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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.01.2006 06:00

Dienstleistungen von Tropenwäldern
Bessere Vermarktung nötig

Artenvielfalt, Wasserschutz, CO2-Speicherung: Der Tropenwald erbringt ungefragt wichtige Dienstleistungen. Doch diese „Produkte“ auf den europäischen Markt zu bringen, ist trotz Bekenntnissen der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit nicht einfach. Das zeigt eine Studie der ETH Zürich.

Peter Rüegg

José Rodriguez, eine rein fiktive Figur, besitzt ein Stück Wald in Costa Rica. Dieser schützt die Wasserzufuhr von tiefer liegenden Gemeinden. Zudem hält der Forst Sedimente zurück, die der tropische Regen ansonsten in einen Stausee spülen würde. Diesen müsste das Elektrizitätswerk regelmässig und für teures Geld ausbaggern, weil der See rasch verschlicken und die Stromproduktion behindern würde. Würde Rodriguez Wald und Holz an einen internationalen Papierkonzern verkaufen, wäre sein Gewinn offensichtlich - aber sehr kurzfristig. Doch er könnte die Dienstleistungen seines Waldes auch anders vermarkten. Weil der Wald nämlich die Wasserversorgung erhält und dem Kraftwerk vermeidbare Unkosten erspart, könnten die Gemeinden und der Kraftwerksbetreiber dem Waldbesitzer einen Teil des Gewinns auszahlen.

„Dieses fiktive Beispiel beschreibt durchaus eine reale Win-Win-Situation. Anbieter und Abnehmer einer Ökosystem-Dienstleistung haben etwas von diesem Geschäft - und der Wald bleibt erhalten“, sagt Thomas Koellner vom Institut für Mensch-Umwelt-Systeme. Während den letzten drei Jahren haben er und sein Doktorand Joachim Sell das Angebot und die Nachfrage von solchen Ökosystem-Dienstleistungen von Tropenwäldern im Rahmen eines internationalen Projekts untersucht. Die Studie ist demnächst abgeschlossen. Daran beteiligt waren verschiedene Partner im In- und Ausland, darunter die Organisation CATIE in Costa Rica. Die Resultate der Arbeit stellten Sell und Koellner gestern an einer internationalen Konferenz über dieses Thema an der ETH Zürich vor. (1)

Marktpotenzial von CO2-Speicherung am grössten

Von über 300 Marktteilnehmern aus Amerika, Asien und Europa wollten die Forscher wissen, welche Dienstleistungs-Produkte aus tropischen Wäldern sie am meisten interessieren. Besonders gross schätzten diese das Marktpotenzial der Kohlendioxid-Fixierung und des Wasserschutzes ein. Die Schönheit der Landschaft und den Schutz der Artenvielfalt stuften die befragten Marktteilnehmer niedrig(er) ein. Generell schätzten Europäer die Marktchancen von Ökosystem-Diensten der Tropenwälder weniger hoch ein als die Anbieter aus den Ländern Lateinamerikas.

Eine Kluft öffnete sich auch zwischen Denken und Handeln. Die Forscher liessen die Marktakteure einerseits Kriterien beurteilen, um ihrem Entscheidungsverhalten auf die Spur zu kommen. Danach mussten die Teilnehmer mit demselben Satz an Kriterien auch zwei virtuelle Projekte einstufen. Das eine zielte auf grösstmögliche Nachhaltigkeit, das andere auf Profitabilität.

Lippenbekenntnis der Firmen

Dieser Test überführte die Marktteilnehmer grösstenteils des Lippenbekenntnisses: Projektunabhängig gewichteten sie die Kriterien mit Nachhaltigkeits-Aspekt viel höher als im Rahmen der (virtuellen) Projekte. Das auf Profit getrimmte Vorhaben erhielt von europäischen Marktteilnehmern mehr Zuspruch als dasjenige, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet war. Für Koellner ist klar: „Die Akteure handeln anders als sie reden.“ Innerlich würden viele Marktteilnehmer nachhaltige Projekte bevorzugen. Im wirtschaftlichen Kontext aber würden die Entscheide in eine andere Richtung gehen. „Bei der projektabhängigen Wahl denken sie als Vertreter ihrer Firmen“, sagt der Wissenschaftler.

Den Forschern ist zudem aufgefallen, dass die Anbieter von Tropenwald-Leistungen deren Marktchancen viel höher einstufen als die Europäer. „Für einen Lateinamerikaner sind in erster Linie alle Ökosystem-Dienste potenzielle Geschäftsideen, also auch die Vermarktung der Biodiversität über Ökotourismus“, so der Wissenschaftler, „für die Marktteilnehmer aus Europa werden damit aber zu kleine und unbedeutende Summen umgesetzt. Sie sehen das nicht als Geschäft.“ Investoren, die dennoch auf Ökosystem-Dienstleistungen setzen, wollen damit vor allem das eigene Image polieren.


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Tropenwald-Dienstleistung Ökotourismus: Touristinnen und Touristen aus aller Welt geniessen die reiche Natur Costa Ricas (Bild: T. Koellner/Institut für Mensch-Umwelt-Systeme) gross

Das zeigt sich auch bei den Renditeerwartungen. Diese sind bei den Anbietern in den Tropen doppelt so hoch wie bei den europäischen Abnehmern. „Vielleicht ist es den Europäern auch zu abstrakt, den Schutz der Biodiversität als Dienstleistungsprodukt anzusehen.“

Mehr Marketing

Die Vertreter aus Lateinamerika möchten mehr aus diesen Ökosystem-Dienstleistungen machen. Das hat Thomas Koellner in den letzten drei Jahren stark gespürt. Er will deshalb mit einer neuen Forschungsidee an die Marktanalyse anknüpfen. „Wenn man etwas verkaufen will, braucht es ein geeignetes Marketing“, sagt er und hat Kontakte geknüpft zu Marketingspezialisten der Universitäten Freiburg im Breisgau und Bielefeld. Mit ihrer Hilfe sollen entsprechende Ökosystem-Produkte so gestaltet werden, dass sie für europäische Anleger interessant werden.

Mit einem zweiten Projekt will er zeigen, dass Ökosysteme Schäden durch Katastrophen dämpfen können. „Der Wald als Versicherung, das dürfte auch für Versicherungskonzerne interessant sein“, so Koellner. Mangrovenwälder etwa bremsen die Wucht von Tsunamis. Die offenen Wasserflächen der Everglades wiederum puffern Temperaturextreme und schützen kälteempfindliche Zitrusfrucht-Plantagen vor hartem Frost. Dieses Wissen will er systematisch zusammentragen und arbeitet dazu mit einer Arbeitsgruppe der Universität Yale zusammen.

Für den Diplombiologen Koellner geht es bei diesen Projekten letztlich um den Schutz des Regenwalds. Dass es aber nicht reicht, ein Stück Wald einzuzäunen und eine Naturschutztafel hinzustellen, ist ihm dabei längst klar geworden. „Mit unseren Forschungen möchten wir einen Beitrag leisten, um den Regenwald zu schützen und alternative Einkommensquellen anzubieten.“


Fussnoten:
(1) Mehr Informationen zur Tagung: www.uns.ethz.ch/res/ssedm/eco/events/conference06



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