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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.05.2004 06:00

"Wissenschaft kontrovers" zum Thema Nanotechnologie
Was ist an Nano kontrovers?

Am Montag stand das Thema "Nanotechnologie" auf dem Programm der Reihe "Wissenschaft kontrovers". Trotz einigen durchaus interessanten Voten verlief die Debatte alles andere als kontrovers.

Von Felix Würsten

Der Nanotechnologie wird gemeinhin eine grosse Zukunft vorausgesagt. Die Herstellung, Anwendung und Beherrschung von winzig kleinen Partikeln und Strukturen eröffnet ungeahnte technische und wirtschaftliche Perspektiven – und weckt gleichzeitig auch Ängste. Grund genug also, sich im Rahmen der Reihe "Wissenschaft kontrovers" (1) mit dem Thema auseinander zu setzen. "Ist nun alles nano? – Phantastische Visionen versus nüchterne Forschungspraxis" lautete die Ausgangsfrage des Abends. Anlass zu Kontroversen bot sie allerdings kaum.

Ohne "Vision" kein Geld

Das liegt vielleicht daran, dass die im Untertitel suggerierte Alternative gar nicht besteht. Allein schon die Verwendung des Begriffs "Nanowissenschaft" zeige, dass wir die Alternative längst aufgeben hätten, meinte etwa der Wissenschaftsphilosoph Alfred Nordmann von der TU-Darmstadt. Denn hinter dem nüchternen Begriff verberge sich eine visionäre Idee. Dem wurde von verschiedener Seite indirekt zugestimmt. Wer heute Forschungsgelder erhalten will, muss fast zwangsläufig "Visionen" entwickeln, um überhaupt beachtet zu werden. Zu sagen, man wolle einfach kleine Strukturen untersuchen, reicht da nicht mehr aus.

Die Frage, inwieweit Nanotechnologie tatsächlich visionär ist, war denn auch ein Hauptthema des Abends. Während etwa Louis Schlapbach, Gesamtleiter der EMPA, überzeugt ist, dass die heutige Nanotechnologie Ausdruck einer kontinuierlichen Entwicklung hin zu immer kleineren Strukturen darstellt, bezeichneten andere diese Technologie als durchaus "revolutionär". Die in der makroskopischen Welt gültigen Gesetze lassen sich nicht beliebig auf kleine Strukturen übertragen. Wer in die kleinsten Bereiche vorstösst, sieht sich auf einmal mit völlig anderen Spielregeln konfrontiert. Gerade die Tatsache, dass in ganz unterschiedlichen Disziplinen neuartige Phänomene auftreten, mache den besonderen Charakter der Nanotechnologie aus, wurde argumentiert.

Experten als Laien

Die disziplinäre Vielfalt ist nach Ansicht von Daniel Erni, Leiter der Communication Photonics Group an der ETH Zürich, auch ein wichtiger Punkt, warum es rund um die Nanotechnologie so viele Spekulationen gibt. Auch Wissenschaftler, die sich mit kleinen Strukturen beschäftigen, sind Amateure, wenn sie sich allgemein über Nanotechnologie äusseren. Denn sie wissen gar nicht genau, was ihre Kollegen in den benachbarten Disziplinen machen. In ihrem eigenen Fach sehen sie die Grenzen und Möglichkeiten der Nanotechnologie durchaus nüchtern; doch von den anderen Disziplinen erwarten sie grossartige Durchbrüche.


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Die Teilnehmer des Kontroversenabends bei der üblichen "Drink and Think"-Pause. gross

Laut und frech oder leise und anständig?

"Was ist denn eigentlich so kontrovers an dieser Technologie", fragte denn nicht ganz zu unrecht gegen Ende der Veranstaltung ein Zuhörer leicht frustriert. Viele der fantastischen Prophezeiungen liegen noch in weiter Ferne; und die wichtigsten konkreten kommerziellen Anwendungen sind häufig eher banal. So produziert etwa die Kosmetikindustrie Antifaltencreme mit Nanopartikeln. Warum also nur betrachten so viele diese Technologie als Schlüsselgebiet der Zukunft, warum nur investieren die führenden Industrieländer Milliardenbeträge in diesen Bereich? Liegt es vielleicht daran, dass die Wissenschaftler in diesem Gebiet besonderes laut und frech sind, wie es der begleitende Artikel in der Zeitschrift "Meridian" (2) suggeriert? Genau das jedoch bestritt Hans Joachim Güntherodt, Physikprofessor an der Universität Basel und Leiter des NFS «Nanowissenschaften», dezidiert.

Der grosse "Nanohype" jedenfalls, darin war man sich einig, scheint inzwischen wieder vorbei zu sein - vielleicht auch, weil man inzwischen wieder mehr auf die begriffliche Unterscheidung "Nanotechnologie" und "Nanowissenschaft" achtet. Denn bei vielen Forschungsprojekten geht es (noch) nicht darum, neue Produkte mit fantastischen Eigenschaften zu entwickeln, sondern die grundlegenden Gesetze in dieser fremden Welt zuerst einmal zu verstehen.


Fussnoten:
(1) Homepage der Reihe: www.kontrovers.ethz.ch/
(2) Artikel zum Thema: "Laut sein, frech sein, auffallen!" www.kontrovers.ethz.ch/artikel/nano.xml



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