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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.10.2005 06:00

ETH-Fallstudie „Bahnhöfe in der Stadt Basel“
Aus Barrieren werden Knoten

Bahnhöfe sind nicht nur Verkehrsinfrastruktur. Sie sind wichtige Motoren der Stadtentwicklung – aber auch isolierende Barrieren. Eine gross angelegte Fallstudie über die Situation in Basel zeigt, wo dort der Schuh noch drückt.

Peter Rüegg

Der Badische Bahnhof in Basel: sein Bahndamm, auf dem die Geleise verlaufen, ist an mehreren Stellen für Velofahrer und Fussgängerinnen durchgängig. Auch der Zugang zum Bahnhof selbst ist kein Problem. Dessen Besuch lohnt sich. Denn in den letzten Jahren haben sich immer mehr Kulturschaffende angesiedelt und Händler haben neue Einkaufsmöglichkeiten geschafften. Im nördlichen Teil ist eine Freizeitanlage mit multifunktionalem Sportplatz, Freestylepark und Minigolfanlage entstanden. Der Vorplatz ist autofrei geworden, an lauen Sommerabenden flanieren hier viele Menschen. Zwar musste der Badische Bahnhof den Fernverkehr den SBB überlassen. Dafür ist er ein wichtiger Knoten im S-Bahn- und Regionalverkehr.

Quartierbahnhof erwünscht

Das Beschriebene ist Zukunftsmusik – wenn überhaupt. Denn die Realität sieht anders aus. Der Badische Bahnhof ist von den umliegenden Quartieren weitgehend abgetrennt durch einen hohen Bahndamm, der die Geleise trägt, und vielbefahrene Strassen. Für viele deutsche Pendler ist der Badische Bahnhof das Tor zur Stadt, aber auch nicht mehr. Ob das Szenario "Quartierbahnhof" mit Flaniermeile sowie Kultur- und Shoppingangebot je so eintreffen wird, steht in den Sternen. Aus der Luft gegriffen ist es dennoch nicht, sondern es stammt aus einer Fallstudie der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften der ETH Zürich, die gestern in Basel der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Heute Donnerstag übergeben Vertreter der ETH den Fallstudien-Band offiziell Regierungsrätin Barbara Schneider.

Interdisziplinäre Arbeit

Ziel der Untersuchung war es, die Entwicklungsmöglichkeiten der Bahnhöfe SBB/SNCF und des Badischen Bahnhofs sowie deren Umfelder herauszufinden, vor allem im Hinblick auf eine verstärkte Nutzung des öffentlichen Verkehrs in der trinationalen Agglomeration. An der Studie beteiligt waren über 200 Personen aus verschiedenen Bereichen, darunter 52 Studierende der Umweltnaturwissenschaften. Die Arbeit leiteten der ETH-Professor Roland Scholz und Maria Lezzi vom Hochbau- und Planungsamt des Kantons Basel Stadt.

Grosser Bahnhof, wenig Betrieb

Scholz beleuchtete an der Pressekonferenz die Unterschiede zwischen den beiden grossen Bahnhöfen. „Der Bahnhof SBB ist voll erblüht, der Badische Bahnhof schläft den Dornröschenschlaf“, sagte er. Der Badische Bahnhof bedecke zwar 22 Hektaren, der SBB/SNCF-Bahnhof nur 19 Hektaren. Der Schweizer Bahnhof weise 18 Geleise auf, der Badische immerhin 14. Dennoch seien die Bahnhöfe sehr verschieden, betonte der ETH-Professor. Die kommerziell genutzte Fläche sei bei den SBB mit über 13'000 Quadratmetern fast sechsmal grösser als am Badischen. Mit bis zu 120'000 Nutzern pro Tag habe der Schweizer Bahnhof zudem ein über fünfmal höheres Personenaufkommen als sein deutsches Pendant. Ausserdem ist der Badische Bahnhof vor allem ein wichtiger Umsteigeknoten für deutsche Pendler, weniger aber für die Ortsansässigen.

