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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 23.03.2005 06:00

Perspektiven, Technologien und Auswirkungen allgegenwärtiger Computer
Informatisierung des Alltags

Sensoren und Computer werden dauernd kleiner, besser, billiger und allgegenwärtiger. Gestern endete im Audimax der ETH Zürich ein zweitägiges Symposium zu den Perspektiven, Technologien und Auswirkungen des Computers im 21. Jahrhundert und zur Informatisierung des Alltags. (1) Die rund 250 Teilnehmenden diskutierten einerseits über die technischen Grundlagen, anderseits aber auch über die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser neuen Technologien, speziell bezüglich Datenschutz und Privatssphäre.

Von Jakob Lindenmeyer

"Nachdem in den letzten Jahrzehnten möglichst viele Computer miteinander vernetzt wurden, beginnen wir jetzt, die Dinge der Welt miteinander zu vernetzen", umschrieb ETH-Professor Friedemann Mattern in seiner Einführungsrede das Konferenz-Thema. Dadurch entstehe längerfristig ein "Internet der Dinge", das gewaltige Auswirkungen auf viele Wirtschaftsprozesse und auch auf unseren Alltag habe. Mattern ist Professor für Informatik und Leiter des ETH-Instituts für Pervasive Computing, (2) welches das zweitägige Symposium an der ETH organisierte.

Das Symposium begann mit einführenden Visionen von Organisator Mattern und Alois Ferscha von der Uni Linz. Beide stellten fest, dass Computer in den nächsten Jahren nicht mehr nur immer kleiner, billiger und allgegenwärtiger werden, sondern die Dinge mittels eingebauter Sensoren zunehmend ihre Umgebung beobachten und drahtlos miteinander kommunizieren.

Wenn Dinge miteinander sprechen...

Ferscha präsentierte den Labor-Prototyp eines schlauen Koffers, der weiss, wem er gehört, wo er sich befindet, welche Gegenstände er enthält und all dies auch kommunizieren kann. Zukünftig werden die Dinge immer mehr auch autonom miteinander kommunizieren. So "merkt" beispielsweise das schmutzige Hemd, dass es gewaschen werden sollte und vereinbart mit der Waschmaschine einen Termin und das passende Waschprogramm. Oder der Convenience-Food aus der Kühltruhe programmiert das Mikrowellengerät gleich selbst für die die richtige Zubereitungsart.

Computer verschwinden in Alltagskleidern

Es folgten Einblicke in Praxis-Anwendungen, beispielsweise aus Medizin und Gesundheit. ETH-Professor Gerhard Tröster vom Institut für Elektronik präsentierte einen im Gürtel versteckten Computer, sowie einen in seinen eigenen Kleidern integrierten Gesundheitssensor, der während des Vortrags seinen Pulsverlauf und weitere Parameter auf die Leinwand projizierte. Ein mit einem Sensornetz bewobenes T-Shirt soll künftig präventiv drohende Rückenverspannungen erkennen oder auch therapeutisch Tumoren bestrahlen. Der Computer verschwindet als Hemdknopf oder Gürtelschnalle getarnt immer mehr in unseren Alltagskleidern.

Mittel gegen Diebstahl und Fälschungen

Am Nachmittag folgte die ökonomische Sichtweise auf die Informatisierung des Alltags. ETH-Professor Elgar Fleisch vom D-MTEC betonte die Bedeutung von RFID im Handel zur Bekämpfung von Diebstahl und Fälschungen. Gemäss Schätzungen machen Fälschungen heute rund sieben Prozent des Welthandels aus, was insbesondere bei Medikamenten ein grosses Problem darstelle.

Peter Welzel von der Uni Augsburg zeigte am Beispiel eines intelligenten Fahrtenschreibers im Auto, wie sich Versicherungsgesellschaften und Autofahrer in einer Welt allgegenwärtiger Computer verhalten. Zu diesem Thema gab es in der Konferenzpause dann auch gleich das passende Demonstrations-Projekt.

Demonstrations-Projekte der Forschungsgruppe für Verteilte Systeme (v.l.o.n.r.u.): Intelligenter Apotheker-Schrank, Detektion zerbrochener Eier dank Drucksensoren im Eierkarton, Jass-Tisch und per Kamera-Handy lesbare visual Codes. (3)

"Pay per Risk"

In den Konferenzpausen und am Abend präsentierten Vlad Coroama, Marc Langheinrich und weitere Assistenten von Matterns Forschungsgruppe für Verteilte Systeme vor dem Audimax praxisnahe und leicht verständliche Demonstrations-Projekte. (3) Über Sensoren und per Satelliten-Navigationssystem GPS ist beispielsweise der präsentierte intelligente Fahrtenschreiber dauernd über Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Strassenzustand, Sichtverhältnisse und Motorverhalten jedes Autos informiert. Neben automatischen Bussenbelastungen bei Geschwindigkeits-Übertretungen lassen sich aber auch spannende Versicherungsberechnungen anstellen. "Pay per Risk", umschreibt Vlad Coroama das Prinzip in drei Worten. Neu könnte die Prämienhöhe der Haftpflichtversicherung laufend durch den eigenen Fahrstil beeinflusst werden. Jede Geschwindigkeits-Übertretung oder sonstige riskante oder den aktuellen Umweltbedingungen unangepasste Fahrweise würde in einem erhöhten Kilometertarif resultieren.


