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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.04.2004 06:00

Aerosolforschung auf dem Jungfraujoch
Der Kern im Eiskristall

Feinste Teilchen in der Luft, die Aerosole, beeinflussen die Gesundheit des Menschen, aber auch das Klima. Welche Rolle die Schwebeteilchen bei der Wolkenbildung einnehmen, war Thema einer internationalen Messkampagne auf dem Jungfraujoch. Eine Reise zur höchsten Forschungsstation Europas bot Einblick in die Welt der Aerosole.

Von Edith Oosenbrug

Eine halbe Tagesreise von Zürich entfernt und 3000 Meter höher gelegen: Die Hochalpine Forschungsstation Jungfraujoch. Von der Bergstation der Jungfraubahnen führen Tunnels im Fels zu den touristischen Anziehungspunkten: Aussichtsplattformen, Eisgrotte, Restaurants. Eine Abzweigung in diesem Höhlensystem führt zu einer Tür mit der Aufschrift: „Kein öffentlicher Zutritt“. Hier, gut abgeschirmt von den Tausenden von vorwiegend asiatischen Touristen, die täglich den „Top of Europe“ stürmen, liegt das Reich der Forscher.

Umgeben von sauberer Luft

Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch(1) bietet ideale Bedingungen für die Umweltforschung: Aufgrund der Höhenlage befindet sich die Sphinx, der höchste Punkt der Station, während eines Grossteils des Jahres in der freien Troposphäre, also oberhalb der Emissionen des Tieflands. Dies ermöglicht die Erforschung von unterschiedlichen Zuständen einer relativ unbelasteten Atmosphäre.

Wirkung von Aerosolen verstehen

Von Mitte Februar bis Anfang April hat ein internationales Forscherteam im Rahmen der dritten Kampagne „Cloud and Aerosol Characterization Experiment“ – kurz CLACE-3 – in der Forschungsstation gearbeitet.

Die Kampagne leitete Ernest Weingartner vom Labor für Atmosphärenchemie am Paul Scherrer Institut Villigen (PSI)(2). Ziel des Projekts ist es, die Wirkung der feineren Schwebepartikel auf unser Klima und unsere Gesundheit besser zu verstehen. Dabei untersuchen die Wissenschafter die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Aerosolpartikel und ihren Effekt auf die Bildung von Wolkentröpfchen und Eiskristallen.

Eine Plastikhülle als Abbild eines Eiskristalls unter dem Mikroskop. (Bild: Institut für Atmosphäre und Klima, ETH Zürich) gross

Einfluss auf Gesundheit...

Die winzigen Teilchen in der Atmosphäre – sie sind kleiner als ein Tausendstel Millimeter – haben unterschiedlichen Ursprung: Sie können aus Russ, Mineralstaub oder biologischem Material bestehen. Aerosolpartikel haben gesundheitliche Auswirkungen, da sie sich in der Lunge einnisten können und kaum mehr entfernt werden.

... und Klima

Aerosole beeinflussen aber auch das Klima: Dass ein Grossteil der einfallenden Sonnenstrahlung an ihnen reflektiert wird, hat lokal eine Abkühlung der Atmosphäre zur Folge. Einzelne Aerosole absorbieren jedoch Strahlung und tragen so zur Erwärmung bei. Die chemische Zusammensetzung der Teilchen bestimmt, auf welche Weise sie klimawirksam sind. Bei der Wolkenbildung dienen Aerosole als Kondensationskeime. Sind mehr Aerosole in der Luft vorhanden, entstehen mehr, aber kleinere Wolkentröpfchen. Dadurch wird mehr Licht in den Weltraum gestreut, was ebenfalls eine Abkühlung zur Folge hat.

Besonders der indirekte Effekt der Aerosole, die Abkühlung, kann der Erwärmung durch den Treibhauseffekt entgegenwirken. Weingartner warnt aber vor einer Überbewertung: „Dieser Ausgleich findet nur im globalen Mittel statt. Regional bestehen jedoch grosse Unterschiede.“ Ausserdem sei noch unklar, wie gross der Einfluss der Aerosole tatsächlich ist. Dazu sei noch mehr Forschungsarbeit nötig.

Wolke im Labor

Zu diesem Zweck standen für die Messkampagne CLACE-3 eine Serie von Instrumenten auf dem Dach der Sphinx. Dort oben herrscht klirrende Kälte. Doch der Grossteil der wissenschaftlichen Arbeit findet im warmen Innern der Sphinx statt. Es ist ausgefüllt mit Schläuchen und Messinstrumenten, die mit den Apparaturen auf dem Dach verbunden sind.

Die Forscher setzten bei CLACE-3 als Weltpremiere erstmals ein Gerät ein, das Eiskristalle in einem angesaugten Luftstrom von den Wolkentröpfchen und den Aerosolpartikeln trennt und verdunstet.


