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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.07.2006 06:00

Ringvorlesung "Armut" von Uni und ETH Zürich
Alte Gräben neu ausgehoben

Beseitigen gentechnisch veränderte Pflanzen Hunger und Armut auf dieser Welt? Ein Podium im Rahmen der Ringvorlesung „Armut“ beschäftigte sich am vergangenen Donnerstag mit dieser Frage – und gab vor allem eine Antwort: es kommt darauf an, wem und woran man glaubt.

Peter Rüegg

Keine Annäherung, kein Schliessen der Gräben: Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) spalten die Öffentlichkeit. Die Frage, ob man transgene Pflanzen im Kampf gegen den Hunger in den Entwicklungsländern anbauen darf, ist höchst umstritten. Entwicklungs- und Umweltorganisation sehen mit den GVO vor allem neue Abhängigkeiten und Neokolonialismus gedeihen. Wissenschaft und multinationale Agrokonzerne hingegen betonen, dass es ohne Auffrischung der genetischen Ausstattung nicht mehr geht.

Standpunkte von Anfang an klar

Auch die Podiumsdiskussion „Ist ein Kraut gegen die Armut gewachsen? Gentechnologie als Mittel im Kampf gegen den Hunger“, die im Rahmen der Ringvorlesung „Armut“ von Uni und ETH Zürich am vergangenen Donnerstag durchgeführt wurde, fiel nicht aus diesem Rahmen. Der ETH-Wissenschaftler Philipp Aerni und Klaus Ammann, der Direktor des botanischen Gartens der Universität Bern, beantworteten die Titelfrage zusammengefasst so: Nicht so lange, als Gentech-Befürworter und Gegner in den ideologisch ausgehobenen Gräben sitzen bleiben. Nicht so lange, als die Agro-Multis ein Interesse daran haben, Geld mit transgenen Pflanzen zu verdienen, antwortete dagegen die Swissaid-Mitarbeiterin Tina Goethe.

Ungerechte Verteilung

Grundlegend falsch sei es, Gentechnologie in der Landwirtschaft einzusetzen, um den Hunger zu bekämpfen, sagte Goethe. Hunger sei nämlich nicht das Problem von zu wenigen Nahrungsmitteln. Heute gebe es pro Kopf 20 Prozent mehr Nahrung als noch vor 35 Jahren. Es sei vielmehr eine Frage der Verteilung. Zudem besitze die ländliche Bevölkerung in armen Ländern zu wenig Land, obwohl vier von fünf Menschen in Entwicklungsländern von der Landwirtschaft leben müssten. Und mehr Nahrung heisse nicht automatisch, dass arme Menschen mehr zu essen hätten. Im Gegenteil: die industrielle Massenproduktion senke die Preise, was die Ärmsten am stärksten treffe, da sie an ihren Erzeugnissen noch weniger verdienten. „Gentech-Pflanzen werden für die industrialisierte Welt entwickelt“, sagte Goethe. Kleinbauern in der dritten Welt hätten nur ihre eigene Arbeitskraft. Damit seien sie der grosstechnischen Landwirtschaft unterlegen.

Als Beispiel nannte Goethe den Sojaanbau in Argentinien. „Der Anbau von gentechnisch veränderter Soja hat die landwirtschaftlichen Strukturen völlig umgekrempelt.“ 60'000 Kleinbauern hätten ihre Existenz verloren. Denn dank der transgenen Sojapflanzen habe sich die industrielle Landwirtschaft durchgesetzt. Um 500 Hektaren zu bewirtschaften, sei gerade noch eine Person nötig. Auch ökologisch sei es eine Katastrophe. „Da gibt es keine Vögel mehr, alles ist weggespritzt“, so die Hilfswerk-Mitarbeiterin.

Amish pflanzen GVO

„Ich bin weder Befürworter der Gentechnologie noch ein Gegner der Bioproduktion“, meinte Klaus Ammann, Direktor des Botanischen Gartens Bern. Er forderte aber „ein Zusammengehen von Biotechnologie und Biobauern.“ Der Grabenkrieg fruchte nichts. Es gebe hunderte von Studien, die beweisen würden, dass Gentech-Pflanzen die Umwelt entlasten, wenn sie richtig eingeführt werden. Selbst Teile der konservativen Amish in USA würden heute transgene Pflanzen anbauen. „Trotzdem sind sie Biobauern geblieben.“

Selbst heutige Kulturpflanzen seien nicht mehr natürlich. Weizen besitze die Genome von drei verschiedenen Pflanzen, Mais sei diesbezüglich ebenfalls monströs, sagte der streitbare Botanik-Professor. Es sei Zeit, die Gentechnik zu demystifizieren. "Da passieren die gleichen molekularen Prozesse wie in der Natur", so Ammann.


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Griff Nichtregierungsorganisationen frontal an: Klaus Ammann, Direktor des Botanischen Gartens Bern. gross

Auch Philipp Aerni vom Center for Comparative and International Studies der ETH sieht in GVO eher einen Rettungsanker als eine Gefahr. Maniok zum Beispiel gehöre zu den Grundnahrungsmitteln in Zentralafrika. Dessen Vermehrung durch Zucht sei schwierig, durch Stecklinge aber einfach. „Das ist im Prinzip Klonen.“ Dadurch habe sich aber in vielen Landstrichen Afrikas genetisch einheitliches Pflanzenmaterial durchgesetzt, was sich nun negativ auswirke. Die Pflanzen seien anfälliger für Schädlinge. Durch die genetische Erosion sei der Ertrag auf acht Tonnen pro Hektare gesunken. Mit einer einfachen Biotech-Methode sei es nun aber gelungen, traditionelles Wissen mit Hightech zu verbinden und den Maniok-Bestand genetisch aufzufrischen. Gentech sei die letzte Option gewesen, um Maniok gegen Viren resistent zu machen.

Lokale NGOs aufgestachelt

Im Lauf der Diskussion wurde Klaus Ammann zunehmend angriffiger und verfocht die Position der Grosskonzerne. In Argentinien sei zwar wirklich eine Katastrophe passiert. Er bezichtigte die Swissaid aber einer scharfen Anti-GVO-Kampagne. Auch Aerni warf den westlichen NGOs vor, mit ihrem paternalistischen Ansatz Fortschritt zu verhindern und lokale Organisationen gar gegen GVO und Biotechnologien aufzustacheln. Aerni und Ammann riefen dazu auf, eine Vielfalt an landwirtschaftlichen Methoden anzuwenden, um den Hunger in den Entwicklungsländern zu mildern.

Biotech-Banane auf Erfolgskurs

„Unglaublich, dass sich die ganze Industrie als Opfer einer NGO-Kampagne fühlt. Wir sind fast geschmeichelt“, sagte Goethe, auf ihre Position im Anti-Gentech-Graben zurückgedrängt. Die GVO-Forschung sei aber vor allem in den Händen von Grossunternehmen; kommerziell angebaut worden seien Pflanzen von nur sechs Firmen. Solche „kapitalistischen Auswüchse“ verurteilte indes auch Ammann. Grosskonzernen sei es klar, dass Kleinbauern keine Patentgebühren zahlen könnten. Die Fronten würden sich auflösen, war er sich sicher.




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