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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 15.01.2001 06:00

Vieles ist noch ungeklärt, einige Fakten aber sind klar.
Uran-Munition: Gefahr droht nur vom Staub

Um es gleich vorwegzunehmen: auch in diesem Artikel werden Sie keine abschliessende Aussage finden, ob die Uranmunition für die Leukemiefälle bei Soldaten auf dem Balkan verantwortlich ist. Zu viel ist noch unbekannt. Aber einige Fakten sind klar. Diese werden anhand der Klärung einiger Missverständnisse zusammengefasst.

Von Richard Brogle

1. Missverständnis: Uran ist stark radioaktiv.

Im Gegenteil. Uran ist unter den radioaktiven Materialien ein Leichtgewicht. Während das Jod 131 eine Aktivität von 4'598'000'000'000'000 Bq/g aufweist, so liegt die Aktivität von abgereichertem Uran inklusive Zerfallsprodukte bei lediglich 40'000 Bq/g. Die Einheit Becquerel gibt an, wie viele Zerfälle pro Sekunde stattfinden.

Uran strahlt demnach rund elf Zehnerpotenzen schwächer als das Jod 131.

2. Missverständnis: Uran wird nur von Kernkraftwerken und Militärs genutzt.

Auch an ganz anderen Orten wird abgereichertes Uran wegen seiner hohen Dichte und seines niedrigen Preises verwendet. Grossraumflugzeuge verwenden beispielsweise abgereichertes Uran als Ausgleichsgewichte in den Steuerklappen. Die ersten Boing 747 enthielten je 1,5 Tonnen abgereichertes Uran. Aber auch bei Rennjachten wird es im Kiel eingesetzt. Da es bei gleicher Schichtdicke gegen radioaktive Strahlung etwa fünf mal besser als Blei abschirmt, kommt es in Behältern für abgebrannte Brennstäbe aus Kernkraftwerken zum Einsatz.

3. Missverständnis: Kritisch sind in erster Linie die festen Munitionsreste.

Die festen Munitionsreste stellen nicht die grösste Gefahr da. Die Strahlung ist vergleichsweise schwach (vgl. 1. Missverständnis). In einigen Metern Entfernung ist die vom abgereicherten Uran herrührende Strahlung wesentlich geringer als die natürliche Strahlung und kaum mehr messbar.

Kritisch ist allenfalls der Uranoxid-Staub, der vor allem durch die Lunge oder durch Verletzungen in den Körper gelangen kann. Gemäss Prof. Würgler vom Toxikologischen Institut der ETH Zürich sind Arbeiter, die beim Abbau von Uran mit hohen Dosen von Uranstaub in Kontakt gekommen sind, auch überdurchschnittlich häufig an Lungenkrebs erkrankt. Eine erhöhte Leukämie-Anfälligkeit sei bis jetzt in keiner Studie gezeigt werden können.

Christoph Wirz vom AC-Laboratorium Spiez weist in seiner Arbeit zum abgereicherten Uran darauf hin, dass die chemische Toxizität von Uran zu einem Nierenversagen führen kann, wenn dieses in Staubform und in entsprechender Menge in den menschlichen Körper gelangt. Wenn ein längerer, direkter Hautkontakt mit uranhaltigen Munitionsresten vermieden wird, so sei die radioaktive Belastung durch feste Munitionsreste gegenüber den natürlichen Strahlenquellen zu vernachlässigen.


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Flugzeug
Kriegsflugzeuge verschossen Munition mit abgereichertem Uran

4. Missverständnis: Leukämie tritt sofort nach der Strahlenbelastung auf.

Der Fall Tschernobyl hat gezeigt, dass die meisten Opfer erst Jahre nach der Belastung erkranken. Jürg Marti vom Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Strahlenschutz: "Die Latenzzeit bei Leukämie wird im schlechtesten Fall mit ca. fünf Jahren angenommen, liegt aber eher zwischen fünf und zehn Jahren. Im Fall Tschernobyl sind die Leukämien bis jetzt gegenüber der Spontanrate nur leicht erhöht, zeigen aber keine signifikante Abweichung." Daher können Untersuchungen zum heutigen Zeitpunkt noch keine abschliessenden Aussagen über die Gefährlichkeit der Munition liefern, erst Langzeitstudien würden dies erlauben.

5. Missverständnis: Auch die Schweiz verwendet gefährliche, panzerbrechende Munition.

Zur Bekämpfung von gepanzerten Fahrzeugen werden Geschosse aus Schwermetall eingesetzt. Wird abgereichertes Uran verwendet, welches neben der erwünschten hohen Dichte auch eine brandfördernde Wirkung hat, verbrennt ein Teil des Metalls zu Uranoxid. Der entstehende Staub ist giftig und radioaktiv und sollte keinesfalls eingeatmet werden. Aus diesen Gründen wurde in der Schweiz schon vor Jahrzehnten darauf verzichtet, panzerbrechende Geschosse auf der Basis "abgereichertes Uran" zu entwickeln oder zu beschaffen.

In der Schweiz stellt die Oerlikon Contraves Pyrotec AG, ein Tochterunternehmen der Rheinmetall DeTec AG, panzerbrechende Munition her. Der Geschäftsführer Rudolf Flückiger weist aber darauf hin, dass man auf die Entwicklung von Uran-Munition verzichtet habe. "Die Toxizität und die Radioaktivität hätten weder eine Prüfung noch eine Fertigung erlaubt". Anstelle von Uran verwendet die Oerlikon Contraves Pyrotec AG das ungiftige und nicht radioaktive Wolfram, das beispielsweise als Glühbirnendraht zur Anwendung kommt und in jedem Haushalt anzutreffen ist.

Eine aktuelle Stellungnahme zur Uranproblematik von Rudolf Flückiger, Chef der zu Oerlikon Contraves gehörenden Munitionsfabrik, finden Sie in ETH Life unter: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/Uran.html


Literaturhinweise:
Informativer Bericht über abgereichertes Uran vom AC-Laboratorium Spiez - auch für Laien interessant: www.vbs.admin.ch/internet/gr/ACLS/d/acls_aktuell/hintergrundinformationen/depleted_uranium/index.htm



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