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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.11.2005 06:00

ETH Visionen: Tag der Nobelpreisträger
Das Unerwartete interessiert

Am Tag der Nobelpreisträger blickten sieben ausgezeichnete Forscher auf ihre Karriere zurück. Lebhaft, offen und mit einer gesunden Portion Humor zeigten sie auf, wie sie damals den wissenschaftlichen Durchbruch schafften.

Von Felix Würsten

Die zweite Hälfte des gestrigen ETH-Visionstages war den Nobelpreisträgern gewidmet. Sieben Preisträger – sozusagen der "Nobelpreisrat" der Schweiz, wie der Moderator Roger de Weck meinte – erzählten, für welche Arbeiten sie den Nobelpreis erhielten und welche Erfahrungen sie in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn gemacht haben.

Wünsche an die junge Generation

Werner Arber (Medizin, 1978) blickte als erster Referent auf 50 Jahre gentechnische Forschung zurück. Er zeigte auf, welche molekularbiologischen Grundlagen die heute heiss diskutierte Gentechnik erst möglich machen. Diese bediene sich der gleichen Mechanismen, wie sie auch in der Natur vorkommen. Viele Evolutionsbiologen, so Arber, würden dies zuwenig bedenken. Es gehe darum, den Darwinismus auf eine molekulare Ebene hinunter zu brechen. Würde man, so argumentierte Arber, die Basenabfolge der DNA in Buchstaben übersetzen, so würde das Genom eines höheren Lebewesens weit über 1000 dicke Bücher füllen. Bei einem gentechnischen Eingriff würden im Vergleich dazu jeweils nur einige Zeilen bis Seiten von einem Werk ins andere übertragen.

Heinrich Rohrer (Physik 1986), sprach im Gegensatz zu Arber nicht über seine eigene Arbeit, sondern wandte sich in einer launigen Rede mit Wünschen an die nachkommende Generation. Die jungen Wissenschaftler müssten heute viel grösseren Anforderungen gerecht werden. Es gelte, ein immer komplexeres Instrumentarium zu beherrschen, und die Informationsflut habe inzwischen beängstigende Ausmasse angenommen. Jeder Nachwuchsforscher, so Rohrers erster Wunsch, sollte sich bewusst werden, was er leisten könne und wolle, und nicht nur, was er werden wolle. Er empfahl auch, sich durch Schlagwörter wie "innovativ", "nachhaltig" oder "transdisziplinär" nicht vom eigentlichen Kerngeschäft ablenken zu lassen. Den jungen Forschern wünscht Rohrer zudem ein entspanntes Verhältnis zu Politik und Wirtschaft, ohne dabei aber den elitären Anspruch, den sie als Wissenschaftler haben, preiszugeben. Und schliesslich, nicht ganz unwichtig, sollten die Jungen ob der vielen Arbeit den Spass im Leben nicht vergessen.

Mut für das Neue

Karl Alexander Müller (Physik 1987), zeichnete in seinem Referat die Entdeckung der Supraleitung nach. Auch in diesem Fall brachten Zufälligkeiten die Forscher auf die richtige Spur. Nachdem man zuerst nur Metalle untersuchte, gelang Müller zusammen mit Georg Bednorz der Nachweis, dass auch Oxide Supraleiter sein können. Die Forschungen sind inzwischen ins Stocken geraten, gelingt es doch seit einigen Jahren nicht mehr, die magische Sprungtemperatur weiter zu steigern. Für Müller ist deshalb klar, dass weitere Fortschritte nur mit neuen Verbindungen möglich sind. Müller hielt seine Forschungen lange geheim, unter anderem auch, weil er seinen Vorgesetzten nicht zutraute, dass sie den Mut für das Betreten von derart unbekanntem Gelände aufbringen würden.

Georg Bednorz, der den Nobelpreis damals zusammen mit Müller erhielt, erzählte nach der Pause, wie es zum wissenschaftlichen Durchbruch kam. Seine ersten Kontakte mit der Schweizer Forschungslandschaft erlebte der Deutsche bereits als Student, als er am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon an seinem Diplom arbeitete. Seine Dissertation an der ETH befasste sich dann mit speziellen Kristallstrukturen. Das Thema mutete damals eher altmodisch an, bot aber dennoch interessante Fragestellungen. Später, als Bednorz wieder in Rüschlikon arbeitete, waren es just diese Strukturen, welche den sensationellen Durchbruch brachten. Zusammen mit Müller konnte Bednorz den ersten keramischen Hochtemperatur-Supraleiter herstellen. Dies löste in der Schweiz innert kürzester Zeit eine rege Forschungstätigkeit in diesem vielversprechenden Forschungsgebiet aus.

