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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.12.2004 06:00

6. EIPIN-Kongress des Nachdiplomstudiums "Geistiges Eigentum"
Potente Patente

Patente bilden ein potentes Werkzeug, um Innovationen zu schützen und dadurch Investitionen in Forschung und Entwicklung zu fördern. Ende letzter Woche trafen sich an der ETH Zürich rund 100 Nachdiplom-Studierende aus ganz Europa zu einem Kongress über Patentschutz und gerichtliche Durchsetzung von Patenten. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die Patente im Bereich der Biotechnologie. "ETH Life" diskutierte mit einer Teilnehmerin.

Von Jakob Lindenmeyer

"Anstatt nur Gesetze zu lesen, können wir an diesem Kongress das Gelernte direkt anwenden und in den Arbeitsgruppen und der gespielten Gerichtsverhandlung versuchen, die Jury zu überzeugen", freut sich die 27-jährige Nachdiplomstudentin Simone Locher am zweiten Tag des EIPIN-Kongresses (siehe Kasten unten). Die dabei trainierte Sozialkompetenz im Umgang mit den Teamkollegen aus allen Ecken Europas sei ein entscheidender Faktor im zukünftigen Berufsleben als Patentanwältin. Zudem profitiere sie vom Erfahrungsaustausch mit den ausländischen Kollegen und könne während des Kongresses ihr Beziehungsnetz ausbauen.


Der EIPIN-Kongress

Das European Intellectual Property Institutes Network (EIPIN) (1) ist ein Netzwerk von vier europäischen Ausbildungsstätten, welche sich auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums spezialisiert haben. Beteiligt sind neben der ETH auch die Robert Schuman Universität in Strasbourg, die Universität Alicante in Spanien und die Universität London. Das EIPIN wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, den Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen den Instituten und deren Studierenden zu verbessern, die sich mit dem Geistigen Eigentum beschäftigen. Die Nachdiplomstudierenden treffen sich während der einjährigen Ausbildung dreimal zu gemeinsamen Arbeitsveranstaltungen Erstmals nahmen am Kongress auch Studierende des Munich Intellectual Property Law Centers teil. Die Teams setzen sich zusammen aus je einem Studierenden der beteiligten Institute.



Während ihres Biologiestudiums an der ETH vertiefte sich Simone Locher ins Gebiet der Zellbiologie. Doch bald merkte sie: "Das Labor ist kein Ort, an dem ich glücklich werde." So jobbte sie zuerst zwei Jahre in der Arzneimittel-Registrierung von Novartis, bevor sie dieses Jahr an die ETH zurückkehrte und mit dem Nachdiplomstudium "Geistiges Eigentum" (siehe Kasten unten links) die Ausbildung zur Patentanwältin begann. Die einjährige Dauer scheint zwar kurz, ist aber nicht zu unterschätzen:

Seriosität durch Berufserfahrung

"Das Nachdiplomstudium ist wegen der aufwändigen Vorbereitungen und der enormen Quantität des Stoffes wesentlich zeitintensiver als mein erstes ETH-Studium", stöhnt Locher. Oft vertiefe sie sich bis Mitternacht in den Lehrbüchern und müsse dann schon frühmorgens in den Vorlesungen und Übungen wieder voll mitmachen. Das sei zwar anstrengend, aber: "Eine gute Vorbereitung ist unabdinglich, um von diesem Studium zu profitieren." Möglicherweise seien auch das Alter und die Berufserfahrung Gründe, warum sie und ihre Kollegen das Nachdiplomstudium wesentlich seriöser betrieben als das Erststudium.


Nachdiplomstudium "Geistiges Eigentum"

Hauptthemen des Nachdiplomstudiums Intellectual Property (NDSIP) sind die Schutzinstrumente des Geistigen Eigentums (Patent-, Marken- und Urheberrecht sowie das Lizenz- und Wettbewerbsrecht), Lizenzverträge und strategische Schutzaspekte von Unternehmen. Das NDSIP vermittelt Grundkenntnisse, welche den Eintritt in die Patent-, Lizenz- oder Markenabteilung eines Industrieunternehmens oder in eine entsprechend tätige freiberufliche Patentanwaltskanzlei erleichtern. Den Absolvierenden stehen aber auch Tätigkeiten im Management, in der Forschung oder in einer Behörde offen. Zielpersonen der Ausbildung sind Absolventinnen und Absolventen eines technischen, naturwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlich-technischen Studiengangs. Zur Zeit belegen 17 Vollzeit-Studierende das Nachdiplomstudium. Weitere Informationen unter (2).




