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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.12.2000 06:00

ETH-Mathematiker stellen Weltrekord auf
Prozessoren malochten 100 Tage

18 Primzahlen, schön dicht beeinander, und das im Bereich von 3 mal 10 hoch 24: Was als reine Spielerei daherkommt, lässt jedes echte Mathematiker-Herz höher schlagen. Und es bedeutet eine Art von neuem Weltrekord, aufgestellt an der ETH Zürich mit Hilfe von 450 Prozessoren. In einer eindeutig nicht-olympischen Disziplin.

Von Roman Klingler

Zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache, bei Zahlen mit 25 Stellen nach irgendwelchen Gesetzmässigkeiten respektive Unregelmässigkeiten zu suchen. Jörg Waldvogel, ETH-Professor für Angewandte Mathematik, ist fasziniert davon.

"Primzahlen sind geheimnisvoll, Mathematiker haben sich seit Jahrhunderten damit beschäftigt", sagt er gegenüber ETH Life. Lange Zeit war die Suche nach Primzahlen mit dem Dünkel behaftet, ein reines Spielzeug von zahlenverliebten Professoren zu sein. So wie unsereiner halt Primeln sammelt im Frühling, sammeln Mathematiker Zahlen, die sich nur durch sich selber teilen lassen.

Nun hat man vor rund 30 Jahren herausgefunden, dass sich mit Primzahlen hocheffiziente Verschlüsselungstechniken entwickeln lassen. Kompliziert blieb es, aber es war von konkretem Nutzen. Mit dem Internet-Boom und der damit gestiegenen Nachfrage nach sicheren Verschlüsselungstechniken ist unter berufsmässigen und hobbymässigen Mathematikern ein regelrechter Wettbewerb entbrannt. Wer findet die grösste Primzahl, wer entdeckt eine neue Unregelmässigkeiten in der Primzahlenverteilung....

Eine Zahl mit 25 Ziffern

Jörg Waldvogel und der promovierte ETH-Informatiker Peter Leikauf wollten es ebenfalls wissen. Zwischen 13 und 83 gibt es 18 Primzahlen. Wann kommt dieses 18er-Muster das nächste Mal vor? - Um dieses sogenannte 18er-Cluster ein zweites Mal zu finden, muss man weit, weit gehen. Eben 3 mal 10 hoch 24.

Um eine vage Vorstellung zu haben, was diese Zahl bedeutet, holt der ETH-Professor zum Vergleich aus: Es gibt rund 6 Milliarden Menschen auf unserer Erde. Jeder Mensch hat eine unvorstellbare Zahl von 10 hoch 14 Zellen in sich (das ist eine eins mit 14 Nullen!). Nimmt man alle Zellen aller Erdenbewohner zusammen, kommt man in etwa in den Bereich, in dem sich die Waldvogelschen Berechnungen bewegen. Das ist eine Zahl mit 25 Ziffern!!

Primzahlen von Waldvogel
18 Primzahlen innerhalb von nur 71 Zahlen: 100 Tage Rechenarbeit.


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Jvrg Waldvogel, ETH-Professor
ETH-Professor Jörg Waldvogel: Wir werden den Rekord eine Weile halten können. gross

Kein Eintrag im Guinness-Buch

Die eigentliche Rechenarbeit erledigten 450 einzelne Prozessoren, die, untereinander verbunden, an einem zentralen Ort an der ETH während 100 Tagen alle Zahlen nach diesem 18er-Muster abklopften. Am 13. November war es soweit: die ETH-Mathematiker hatten die "Nadel im Heuhaufen" gefunden. 18 Primzahlen, schön dicht beieinander, im Bereich von 3 mal 10 hoch 24. Konkret: auf 71 aufeinanderfolgende Zahlen fand man 18 Primzahlen. Alle haben sie 25 Ziffern, nur die letzten zwei Stellen unterscheiden sich. Heureka!

Das ist Weltrekord (!), denn bisher hatte man bloss 17 Primzahlen nachweisen können. "Ich denke, wir haben gute Chancen, diesen Rekord eine Weile zu behalten, denn 19 dichtgedrängte Primzahlen nachzuweisen, bedeutet einen 300fachen Aufwand", meint "Weltrekordhalter" Jörg Waldvogel. Er zweifle allerdings, ob das Guinness Buch der Rekorde eine Primzahlenseite führe. Und auch keinen Nobelpreis für Mathematik gebe es, meint der ETH-Professor scherzhaft.

Gab es wenigstens Champagner für die Mathematiker an diesem 13. November? - Noch nicht, das werde aber nachgeholt. Und die Rechner, die 100 Tage malochten, wie belohnt Mathematiker Waldvogel die modernen Sklaven? - Ganz einfach, "indem man sie mit einem neuen Rechenproblem füttert."


Zur Person

Jörg Waldvogel ist zurzeit als wissensch. Adjunkt auf dem Gebiet der angewandten Mathematik am Seminar für Angewandte Mathematik (SAM) tätig. 1985 wurde er zum Professor ernannt. Seit 1989 leitet er die Beratungsgruppe für Numerik und Ingenieurmathematik der ETH Zürich. Geboren am 24. Februar 1938, von Stein am Rhein SH, studierte er an der Abteilung für Mathematik und Physik der ETHZ. Danach doktorierte er am Institut für Angewandte Mathematik über ein Thema der Himmelsmechanik.




Literaturhinweise:
Mehr Informationen zu den Primzahlen-Tuplets sind zu finden unter: http://www.ltkz.demon.co.uk/ktuplets.htm
Die Seite zum "Beowulf-Projekt" ist zu finden unter: http://www.asgard.ethz.ch



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