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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.12.2005 06:00

„Landi“-Relief des Bietschhorns restauriert
Berg als Monument

Er war ein unbestrittener „Papst“ der Kartographie: ETH-Professor Eduard Imhof hat im 20. Jahrhundert wie kein Zweiter das (Karten-) Bild der Schweiz geprägt. Auch in der dritten Dimension hat er – zwar wenige, aber bedeutende – Spuren hinterlassen: sein imposantes Gipsrelief des Bietschhorn-Massivs im Wallis entstand für die „Landi“ 1939. Jetzt kann es, sorgfältig restauriert, in der ETH Hönggerberg bewundert werden.

Norbert Staub

„Die Berge sollen auch im Modell gross und herrlich vor uns stehen. Bergmodelle als Monumente, nicht solche als Eierkuchenfladen, dies schwebte mir vor. Somit solche mindestens im Massstab 1:2000.“ - In klaren Worten schilderte Eduard Imhof (1895-1986 ) im Rückblick seine Motivation, die Kartographie um die dritte Dimension zu erweitern. Im Selbststudium hatte sich der langjährige Professor, Gründer des Kartographischen Instituts der ETH und begabte Aquarellist das Kunsthandwerk des Modellierens von grossen Gipsreliefs angeeignet.

Grosse Tradition

Imhof, der sich mit seinen zahlreichen Schulkarten und Atlanten einen Ruf weit über die Hochschule hinaus erworben hatte, war damit ein später Vertreter einer grossen Schweizer Tradition. In der Herstellung topographischer Reliefs (zumal alpiner Formationen) kreuzten sich seit dem 18. Jahrhundert politisch-militärische, wissenschaftliche und künstlerische Ziele; das Resultat waren imposante Modelle, die in breiten Kreisen auf Bewunderung stiessen.

Aus drei mach eins: Restaurator Toni Mair setzt die Reliefteile des Bietschhorns zu einem Ganzen zusammen. gross

Den Ruf der Schweizer Reliefbauer begündet hatte Franz Ludwig Pfyffer, Luzerner General in französischen Diensten, dessen eigentliche Leidenschaft die Topographie war. Er schuf zwischen 1762 und 1786 aufgrund barometrischer Höhenmessungen und trigonometrischer Aufnahmen - jedoch ohne präzise Basismessung - ein 6,5 auf 4 Meter messendes Relief der Urschweiz im Massstab 1:12’500, sein eigentliches Lebenswerk. Es erregte seinerzeit europaweit Aufsehen und ist heute im Gletschergartenmuseum Luzern ausgestellt. Das Werk gilt als weltweit ältestes Grossrelief. Um seine Wirkung einigermassen nachzuvollziehen, muss man sich bewusst sein, dass die Vogelperspektive auf die Landschaft damals und noch eineinhalb Jahrhunderte länger jenseits aller Möglichkeiten lag. Die Erbauer solcher Darstellungen wurden denn auch als Bezwinger der Naturgesetze bewundert.

Motor der Identifikation

Auf den Luzerner General folgten Namen wie Joachim Eugen Müller und ab 1870, der Hochblüte der Reliefbaukunst, Fridolin Becker, Simon Simon und vor allem Xaver Imfeld. Im Fahrwasser des Triumphzugs von Dufours Kartenwerk kam es zu einer Flut von Reliefdarstellungen, welche die politische Identifikation der Bevölkerung des noch jungen Bundesstaats mit Land und Landschaft mit vorantrieb. Xaver Imfeld zum Beispiel hat sich wohl nicht zufällig die Schweizer Berg-Ikonen Matterhorn und Eiger, Mönch und Jungfrau vorgenommen.


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Erstrahlt in alter Frische im Kartographischen Institut der ETH: Eduard Imhofs Bietschhorn-Relief. (Bilder: S. Räber, Kartographisches Institut der ETH Zürich) gross

Wer sich Imhofs Bietschhorn-Relief im Kartographischen Institut der ETH anschaut, würde nicht auf die Idee kommen, dass es unter enormem Zeitdruck entstand. Der Schweizer Alpen-Club klopfte 1938 beim ETH-Professor an und bat ihn um ein Bergmodell für die SAC-Ausstellungshalle an der Landesausstelung 1939. Imhof war aber bereits mit Hochdruck daran, für die Halle der Vermessungstechnik an der "Landi" ein anderes Modell zu bauen, jenes der Windgällen-Ruchen-Nordwand im Maderanertal, einer der der imposantesten Wände der Alpen. (Dieses Relief ist ebenfalls am ETH-Institut für Kartographie ausgestellt.) Der Alpen-Club liess aber nicht locker, und Imhof nahm mit Unterstützung seines Kollegen Max Zeller vom Institut für Photogrammetrie der ETH das Projekt in Angriff und stellte es in letzter Minute fertig.

Exempel einer aussterbenden Kunst

Die Zeitnot hinderte ihn allerdings nicht daran, ein Modell zu schaffen, das sich auch fast 70 Jahre nach seiner Entstehung zu betrachten lohnt. "Mich als Kartographen fasziniert besonders die künstlerische Umsetzung“, sagt Kartograph Stefan Räber vom ETH-Institut für Kartographie. „Es ist aber auch als naturwissenschaftliches Zeitdokument spannend. Es zeigt die Gletscherstände in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts - also zu einer Zeit, als die Gletscherzungen noch viel weiter ins Tal ragten als heute. Es stellt überdies ein meisterhaftes Anschauungsbeispiel dar, um die Kunst des Reliefbaus zu zeigen.“ Und schliesslich könne dieses Modell durch seine Detailtreue Wissenschaftlern dazu dienen, geologische und geomorphologische Prozesse zu studieren, meint Räber.

Transporte, Ausstellungs- und Lagerhaltungsschäden hatten über die Jahrzehnte dem Bietschhorn-Modell zugesetzt. Eine Restauration drängte sich auf. Zudem sollte das aus ursprünglich drei Blöcken bestehende Modell zu einem einzigen zusammengefügt werden. Diese Arbeiten ausgeführt hat nun der Reliefbauer Toni Mair, ein Geograf und ehemaliger Gymnasiallehrer. Nur Mair verfügt heute in der Schweiz noch über das Know-how für den Bau von Landschaftfsmodellen von Hand. Von ihm stammt unter anderem das Masoala-Reliefmodell vor der gleichnamigen Halle im Zürcher Zoo.


Mehrstufiger Prozess
Der Bau eines Gebirgsreliefs ist technisch anspruchsvoll und erfordert bildhauerisch höchste Präzision. Bei der von Eduard Imhof beim Bietschhorn-Relief 1939 angewandten Methode wurde zunächst eine grobe Negativform des Massivs (Berg=Tal, und umgekehrt) hergestellt, und zwar aus Sperrholzplatten, die aufgrund eines Höhenkurvenplans gesägt und aufeinander geschichtet wurden. Dies bildete die Basis für einen 3 bis 5 cm dicken positiven Gipsabguss, an welchem die Oberfläche des Bergs anhand von Fotos, Luftbildern und Skizzen mit Metallwerkzeugen feinmodelliert wurde. Von diesem "Urmodell" wurde dann ein Abguss aus einer Gallertmasse hergestellt, und diese erst diente als Vorlage für das endgültige Modell. Der Vorteil dieses Verfahrens: Mit ein und derselben, kautschukartigen, Gallertform liessen sich aufgrund ihrer Robustheit gleich fünf Gipsreliefs anfertigen.



Literaturhinweise:
Vgl zum selben Themenkreis den „ETH Life“-Bericht: „Die Macht der Karte“ vom 12.2.2002: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/gugerlitopografien.html



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