ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 28.06.2005 06:00

DNA: Werkzeug für neue Medikamente - ein ETH-Symposium
Der Natur abschauen

Die Natur hat für viele Probleme elegante Lösungen gefunden. Für Wissenschaftler lohnt es sich deshalb immer wieder zu fragen, wie die Natur vorgeht. Dass dieser Ansatz sehr erfolgreich sein kann, zeigte kürzlich ein von der Chemischen Gesellschaft Zürich organisiertes Symposium, das dem Forschungsgebiet „DNA-Templated Chemistry“ gewidmet war.

Lukas Denzler

Seit mehr als hundert Jahren suchen Chemiker nach neuen synthetischen Verbindungen. Sie testen alle denkbaren chemischen Reaktionen, um Moleküle zu erhalten, die es bisher noch nicht gegeben hat. Ausgerechnet die DNA, eine der genialsten Erfindungen der Natur, verspricht nun ganz neue Möglichkeiten in der synthetischen Chemie. Den aktuellen Forschungsstand dieses noch jungen Forschungsgebietes an der Schnittstelle von Biologie und Chemie aufzeigen: Das war das Ziel eines Symposiums, das letzte Woche auf dem Hönggerberg stattgefunden hat. Organisiert wurde es von der Chemischen Gesellschaft Zürich, die seit einem Jahr von Dario Neri, Professor für Biomakromoleküle am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der ETH Zürich, präsidiert wird.

Bekannte Persönlichkeiten eingeladen

Früher organisierte die Chemische Gesellschaft wöchentlich stattfindende Seminare. Doch das Interesse an diesen Veranstaltungen nahm immer mehr ab, erklärt Dario Neri. Man beschloss deshalb, anstelle der Seminare neu Mini-Symposien zu aktuellen Themen zu organisieren. Die neue Form scheint anzukommen. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass es der Chemischen Gesellschaft gelungen ist, bekannte Persönlichkeiten wie Kary Mullis, Nobelpreisträger für Chemie und Erfinder der Polymerase Chain Reaction (PCR), nach Zürich zu holen.

Mir 31 Jahren derzeit jüngster ordentlicher Harvard-Professor: David Liu synthetisiert organische Moleküle mit Hilfe von DNA. gross

Von besonderem Interesse war auch das Referat von David Liu, der in den letzten Jahren einige viel beachtete Publikationen über die Synthese von organischen Molekülen mit Hilfe von DNA veröffentlicht hatte. David Liu ist kürzlich mit nur 31 Jahren Full Professor in Harvard geworden. Er ist damit zur Zeit jüngster Ordinarius in Harvard.

DNA bringt Moleküle zusammen

Doch um was geht es genau bei der „DNA-Templated Chemistry", also der Chemie, die auf der Basis der Erbsubstanz arbeitet? Dario Neri: „Die DNA wird für die Herstellung von organischen Molekülen einerseits als Werkzeug eingesetzt, andererseits aber auch als Identifikationscode.“ (1) Die Grundidee ist die folgende: Zunächst werden kleine organische Moleküle an kurze aufgetrennte DNA-Stränge gekoppelt. Dies dient verschiedenen Funktionen. Auf der einen Seite kommt es beim Zusammentreffen von DNA-Strängen zur Bildung von DNA-Doppelsträngen. Dies ermöglicht bestimmte chemische Reaktionen, weil die Konzentration der Reagenzien an den Enden der DNA-Stränge sehr hoch ist.


weitermehr

Erhielt von den Zeitschriften "Nature" und "Science" zunächst eine Abfuhr, als er sein Verfahren publizieren wollte: Kary Mullis, Erfinder der PCR und Referent letzte Woche am Mini-Symposium „DNA-Templated Chemistry“ an der ETH. gross

Da diese Reaktionen von der Bildung von DNA-Doppelsträngen abhängig sind, wirken bestimmte DNA-Abschnitte für spezifische Reaktionen wie ein „biochemisches Gedächtnis“. Auf der anderen Seite lassen sich – ebenfalls dank der Bildung von DNA-Doppelsträngen – angehängte organische Moleküle in unzähligen Varianten kombinieren und auch identifizieren, falls sie durch bestimmte DNA-Abschnitte codiert sind.

Die DNA ist eigentlich nur ein Mittel zum Zweck. Interessant sind die neuen Moleküle. „Mit diesem Trick bringen wir Moleküle zusammen, die sich sonst gar nicht verbinden würden“, sagt Dario Neri. Sein Team forscht wie die Gruppe von David Liu auf diesem Gebiet. Vor 20 Jahren habe er die synthetische Organische Chemie verlassen, weil diese für bestimmte pharmazeutische Probleme keine Lösungen in Aussicht gestellt hätte, erklärt Neri. Die Biologie, insbesondere die Forschung an Proteinen, sei damals erfolgversprechender gewesen. Doch mit den neuen Methoden, die auf die DNA zurückgriffen, seien die kleinen organischen Moleküle für die Erstellung neuer Medikamente wieder sehr interessant geworden.

Die Natur imitieren

David Liu verglich in seinem Referat die unterschiedlichen Ansätze der Chemiker und der Natur. Er bezog sich dabei auf den Ablauf von Reaktionen und die Synthese und Entdeckung neuer Moleküle. Beim klassischen Ansatz der Chemiker läuft beispielsweise nur eine Reaktion ab, während die Natur in der Lage ist, am selben Ort gleichzeitig mehrere Reaktionen ablaufen zu lassen. Liu möchte die Prozesse der Natur imitieren, um neue Moleküle mit bestimmten Eigenschaften zu erhalten.

So richtig spannend wird es jedoch erst, wenn viele Moleküle in kurzer Zeit kombiniert werden können. Die Wissenschaftler erstellen für diesen Zweck sogenannte Bibliotheken. Das ist nichts anderes als eine genau dokumentierte Sammlung bestimmter chemischer Verbindungen. Sie bildet die Basis für die Synthese und Entdeckung neuer Moleküle. Solche Bibliotheken sind auch für die Pharmaindustrie interessant. Henrik Pedersen von der dänischen Firma Nuevolution berichtete am Symposium über die Möglichkeiten, auf diese Weise neue Medikamente zu entwickeln. Seine Firma hat in den letzten Jahren eine der grössten Bibliotheken aus arzneimittelähnlichen Verbindungen aufgebaut.

PCR als Grundlage

Alle diese Anwendungen wären nicht möglich, wenn Kary Mullis 1983 nicht die Polymerase Chain Reaction (PCR) erfunden hätte. Dank Mullis‘ Erfindung können bestimmte Abschnitte der DNA kopiert werden. 1993 erhielt er dafür den Nobelpreis. Neben seinem eigentlichen Vortragsthema, das den Titel „DNA Aptamers and Chemically Programmable Immunity“ hatte, erzählte Karry Mullis einmal mehr die Geschichte rund um die heute so häufig angewandte PCR. Eines der interessantesten Details: Nature und Science lehnten damals seine Publikation über die PCR-Technik ab. Mullis meldete darauf hin ein Patent an; und für diese Erfindung erhielt er zehn Jahre später den Nobelpreis.


Fussnoten:
(1) Vgl. dazu den ETH Life-Bericht "Chemische Partnersuche" vom 7. Mai 2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/neriesachel.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!