ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 14.09.2004 06:00

Sprachenzentrum der ETH und Universität Zürich
Deutsch, das verbindet

Deutsch lernen im Altersheim? Ein Kurs des Sprachenzentrums der Universität und der ETH Zürich führt Generationen zusammen und demonstriert, wie ein realer Kontext den Unterrichtscharakter verschwinden lässt und Erfahrungen weit über den Spracherwerb hinaus möglich werden.

Von Christoph Meier

„Ich bin froh, dass ich diese wunderschöne Seele getroffen habe“. Dieser Satz steht als Titel auf einer Broschüre, die zum Abschluss des Kurses „Deutsch im realen Kontext“ gestaltet wurde, und er bringt einen zentralen Inhalt der Veranstaltung zum Ausdruck: Es fanden Begegnungen statt. Begegnungen, beziehungsweise der Dialog, sind auch ein Anliegen der Stadt Zürich mit ihrem Projekt „Jung und Alt Stadt“ (1). Dieses dürfte durch seine Plakate mit Sprüchen wie „Wer weiss mehr über Sex als eine 93-Jährige?“ aufgefallen sein.

Kein Wunder also, dass Frank Kauffmann, Kursleiter des Sprachenzentrums von Universität und ETH Zürich (2), auf offene Ohren stiess, als er vor dem letzten Semester im Altersheim Wildbach in Zürich anfragte, ob er für seinen oben erwähnten Kurs Studierende mit Pensionierten zusammenführen könne. Denn auch die Altersheime sind von der Stadt angehalten, den Austausch zwischen Jung und Alt zu fördern. Die Idee von Kauffmann war, dass Studierende mit Schweizern in Beziehung treten und dabei ihr Deutsch in realen Situationen anwenden. Konkret sollten die lernwilligen Akademiker mit je einem Gegenüber ein Interview führen und daraus ein kurzes schriftliches Porträt des älteren Gesprächspartners erstellen.

Unnötige Skepsis

Zu Beginn sei er noch skeptisch gewesen, ob alle angemeldeten Studierenden erscheinen würden, meint Kauffmann. Zudem habe er auch nicht gewusst, ob das geforderte Hochdeutsch eine Gesprächshürde darstelle. Doch alle Sorgen waren umsonst. So berichtete der Heimleiter Mathias Gerig am Abschlussfest im Altersheim, dass er bei der ersten Begegnung auf seine allgemeine Einführung und eine offizielle Begrüssung verzichtete, da die Gespräche zwischen den Studierenden und Pensionären bereits im Gange waren. Auch im weiteren Verlauf hat gemäss Gerig der Austausch von einem Einzelfall abgesehen erstaunlich rege stattgefunden.

Weltkrieg und Familie

In der von den Deutsch Lernenden erstellten Broschüre erhält man auch Einblick in den Inhalt der Gespräche. Ein wichtiges Thema für viele Altersheimbewohner war der zweite Weltkrieg. Ein 1942 frisch verheiratetes Ehepaar sah sich beispielsweise die ersten Jahre kaum, da der Mann an der deutschen Grenze bei Basel stationiert war.


weitermehr

Begegnung über Generationen hinweg. Selma Metzger (rechts) aus dem Altersheim Wildbach in Zürich trifft die polnische Studentin Aldona Dabrowna, die an einem Kurs des Sprachenzentrums teilnimmt. (Bild: F. Kauffmann) gross

Auch die im Vergleich zu heute anderen Lebensumstände gaben zu reden. Eine Pensionärin berichtete, wie sie sich mit ihrer Familie zu fünft mit einer Zweizimmerwohnung begnügen musste. Im Schnellzug von Baden nach Zürich, das galt damals noch als Luxus.

Spannend an der Broschüre ist aber nicht nur der Inhalt, sondern auch der Schreibstil. Hier dringt dank des teilweise fast zu sanften Redigierens – Jungend statt Jugend hätte man korrigieren können – der Charme und der Charakter der Fremdsprachigen durch. Formulierungen wie „So sind sie zur Ehe gekommen“ oder „eine lebensbewusste Frau“ demonstrieren einerseits, wie Nuancen eine Sprache beeinflussen. Andererseits weist ein Ausdruck wie „Arbeitsmarkteinstieg“ mehr auf das Umfeld des Schreibenden als das des Pensionierten hin.

Schreckliche Fische

Auch wenn manche Studierenden bei Kursbeginn von der Form überrascht waren, beurteilen sie die Veranstaltung als wertvolle Erfahrung. Obwohl sie für ihr Deutsch profitiert hätten, habe der Kurs keinen Schulcharakter gehabt. Spannend fanden die Lernenden die Tipps, die sie von den Pensionären erhalten haben. Einige erfuhren, dass man auf jeden Fall nicht zu früh oder gar nicht heiraten soll. Für Akademiker vielleicht besonders herausfordernd auch der Hinweis, man solle sich nicht das Unmögliche wünschen oder die Mahnung, man müsse nicht alles wissen, beispielsweise welche schrecklichen Fische zehn Kilometer tief im Meer leben.

Auch im kommenden Semester bietet das Sprachenzentrum unter anderen den Kurs „Deutsch im realen Kontext“ an. Entsprechend dem Titel wird sich der Kursleiter wieder eine Umgebung suchen, in der die Studierenden ihr Deutsch ausserhalb eines Kursraumes einsetzen müssen.


Fussnoten:
(1) Jung & Alt Stadt Zürich: www3.stzh.ch/internet/gud/home/projekte/jugend.html
(2) Sprachenzentrum der Universität und der ETH Zürich: www.sprachenzentrum.unizh.ch/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!