. Bei Flugtickets kennen wir dies heute schon. Wer am gleichen Tag zurückfliegt, zahlt häufig viel mehr als jemand, der übers Wochenende bleiben kann. Bei der Schokolade wird aber für alle noch der gleiche Preis angezeigt.


weitermehr

Ueli Maurer
Ueli Maurer: "Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass der Kunde fordert und die Industrie liefert." gross

Das muss aber nicht für immer so bleiben. Es ist denkbar, dass je nach Person, die vor dem Regal steht und erkannt oder zumindest in eine Kategorie eingeordnet wird, ein anderer Preis angezeigt wird. Das dreht uns heute den Magen um und wir würden sagen: "das akzeptiere ich nicht, das ist ungerecht." Aber vielleicht akzeptiert es die Kundschaft, weil sie damit leben gelernt hat.

Droht eine Gefahr für die Privatsphäre durch globale Abhörsysteme wie Echelon?

Die Geheimdienste, vor allem der amerikanische, sind sehr aktiv. Die USA sind in der Lage, den weltweiten E-mail Verkehr, Telefongespräche und Faxverbindungen abzuhören. Man muss davon ausgehen, dass abgehört, ausgewertet und zum Teil aufgezeichnet wird, was nicht verschlüsselt ist. Dies geschieht natürlich nicht wie früher durch Menschen mit Kopfhörern, sondern durch ausgeklügelte Software. Man kann argumentieren, Geheimdienste hätten einen legitimen Auftrag, und die Terrorakte haben dies klar gemacht, aber es bestehen Indizien, dass die Information auch zur Wirtschaftsspionage verwendet wird. In den USA wird auch diskutiert, ob die Installation von Programmen legal sei, die heimlich Daten über das Internet versenden. Vielleicht wurde bereits ein Virus verbreitet, der kein grosses Aufsehen erregte, weil er vordergründig keinen Schaden anrichtet, aber Passwörter und andere vertrauliche Daten unbemerkt versendet.

Bedeutet dies, dass nur Software eingesetzt werden soll, von der man den Quellcode kennt?

Das ist eine extreme Frage. Aber zugegeben: "Open-Source" ist ein wichtiges Stichwort. Open-Source-Programme bringen nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch mehr Zuverlässigkeit. Aber Open-Source ist nicht einfach die Lösung. Erstens müssen Programme so dokumentiert sein, dass man den Code nachvollziehen kann und zweitens sind nur wenige Leute in der Lage, die Verschlüsslungsalgorithmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass der Kunde fordert und die Industrie liefert. Bei den Microsoft-Produkten haben wir eine Monopolsituation. In diesem Bereich wird konsumiert, was geliefert wird. Solche Monopolsituationen sind eines der grossen Probleme der IT-Branche. Dieses Monopol kann aber nur durch gesetzliche Vorschriften oder durch Druck von grossen Anwendervereinigungen gebrochen werden. Aber diese Vereinigungen gibt es heute noch nicht in genügend starker Form.


Zur Person Ueli Maurer

Ueli Maurer ist ordentlicher Professor für Informatik am Institut für Theoretische Informatik der ETH Zürich und Leiter der Forschungsgruppe für Informationssicherheit und Kryptographie. Schwerpunkte seiner Forschung sind Informationssicherheit und Kryptographie, Sicherheit in verteilten Systemen und Datennetzen, digitale Zahlungssysteme, Electronic Commerce, Informationstheorie, Diskrete Mathematik und Theoretische Informatik. Er ist seit letzter Woche designierter Verwaltungsrat der TA-Media.




Literaturhinweise:
Symposium on Privacy and Security Symposium on Privacy and Security



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!