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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.03.2007 06:00

MTEC-Kurs in Management und Ökonomie
Auf Tuchfühlung mit der Elite

Das Departement MTEC hat letzte Woche eine neue Art von Kurs durchgeführt – und dies mit hochkarätiger Besetzung. Die 21 handverlesenen Studentinnen und Studenten durften in London mit UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel diskutieren und von seinem Wissen profitieren. Als weiteren Höhepunkt besuchten die Studenten den UBS trading floor, wo Externe in der Regel keinen Zutritt haben. Der erste Kurs der neuen Vorlesungsreihe dauerte eine knappe Woche. MTEC-Departementsvorsteher Professor Lucas Bretschger zieht über den ersten Spezialkurs Bilanz.

Interview: Renata Cosby und Peter Rüegg

ETH Life: Wie ist diese spezielle MTEC Vorlesungsreihe zustande gekommen?

Lucas Bretschger: Durch unsere Praxisorientierung einerseits und die Kontakte der Schulleitung andererseits. Rektor Konrad Osterwalder ging mit verschiedenen Themen auf UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel zu, und über diesen Kontakt erfuhren wir, dass der Topbanker tatsächlich daran interessiert war, einen Kurs zu geben, wie wir es uns vorstellten. Er sagte, dass er ein persönliches Interesse hätte, den Studierenden in London einen Tag anzubieten und dass er ihnen mehrere Stunden widmen wolle. Ein solches Angebot konnten wir natürlich nicht ausschlagen. Ähnliche Kurse für die besten Studierenden werden von den technischen Universitäten Mailand und Turin angeboten. Rektor Osterwalder war zu Recht überzeugt, dass solche Kurse auch an der ETH auf ein gutes Echo stossen würden.

Direkten Kontakt zur Berufspraxis bieten auch die ETH-Architekten, die seit Jahren mit ihren Studenten Büros und Firmensitze von Toparchitekten besuchen, um diesen über die Schultern zu schauen. So erfahren die angehenden Architekten und Architektinnen aus erster Hand, wie die Dinge in der Praxis gemacht werden und sie können schon früh in ihrer Karriere wertvolle Kontakte knüpfen. Wir haben uns diese Ideen zum Vorbild genommen und in eine Form übertragen, die am MTEC funktioniert und das bestehende Lehrangebot ergänzt. Wichtig war dabei die Vor- und Nachbereitung des Tags in London in Form von geeigneten Lektionen und Übungen. Die Idee der neuen Reihe war, den Wissenstransfer zwischen den MTEC-Bereichen Technologie und Wirtschaftsdynamik, Wertschöpfungsketten, Verhalten von Mensch und Unternehmen, Systemdesign und Risiken sowie Natürliche Ressourcen mit der Berufspraxis zu intensivieren. Wir wollen zudem weiterfahren mit der Entwicklung des Bereichs Finance und zusätzliche Themen aus dem Dienstleistungssektor einbeziehen. Der neue Masterstudiengang am MTEC begann vor einem Jahr. Die Basis ist eine rigorose Ausbildung in den Themen und der Methodik der modernen Managementlehre sowie in der Ökonomie, was eine detaillierte Analyse der Human Resources und der Systemdynamik einschliesst. Zusätzlich schliessen wir verschiedene Lücken zwischen Studium und Arbeitswelt. Diese neue Vorlesungsreihe ist nur eines der Instrumente, mit dem wir diese Ziele zu erreichen versuchen. Weitere Schritte sind zum Beispiel gemeinsame Projekte mit der Industrie, die bereits aufgegleist sind, und die Berufung von Unternehmensführern als sogenannte „Professors of Practice“ mit einem begrenzten zeitlichen Pensum.

Wird es pro Kurs jeweils einen Gastredner geben?

In jedem Kurs dieser Reihe haben wir einen Partner aus der Industrie, normalerweise ist es der CEO oder der Verwaltungsratspräsident. In der vergangenen Woche luden wir neben Marcel Ospel zwei weitere Gastredner ein. Einer war Hans Geiger von der Universität Zürich. Er ist Experte im Bankwesen und referierte über das Bankgeheimnis und die Bekämpfung der Geldwäscherei. Dann sprach Kollege Roman Boutellier über Corporate Governance und Risikomanagement. Der Rest des Kurses war ausgefüllt mit internen Präsentationen und Gruppenarbeiten zu ausgewählten Themen.

Wie war der Tag mit Marcel Ospel?