Ironische Distanz

Richard Ernst (Chemie 1991) mochte im Gegensatz zu seinen Vorrednern nicht über sich selbst sprechen. Vielmehr erzählte er den Zuhörern aus dem Leben seines Kollegen Felix Pech, dessen Werdegang Ernst in locker-ironischer Manier nachzeichnete. Felix Pech – alias Richard Ernst – sei ein mittelmässig begabter Schüler gewesen, und auch als Forscher schien er lange Zeit nicht besonders talentiert zu sein. Erst als Pech in den USA als Ingenieur arbeitete, begann er aufzublühen. Obwohl Pech viele Ideen von anderen Forschern übernommen hat und seine Mitarbeiter eigentlich viel kreativer waren, wurde er immer wieder mit Preisen ausgezeichnet. Penetrant empfindet Ernst an seinem Freund Pech, dass dieser immer wieder von "Verantwortung" rede und sich kritisch zu gesellschaftspolischen Themen äussere.


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Die illustre Runde der Nobelpreisträger bei der abschliessenden Diskussion. gross

Mit viel Ironie blickte auch Rolf Zinkernagel (Medizin 1996) auf sein Werk zurück. Die Chance für einen jungen Forscher, einen wissenschaftlichen Durchbruch zu erreichen, sei im besten Fall 1 zu 1000. Er sei überzeugt, dass die meisten Wissenschaftler zuwenig intelligent seien, wichtige Fragen zu stellen, die man auch beantworten könne. Deshalb brauche es, um Erfolg zu haben, etwas Glück und vor allem viel Geduld. Zinkernagel zeigte auf, wie er die Immunabwehr von Lebewesen mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mäusen untersuchte. Immer wieder erlebte er dabei, wie die ursprüngliche Lehrmeinung in den Experimenten widerlegt wurde. Gerade das Unerwartete sei interessant, meinte Zinkernagel, und es sei entscheidend, dies als Forscher auch zu erkennen. Wahrscheinlich, so resümierte Zinkernagel, sei nur die Hälfte von dem, was wir wissen, richtig. Das Problem sei nur, dass wir nicht wissen, welche Hälfte es ist.

Die Latte überqueren

Kurt Wüthrich (Chemie 2002) erläutere zum Abschluss, für welche Leistung er den Nobelpreis erhielt. Ihm gelang es, die NMR-Methode so weit zu verbessern, dass damit die dreidimensionale Struktur von Proteinen in wässriger Lösung untersucht werden kann. Dies hat das Bild, das man sich von Proteinen macht, grundlegend verändert. Als Wüthrich nach acht Jahren Arbeit den Durchbruch schaffte, wurde das Resultat in der Fachwelt anfänglich skeptisch aufgenommen. Das sei immer so, wenn jemand einen grösseren Forschritt erzielt habe, meinte Wüthrich lakonisch. Als ehemaliger Sportlehrer war er jedoch überzeugt, dass er – wie man im Hochsprung sagen würde – die Latte überquert hatte. Im Sport habe er gelernt, quantitative Urteile zu fällen und zu entscheiden, ob eine Leistung genüge oder nicht. Dieses Leistungsdenken sollte seiner Ansicht nach in den Schulen wieder stärker vermittelt werden. Den jungen Forschenden empfahl Wüthrich, für längere Zeit ins Ausland zu gehen, und zwar so lange, bis man sich dort auf einem vernünftigen Niveau etabliert habe. Wüthrich ist auch nach seiner Pensionierung als Forscher aktiv – nicht als Coach seiner Mitarbeiter, versteht sich, sondern als engagierter Spielertrainer.


Groupe de Réflexion: Fazit zum "Tag der Nobelpreisträger"

Ein Nobelpreis ist ein Extremereignis. Was zeichnet die Nobelpreisträger aus?

auflistungszeichen Nobelpreisträger verfügen über einen eisernen Willen und Mut zum Risiko.
auflistungszeichen Sie lassen sich von Neugier und Besessenheit leiten.
auflistungszeichen Sie haben eine hohe Frustrationstoleranz und scheuen sich nicht, gegen den Strom zu schwimmen.
auflistungszeichen Sie überwinden Grenzen und suchen das Unerwartete.

• Die ETH hat Klima, Kultur und Freiräume so zu schaffen, damit auch Nobelpreise möglich sind.

• Brilliante WissenschaftlerInnen lösen in der Öffentlichkeit zuweilen Angst und Verehrung aus. Nobelpreisträger erhalten nur Verehrung.






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