Fussgänger mit Anbindung an unzufrieden

Eine Gemeinsamkeit haben die beiden Bahnhöfe trotzdem: Nutzerinnen und Nutzer sind mit der Erschliessung für Fussgänger und Velofahrerinnen nicht besonders zufrieden. Denn eine Erkenntnis aus der Studie, die selbst ihn überrascht habe, so Scholz, sei der hohe Anteil an Personen, die zu Fuss oder mit dem Fahrrad zum Bahnhof SBB gehen würden - immerhin 40 Prozent.


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Fast die Hälfte der Bahnkunden brauchen für ihren Weg zum Bahnhof SBB in Basel das Tram. 40 Prozent gehen zu Fuss oder nutzen das Fahrrad. gross

Diese Unzufriedenheit des Langsamverkehrs hat ihre Ursache in der zum Teil schlechten Anbindung der Bahnhöfe an die umliegenden Quartiere respektive die Innenstadt. Und dies wiederum habe historische Ursachen, erklärte Scholz. Als die Gleisanlagen vor 150 Jahren geplant wurden, lagen die Bahnhöfe weit von den damaligen Siedlungskernen Gross- und Kleinbasels entfernt. Im Laufe der Zeit wurden sie schliesslich von den Siedlungen eingeholt und umschlossen. Trotzdem blieben sie mit der Stadt unverbunden. „Wenn aber die Anbindung nicht stimmt, hat man Potenzial verschenkt“, betonte der ETH-Professor.

Stürmische Quartierentwicklung erwartet

Dieses Potenzial, das die Studie aufzeigt, wollen Stadt und SBB nicht ungenutzt lassen. Die Stadt Basel möchte die Resultate in die kommende Zonen- und Richtplanrevision einfliessen lassen, sagt Co-Studienleiterin Maria Lezzi. Gerade rund um den Badischen Bahnhof dürfte sich das Quartier in den nächsten Jahren stürmisch entwickeln. Die Syngenta, vis-à-vis des Bahnhofs gelegen, will ihren Hauptsitz auf ein Drittel der jetzigen Grösse schrumpfen lassen. Neu- und Umnutzungen des sieben Hektaren grossen Areals sind zu erwarten. Die Messe Schweiz hat ebenfalls Interesse daran, ihr Einflussgebiet bis zum Badischen Bahnhof auszudehnen. Und auf dem ausrangierten Güterbahnhof der DB, der Erlenmatt, nicht weit entfernt, entstehen 2000 Büroarbeitsplätze und 700 Wohnungen, die von gegen 2000 Menschen bewohnt werden dürften. Diesem Vorhaben hat der Basler Souverän bereits an der Urne zugestimmt.

Wichtig sei es deshalb, diese Interessen rechtzeitig zu bündeln und in eine gemeinsame Strategie zu überführen, welche die Entwicklung des Badischen Bahnhofs stärke, sagte Lezzi. „Der Badische Bahnhof muss deshalb auch mehr werden als ein Quartierbahnhof“. Pendler- und Quartierbahnhof, das sei aber auch kein Widerspruch. Eine kommerzielle Nutzung wie am SBB-Bahnhof hält sie allerdings für falsch. Man könne nicht überall das Gleiche tun, so die Planungsfachfrau.

Studie nimmt Bahn in die Pflicht

Auch bei den SBB wird die Studie nicht einfach in der Schublade verschwinden. „Die Ergebnisse der Fallstudie nehmen die SBB in die Pflicht“, versprach Hans Martin Tschudi, Leiter der Region Nordwestschweiz. Sie gebe wichtige Impulse zur Weiterentwicklung von Basel als Stadt. Es müsse im Interesse der SBB liegen, dass Bahnhöfe gut erreichbar seien, besonders für den öffentlichen Verkehr sowie Fussgänger und Velofahrerinnen. „Für den Langsamverkehr genügt es nicht, objektiv gute Verbindungen zu schaffen. Es ist das subjektive Empfinden, das einen Weg als unangenehm, gefährlich oder hässlich wahrnimmt“, führte Tschudi weiter aus.




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