Die Studierenden waren auf den Tag mit Herrn Ospel gut vorbereitet und wussten, was und wie sie mit ihm diskutieren konnten. Er erklärte zuerst die Grundlagen des Bankenwesens und der Strategie der UBS. Nach kurzen Präsentationen der Studierenden entstand ein lebhafter und offener Dialog zwischen ihnen und dem VR-Präsidenten. Herr Ospel nahm sich Zeit und beantwortete die Fragen bis ins Detail. Die Studierenden machten ihre Sache gut. Sie konnten seine Art des Denkens direkt beobachten, lernten mehr über sein Vorgehen während des vor kurzem erfolgten Umbaus der UBS und vertieften sich in die zukünftige Strategie der Bank. Zudem konnten sie den trading floor der UBS besuchen. Dies war nur dank der direkten Zustimmung von Herrn Ospel möglich. Wir wollten den Studenten aufzeigen, was dort gemacht wird, da die meisten von uns ja davon keine Ahnung haben. Die Kursevaluation zeigt uns, dass die Studenten den direkten Kontakt zu einem der führenden Banker der Schweiz sehr schätzten. Herr Ospel seinerseits war von den Leistungen der Studierenden beeindruckt.

Wie passt diese Vorlesungsreihe in das MTEC-Masterdiplom-Programm?

Sie ist eine ideale Ergänzung. Das MTEC bietet hauptsächlich zwei Masterprogramme an: den Master of Science und den Master of Advanced Studies. Für das Advanced Studies Diplom müssen die Studierenden Berufserfahrung aufweisen. Sie kommen, um ein Zusatzstudium zu absolvieren und können das in Teilzeit tun. Für den Master of Science sind 120 Kreditpunkte gefordert, doppelt so viele wie für das Advanced Studies Diplom. Normalerweise nehmen Studierende dieses Programm direkt nach ihrem Bachelorstudium in Naturwissenschaften oder Ingenieurwesen auf. Das MTEC vermittelt ihnen wichtige Kenntnisse in Management und Wirtschaftskunde auf Masterstufe. Erfolgreiche Besuche von Kursen der ergänzenden Reihe signalisieren, dass die betreffenden Studierenden mehr tun als nur das normale Studium zu absolvieren, was sich bei der Stellensuche positiv auswirken sollte.

Die MTEC-Studierenden bei ihrem Besuch des trading floor der UBS in London. (Bild: D-MTEC) gross


Professor Lucas Bretschger konnte für einen Spezialkurs seines Departements UBS-Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel als Gastredner gewinnen. (Bild P. Rüegg) gross

21 Studierende konnten an der dieser ersten Vorlesungsreihe des MTEC teilnehmen. Wie wurden diese ausgewählt?

Sie wurden speziell ausgewählt. Die Studierenden mussten einen zweiseitigen Aufsatz über die derzeitigen Herausforderungen für den Finanzsektor schreiben. Sie machten dies generell sehr gut. Sie reichten auch ihren Lebenslauf ein, damit wir ihre Ausbildung und ihren Werdegang beurteilen konnten. Wir wollten sie zudem auf eine Erfahrung vorbereiten, die früh genug auf sie zukommt: ein CV einzureichen und damit umzugehen, von anderen Personen beurteilt zu werden.

Wie steht es um den Frauenanteil und die Internationalität in diesem Kurs?

Knapp ein Drittel der Gruppe waren Frauen. Alle Teilnehmenden vertraten ihre Meinungen offen und deutlich, niemand scheute sich vor der Diskussion. Die Studentenschaft des MTEC wird immer internationaler, ein bedeutender Teil stammt aus dem Ausland. Trotz des jungen Alters unseres Departements hat das MTEC an der ETH einen der grössten Anteile an ausländischen Studenten. Weil unser Departement aber jung ist, wissen wir noch nicht genau, wohin der Trend geht. Es scheint aber klar zu sein, dass Bachelor-Studien meist in der Nähe des bisherigen Wohnorts gemacht werden. Danach sucht man sich eher etwas an einem ferneren Ort, oder man erwägt eine Neuausrichtung des Studiums. Natürlich erscheint es uns als lohnende Option, nach dem Bachelor-Studium an der ETH Zürich zu bleiben, um sich in Management und Ökonomie zu vertiefen.

Welche Voraussetzungen braucht man, um einen solchen Kurs erfolgreich abzuschliessen?

