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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.12.2003 06:00

Abfall wegwerfen im Kino: eine wirksame ETH-Gegenstrategie
Mehr im Eimer

Mit einer zweistufigen Informationsstrategie brachten ETH-Studierende Kinobesuchende dazu, weniger Abfall in den Sälen liegen zu lassen. Die Arbeit zeigt auch, dass eine zweideutige Information, richtig eingesetzt, durchaus erfolgreich sein kann.

Von Christoph Meier

Alles im Eimer? Die Frage spricht an, einerseits weil sie einen persönlichen Aspekt aufweist, andererseits durch ihre Zweideutigkeit irritiert. Die so entstandene erhöhte Aufmerksamkeit nutzten die drei ETH-Studierenden der Umweltnaturwissenschaften, Myriam Baumeler, Rolf Debrunner und Patrick Waibel, erfolgreich aus. Mit einer zweistufigen Informationskampagne beeinflussten sie Kinobesuchende so, dass sie weniger Abfall im Saal liegen liessen. Die Semesterarbeit aus dem Jahre 2001 fasste der Betreuer Ralf Hansmann im Artikel „A Two-step Informational Strategy for Reducing Littering Behavior in a Cinema“ zusammen, die diesen November im Journal „Environment and Behavior“ publiziert wurde (1). Die Untersuchung fand im Rahmen des grösseren Forschungsprojektes „Verhaltenswirksamkeit von Information im Bereich Abfall“ statt, das von Roland Scholz, ETH-Professor für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (2), initiiert wurde.

Abfall bei „Pearl Harbour“

Abfall im Kino, das ist ein Phänomen, das jeder kennt. Die Filmsäle sind sogar richtige Hotspots des Wegwerfens, also der richtige Ort, um einen Versuch zur Abfallverminderung vorzunehmen. Das dachten auch die Studierenden. Sie suchten also einen Partner in der Branche und fanden ihn im Zürcher-Kino Cinemax. In dieser Mehrfachsaalanlage konnten sie ihren Versuch im grössten, 500 Plätze umfassenden Saal durchführen. Bei 21 Vorführungen des Films „Pearl Harbour“, zählten die Studierenden die Besuchenden und ermittelten nach der Vorführung den von diesen im Durchschnitt liegen gelassenen Abfall. In der Hälfte der Vorführungen gab es aber eine spezielle Information: Vor dem Werbeblock des Films erschien auf der Leinwand der von den Studierenden selber ausgedachte Satz „Alles im Eimer?“, und kurz darauf als zweites Bild ein Piktogramm eines Menschen, der Abfall in einen Eimer wirft. Daneben die Worte: „Danke. Ihr Cinemax-Team“.

Das Ergebnis war kein „Pearl Harbour“ für die Studierenden, sondern ein Erfolg. Mit ihrer zweistufigen Informationsstrategie erreichten sie, dass der durchschnittlich erzeugte Abfall von 25.4 Gramm auf 18.2 Gramm sank, ein signifikanter Unterschied. Die Datenanalyse ergab auch, dass dabei die Grösse des Publikums oder die Vorführungszeit keinen Einfluss hatten. Da im Experiment wegen praktischer Restriktionen nur zwei Bedingungen miteinander verglichen werden konnten, lässt sich nicht definitiv entscheiden, wie stark der Einfluss des ersten zweideutigen Bildes mit der Frage „Alles im Eimer?“ oder derjenige des darauf folgenden Piktogramms für sich alleine stehend jeweils gewesen wäre.


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Dieses Dia erschien als erstes im Kino...

Zweideutigkeit auflösen

Eines geht aber für den Psychologen Ralf Hansmann klar aus der gelungenen Studierendenarbeit hervor: eine zweideutige Information, richtig eingesetzt, kann einen positiven Effekt haben. Das ist insofern interessant, da andere Studien das Gegenteil nahe legen. Diese basierten aber jeweils nur auf einem zweideutigen Informationsschritt. Das ist denn auch der springende Punkt für Hansmann. Wird die Zweideutigkeit nicht aufgelöst, verpufft die durch sie erwirkte erhöhte Aufmerksamkeit. Wird sie aber in einer freundlichen und eindeutigen Information aufgefangen, ist sie möglicherweise besonders wirksam. Ein Indiz dafür sind für Hansmann die immer häufiger zweigeteilten Werbespots. Doch sowohl bei der Werbung wie bei einer Kampagne zur Abfallverminderung braucht eine solche zweistufige Strategie immer wieder neue Ideen. Denn kennt jemand die Auflösung, kommt der Information keine besondere Bedeutung mehr zu. Ohne Kreativität ist nämlich die Zweideutigkeit bald im Eimer.

Dem gedankenlosen Wegwerfen kreativ begegnen will Hansmann mit seinen Studierenden nicht nur im Kino. So sind weitere Arbeiten im Gange beispielsweise beim Recycling von Batterien oder der Zeitungsentsorgung im Tram. Dabei wird unter anderem ausgelotet, wie verschiedene Informationen wirken: Ist befehlend wirksamer als bittend oder sachlich besser als phantasievoll? Da die Studierenden ihre Versuche im Alltag ausserhalb der Hochschule überprüfen, entwickeln sie hierdurch ein Sensorium dafür, was alles möglich ist mit anwendungsorientierter Psychologie. Auch wenn schliesslich nicht alles im Eimer ist, die Arbeiten von Ralf Hansmann helfen, dass immer mehr in den Eimer kommt.

...und wurde mit dieser nachfolgenden Information erklärt.


Fussnoten:
(1) Ralf Hansmann und Roland W. Scholz: „A Two-step Informational Strategy for Reducing Littering Behavior in a Cinema", Enviroment and Behaviour, Vol. 35 No. 6, November 2003
(2) Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften: www.uns.umnw.ethz.ch/uns/index.html



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