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Erklären die Einrichtung zum Ansaugen von Aerosolen: Stefan Mertes, IFT Leipzig, und Ernest Weingartner, PSI Villigen. gross

Die Partikel werden anschliessend auf ihre Volumen, Massen und chemische Zusammensetzung hin untersucht. Eine weitere neu entwickelte Methode erlaubt es, mit dem Aussenaerosol im Labor eine künstliche Wolke zu erzeugen. Diese Analysen bringen neues Wissen über die Entstehungsprozesse von Eiskristallen und Wolken.

Plättchen und Nadeln

Auch der „Cloud particle imager“ saugt Eiskristalle aus der Wolke an und fotografiert sie direkt. Dank der Fotos können die Kristalle vermessen werden. Keith Bower von der University of Manchester ist sehr zufrieden mit den Ergebnissen der vergangenen Wochen: „Wir konnten hier die ganze Vielfalt der Formen von Eiskristallen beobachten. Von Graupel über Plättchen oder Nadeln bis zu schönen hexagonalen Kristallen.“ Die Form eines Eiskristalls ist abhängig von den Bedingungen – Temperatur und Wassergehalt der Luft –, die am Ort und zum Zeitpunkt der Entstehung vorherrschen.

So kann der Eiskristalltyp mit den Eigenschaften der Wolke und der Aerosole, die aus den anderen Messungen hervorgehen, verglichen werden. Interessant sei auch die Berücksichtigung der vorherrschenden Windrichtung, sagt Bower. Denn je nach Herkunft der Luftmasse ist eine andere chemische Zusammensetzung der Aerosole zu beobachten.

Eiskristalle aus Plastik

Die ETH Zürich ist mit einem Zusatzprojekt an CLACE-3 beteiligt. Wissenschafter der Gruppe Radarmeteorologie des Instituts für Atmosphäre und Klima (IAC) (3) untersuchen ebenfalls die Morphologie von Eiskristallen – jedoch mit wiederum anderen Methoden: Sie bestreichen Glasplättchen mit einer Plastiklösung, die Schneeflocken nach ihrer Landung umfasst. Die Hülle bleibt nach dem Schmelzen des Kristalls erhalten und ermöglicht dessen Vermessung mit optischen Instrumenten.

Die Daten über Form, Grösse und Masse der Niederschlagsteilchen dienen als Input für Niederschlagsmodelle. Diese helfen, die Prozesse der Niederschlagsbildung besser zu verstehen, wie ETH-Doktorand Raphael Schefold erläutert: „Wir setzen grosse Hoffnung auf das Modell. Mit dessen Ergebnissen können wir meteorologische Radarbilder besser auswerten.“

Synergien nutzen

Die Ergebnisse der Messungen der IAC-Gruppe werden zusammengeführt mit den übrigen Resultaten der CLACE-3-Kampagne. Gerade die Synergien, die sich aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Methoden ergeben, ermöglichen einzigartige Erkenntnisse. Ausführliche Auswertungen aller Messdaten werden erst an den jeweiligen Hochschulen durchgeführt.

Abschied von der Jungfrau

Trotz aller Schönheit der umliegenden eisigen Bergwelt – der Gipfel der Jungfrau nebenan, der Concordiaplatz des Aletschgletschers zu Füssen und ein weiter Ausblick ins Berner Oberland: Mehrere Wochen da oben zu verbringen, ist gewöhnungsbedürftig. Die Höhe lässt jedes Treppensteigen zur Anstrengung werden und abends – nach Abreise der letzten Besucher muten die Verbindungstunnel von der Sphinx zur Unterkunft im Dunkeln recht unheimlich an. So ist es denn auch nicht erstaunlich, dass sich einige Wissenschafter nach Abschluss von CLACE-3 doch freuen, wieder ins Mittelland beziehungsweise in ihre Heimat zurückzukehren.

Für die Messkampagne auf dem Jungfraujoch wurden besondere Instrumente eingesetzt; wie der „Cloud Particle Imager“ der Uni Manchester. gross


Literaturhinweise:
Ein weiterer Bericht zur Aerosolforschung an ETH und PSI wurde am 16.3.2004 in „ETH Life“ publiziert: „Durchblick im Feinstaub“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/aerosolekalberer.html
Website des PSI zur Aerosolforschung: http://aerosolforschung.web.psi.ch
Kalberer, M. et al.: „Identification of Polymers as Major Components of Atmospheric Organic Aerosols“. In: Science, 12 March 2004, 1659-1662.
Henning, S. et al (2004): „Aerosol partitioning in natural mixed-phase clouds“. In: Geophysical Research Letters, Vol. 31, LXXXXX, doi:10.1029/2003GL019025. (in Vorbereitung)

Fussnoten:
(1) Website der Internationalen Stiftung Hochalpine Forschungsstationen Jungfraujoch und Gornergrat (HFSJG): www.ifjungo.ch
(2) PSI-Labor für Atmosphärenchemie: http://lac.web.psi.ch
(3) Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) der ETH Zürich: www.iac.ethz.ch



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