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Die Nachdiplom-Studentin Simone Locher vor dem Registration desk des EIPIN-Kongresses. gross

Ihre Zukunft als Patentanwältin sieht Locher in einer auf Patentschutz spezialisierten Anwalts-Kanzlei. Daneben sähe sie auch die Möglichkeit, bei einer Behörde wie dem Europäischen Patentamt EPA zu arbeiten. "...oder ich kann mir auch durchaus vorstellen, wieder zurück in die Industrie zu gehen, beispielsweise in die Patentabteilung von Novartis", meint Locher. Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg. Nach dem Nachdiplomstudium müsse sie zuerst drei Jahre Praxis haben, bevor sie die als schwierig eingeschätzte europäische Patentanwalts-Prüfung ablegen dürfe.

Zukunft auf Europäischer Ebene

Dass sowohl am Kongress als auch im Nachdiplomstudium meist Englisch gesprochen wird, macht Locher keine Mühe. Das vor zehn Jahren während eines Austauschjahres angeeignete Amerikanisch aus dem "middle of nowhere" von Indiana hält bis heute an und erleichtert ihr das Verstehen der Team-Kollegen. Für Locher ist denn auch klar, dass sie als Patentanwältin hauptsächlich auf europäischer Ebene aktiv sein wird, denn "Die Zeiten, wo ein Patent nur für die Schweiz registriert wurde, sind heute vorbei."

Neben der herausfordernden Arbeit in der Kleingruppe schätzte Locher am diesjährigen EIPIN-Kongress in Zürich zum Thema "Patents and Patent Litigation" die Show-Gerichtsverhandlung (3) am letzten Samstagmorgen und die Themen-Schwerpunkte zu Biotech-Patenten. (4) "Da ich mich später auf Patente im Bereich Biotechnologie, Chemie und Pharma spezialisieren will, finde ich es besonders spannend, mehr übers Patentwesen in diesem innovativen Bereich zu erfahren." Rund die Hälfte ihrer 16 NDSIP-Studienkollegen käme aus diesem Bereich. Auch zeigte beispielsweise der Vortrag zur umstrittenen Patentierung der Harvard Oncomaus, dass in diesem neuen Bereich sich das Patentrecht erst noch seinen Platz suchen muss; auch in der Schweiz (siehe Kasten).


Streitfall Biotechpatente

(mib) Das Schweizer Patentrecht ist zurzeit in Revision. Kernpunkt ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen Erfindungen im Bereich der Biotechnologie patentiert werden können. Ausschlaggebend dafür war eine im April 1999 von Ständerätin Helen Leumann (FDP/LU) eingereichte Motion, die eine Angleichung des schweizerischen Patentrechts an die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Patentrechts verlangte. In dieser Richtlinie werden biotechnologische Erfindungen behandelt. Zwei Jahre später beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine Vernehmlassung zur Patentgesetzrevision durchzuführen. Diese führte zu einer Versachlichung der Diskussion über die Patentierung biotechnologischer Erfindungen. Ende 2002 wurde schliesslich die Gesetzesbotschaft ausgearbeitet und im Juli 2004 in eine zweite Vernehmlassung geschickt, die bis Ende Oktober dauerte. Demnächst werden sich die Eidgenössischen Räte mit dem Thema befassen müssen.

Wichtigster Streitpunkt ist die Erteilung von Patenten auf Lebewesen (5). Gemäss François Meienberg von der Erklärung von Bern ist dies „ein Verstoss gegen die Würde der Kreatur“. Dieser Meinung schliessen sich die Entwicklungs- und Umweltverbände Swissaid, Greenpeace, terre des hommes, WWF und Pro Natura an.

Auf der anderen Seite lobbyiert Thomas B. Cueni, Generalsekretär der Interpharma, für eine breite und offene Auslegung des Patentrechts. Cueni sagt: „Innovationen sind ein wichtiger Anreiz für neue Investitionen am Standort Schweiz und sind daher durch Patente zu schützen.“ Gene und Gensequenzen sollen aber nur dann durch Patente geschützt werden können, „wenn in der Patentanmeldung sowohl die Funktion einer Gensequenz als auch eine damit verbundene gewerbliche Anwendung konkret beschrieben sind.“ Dieser Meinung schliessen sich die Akademien der Medizinischen Wissenschaft und der Naturwissenschaften an. Zustimmend hat sich auch unitectra geäussert, die Technologietransferstelle der Universitäten Bern und Zürich.




Fussnoten:
(1) Website der EIPIN-Konferenz: www.eipin.org/
(2) Website des Nachdiplomstudiums Geistiges Eigentum: www.ndsip.ethz.ch/
(3) “ETH Life”-Artikel über die EIPIN Show-Gerichtsverhandlung zum Thema Parallelimporte: www.ethlife.ethz.ch/articles/mootcourt.html
(4) “ETH Life”-Artikel über das Patentrecht im Bio- und Chemiebereich: www.ethlife.ethz.ch/articles/Patentrechte.html
(5) Hintergrundinformationen zum Thema „Biotechpatente“ hat die Stiftung Science et Cité aufbereitet: www.science-et-cite.ch/projekte/patente/docs/de.aspx. Ebenfalls nützliche Informationen stellt das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) zur Verfügung: www.ige.ch/D/jurinfo/j100.shtm



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