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Vision vom Computer im Alltag: So einfach stellte man sich im letzten Jahrhundert das Einkaufen dank allgegenwärtiger Computer vor. gross

Schlauer Jass-Tisch

Grosses Interesse weckte eine Anwendung aus dem Freizeitbereich: Der RFID Jass-Tisch. Dabei handelt es sich um einen mit Computer und RFID-Leser ausgestatteten Tisch. Dazu gehört auch ein Set Jasskarten, die alle individuell mit RFID-Etiketten markiert sind. Der Tisch hat dadurch jederzeit die Kontrolle über die laufenden Züge und zeigt an, wer "sticht". Sobald ein Jasser mit einer ausgespielten Farbe nicht mitzieht, macht der schlaue Tisch per "Cheat-Alarm" auf die Regelverletzung aufmerksam. Das wichtigste folgt am Ende des Schiebers: Das mühsame Punktezählen erübrigt sich, da der Tisch für jede Partei die erzielten Punkte berechnet.

Intelligenter Apotheker-Schrank

Die Weiterentwicklung des Standard-Beispiels eines sich selbst auffüllenden Kühlschranks mit Internet-Anbindung ist neu der intelligente Apotheker-Schrank. Per RFID ist er laufend über die in ihm ruhenden Medikamente informiert und kann sich bei Rückrufen des Herstellers, abgelaufenen oder zur Neige gehenden Vorräten gleich selbst übers Internet um Nachschub oder Austausch kümmern. Zudem warnt der smarte Schrank seinen Besitzer, sollte letzter eine der regelmässig anstehenden Medikamenten-Einnahmen vergessen oder zu viele davon einnehmen.

Die beiden Assistenten Marc Langheinrich (links) und Vlad Coroama diskutieren über ihre per RFID markierten Reissäcke für ihr Blinden-Projekt "Chatty Environment". gross

Gesprächige Produkte im Supermarkt

Das von Vlad Coroama betreute und noch in Entwicklung begriffene Demonstrations-Projekt "Chatty Environment" soll Blinden zukünftig ein selbständiges Einkaufen ermöglichen. Per Navigation über den Blindenstock sollen sie übers Funknetz die Informationen von jedem markierten Lebensmittelprodukt von einem Server abhören können. Doch wo findet sich in der Schweiz ein Laden mit einem offenen Funknetz? "Die wichtigere Frage lautet viel eher: Wo gibt's in fünf Jahren noch einen Laden ohne WLAN?", korrigiert Vlad Coroama und erklärt: "Wir entwickeln an unserem Institut eben nicht nur Produkte für morgen, sondern schauen gleich einige Jahre weiter in die Zukunft."

Perspektiven und Visionen der Informatisierung des Alltags waren auch Themen des zweiten Konferenztages. (1) Zudem wurden die Auswirkungen allgegenwärtiger Computer auf die Privatsphäre und auf den Datenschutz analysiert und diskutiert.

Konflikt zwischen Sicherheit und Privatheit

Denn wie Friedemann Mattern bereits in der Einleitungs-Vision betonte, wird das Private aufgrund neuer Technologien zukünftig immer öffentlicher, einfacher zu kopieren, ewig speicherbar und leicht auffindbar. Da kann dann schon die Privatsphäre darunter leiden, befürchtet Marc Langheinrich, denn sie stehe in einem Interessenskonflikt mit Sicherheit, Bequemlichkeit und Effizienz. Wichtig sei, dass sich jede Gesellschaft zukünftig bewusst entscheide, wie viel Privatsphäre garantiert werden müsse.

"Die Vision vom allgegenwärtigen Computer - wunderbare Zukunft oder märchenhafte Illusion?" hiess der Titel von Matterns Rückblick auf vergangene Zukunftsszenarien. Die Titelfrage selbst wolle er unbeantwortet lassen, betonte Mattern zum Schluss seiner Rede. Doch: "Wir können alle auf die Zukunft gespannt sein."


Fussnoten:
(1) Programm des Symposiums zu Perspektiven, Technologien und Auswirkungen der Informatisierung des Alltags: www.comp21.ethz.ch/programm.html
(2) Website von Friedemann Matterns Forschungsgruppe für Verteilte Systeme www.vs.inf.ethz.ch/
(3) Webseite mit Hintergrund-Infos zu den in der Konferenzpause präsentierten Demonstrations-Projekten: www.vs.inf.ethz.ch/res/#demos



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