Wie gesagt: Wir wollen unseren besten und ambitioniertesten Studenten ein spezielles Format bieten. Dazu gehört auch ein spezielles Auswahlverfahren, das bereits eine wichtige Qualitätsmessung ist. Wir haben uns entschieden, während des Kurses keine formalen Prüfungen durchzuführen. Die Studierenden mussten dafür mehrere Präsentationen geben, um die Resultate der Gruppenarbeit zu erklären. Wir überlassen es den Organisatoren am MTEC wie sie den Kurs strukturieren wollen und wie sie messen, was die Studenten gelernt haben. Weil dieser Kurs nicht fürs Schlussdiplom zählt, gibt es mehr Freiheit beim Prüfen der studentischen Leistungen.

Wo werden diese Studenten nach ihrem Abschluss hingehen?

Sie werden verschiedene Berufe ergreifen – wir sehen sie hauptsächlich im höheren Managementkader in der Privatindustrie, in der Verwaltung oder in anderen Organisationen. Die Kombination von technischen Ingenieurkenntnissen oder Naturwissenschaften und von Management- und Wirtschaftswissen ist heute auf dem Arbeitsmarkt extrem wichtig. Unsere Studierenden haben die Methoden verschiedener Fächer erlernt. Sie werden nun ins Berufsleben eintreten und ihr Wissen mit praktischer Erfahrung ergänzen und vergrössern. Unser Ziel ist es, dass die Absolventen eher früher als später in Führungspositionen gelangen. Das MTEC ist komplementär zu den kantonalen Universitäten ausgerichtet und deckt in der Forschung bewusst nicht die ganze Palette von Fächern in Wirschafts- oder Managementtheorien ab. Wir konzentrieren uns auf Themen und Methoden, die eng an die Stärken einer führenden technischen Hochschule anknüpfen. Die Themen, die wir lehren, werden im globalen Kontext immer wichtiger, zum Beispiel die zunehmenden Risiken der Unternehmen und die sich rasch verändernden internationalen Wertschöpfungsketten. Wir sind überzeugt, dass die Studierenden auf den globalen Markt vorbereitet werden sollen.

Was können Ihre Studenten in der Schweizer Industrie bewirken?

Sie haben sicher einen breiten Einfluss. Einst lag unser Fokus auf der Maschinen- und Elektroindustrie. Heute wollen wir dem Arbeitsmarkt signalisieren, dass das MTEC eine Eliteschule ist und dass daraus Leute hervorgehen, die in allen Bereichen der Wirtschaft, auch in der Dienstleistungsindustrie wie Banken oder Versicherungen, einsteigen wollen. Auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft werden wir uns stark bemühen, unsere Aktivitäten auszubauen, auch mittels externer Finanzierungen. Wenn man die Karrieren von einigen Topmanagern der Schweiz betrachtet, so fällt auf, dass viele von ihnen an der ETH Zürich ausgebildet wurden. Von da gingen sie in die Industrie, wo sie sich die Managementfähigkeiten meist später aneigneten. Am MTEC wollen wir den Studierenden diese Fähigkeiten direkt im Masterstudium vermitteln, so dass sie im Arbeitsleben schon zu Beginn mit dem nötigen Wissen ausgestattet sind. Die Studenten den Realitäten der Arbeitswelt auszusetzen war bestimmt eines der Ziele dieser neuen Vorlesungsserie. Es war aber auch die Absicht, Managementprozesse anzuwenden und anzupassen und die ökonomische Umgebung vor dem Hintergrund der eigenen Studienrichtung kennenzulernen. Ein Naturwissenschaftler ist sich aufgrund seiner Ausbildung gewöhnt zu sagen, was falsch und was richtig ist. In der Wirtschaft finden sich aber meist andere Kategorien, es geht eher darum, was machbar ist und was nicht. Ingenieure können sehr gut praktische Probleme lösen. Sie wissen normalerweise, was machbar ist. Im MTEC wird ihnen vermittelt, wie sich dieses Denken in wirtschaftlichen Prozessen erfolgreich umsetzen lässt.

Was halten Sie von den ersten MTEC-Absolventen, die 2008 abschliessen werden?

Es ist eine gemischte Truppe, aber sie sind alle gute Studierende mit einem formal starken Hintergrund – was man von der ETH Zürich erwarten kann. Und sie sind sicher keine weltfremden Theoretiker. Sie stehen mit beiden Füssen auf dem Boden und mitten im Leben. Sie denken über ihre Stellenaussichten nach. Da sie an der ETH sind und ihnen zahlreiche Optionen offen stehen werden sie sich sorgfältig überlegen, wohin sie gehen möchten.




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