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Rubrik: Tagesberichte |
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Jubiläumsrückblicke der ETH Technikgeschichte Der Hörsaal. Die Bühne der Professoren |
Wissenschaftliche Fragen, Methoden und Forschungsergebnisse sind nur bedingt sprachlich vermittelbar. Die Rede von der 'Einheit von Lehre und Forschung' bringt das Kommunikationsdilemma auf den Punkt. Der Professor ist in dieser Beschreibung die zentrale Instanz zur Überwindung des Problems und der Hörsaal die geeignete Kulisse für diese Aufgabe. Von Andrea Westermann, Technikgeschichte der ETH Zürich Hörsäle befinden sich in Kollegien- und Hauptgebäuden von Universitäten, in Instituten und in Kliniken. Ihre Gestaltung, der Ausbau und die Einrichtung sollen "zunächst einmal den erfolgreichen Ablauf des Unterrichts dadurch verbürgen, dass der Vortragsgegenstand einer bestimmten Hörerzahl in der wirksamsten, die Arbeit des Vortragenden fördernden und die Aufnahmefähigkeit der Zuhörer erhöhenden Weise mitgeteilt werden kann". So leitete der Berliner Architekt Gellinek den Abschnitt "Die Sehgüte" seiner an der TH Berlin 1933 eingereichten Dissertation "Der Hörsaal im Hochschulbau" ein. Auch die in den hinteren Reihen Sitzenden sollen den Vortragenden und seine den Vortrag begleitenden Tafeln und Tafelanschriebe mühelos sehen. Das einfachste Mittel, dies zu erreichen, ist ein Vortragspodium. "Bei zunehmender Grösse des Saals und bei mehr als zehn Sitzreihen ist das andere Mittel, um eine gute Sicht herzustellen, das Ansteigen der Sitzreihen nach hinten“, so der Architekt. Schleusen zwischen Forschung und Lehre Die Besonderheiten der vorgetragenen Lehrgebiete stellen je eigene Anforderungen an die räumliche Einbettung und Ausgestaltung des Auditoriums. Die Physik- und Chemiehörsäle – kleine für die Theorie- und grosse für die Experimentalvorlesungen – sind in eigenen Institutsgebäuden untergebracht. Sie benötigen Versorgungsinfrastrukturen, "weitverzweigte Leitungssysteme zu den energielieferenden Maschinenräumen" sowie Belüftungsanlagen. Der Anstieg der Sitzreihen in den grossen naturwissenschaftlichen Experimentalvorlesungsräumen hat ausser der guten Sicht auf den "bewegten Vortragenden" die genaue Einsicht in die auf Tischen aufgebauten Versuche zum Ziel. Die Reihen sind deswegen etwas steiler als in Hörsälen mit vorwiegend "rednerischem, von Tafelschrift und Lichtbild begleitetem Vortrag". Wenn vom Podium als "Vortragsbühne" die Rede war, durfte das inszenatorische Hilfsmittel Licht nicht fehlen. Podiumbandleuchten, Tafelscheinwerfer und Saalleuchten optimierten den Auftritt des Professors, der aus den Vorbereitungs- und Sammlungsräumen kommend seitlich den Hörsaal betrat. Die Vorbereitungsräume waren die faktischen und symbolischen Schleusen zwischen Forschung und Lehre. Sie waren ein vom Hörsaal aus nicht einsehbares Reservoir an kanonischen Versuchen und didaktischen Medien.
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Zutritt hatten nur die unmittelbar zum Institut gehörenden Professoren, Assistenten und Laboranten. Imposante Repräsentation Auf dem Bild aus den späten 1910er Jahren ist der Professor für technische Chemie Hans Eduard Fierz mit einem Laborgehilfen im Hörsaal für organische und anorganische Chemie zu sehen. An der Decke sind die Scheinwerfer angebracht. Das Bild präsentiert die Chemie als komplexe Anordnung von Wissen, Stoffen und Apparaten, die Handgriffe müssen sitzen. Der Chemieassistent Dr. Brenner, der die Aufnahme für sein privates Album machte, vermisste die zuhörenden Studenten offenbar nicht, um den Zweck des Hörsaals 'in action' festzuhalten. In gewisser Weise hatte er Recht, denn Brenners Kamera verlieh der Demonstration bereits Sinn: Das Fach war imposant repräsentiert. Um aber die akademische Selbstbeschreibung 'Einheit von Lehre und Forschung' zu verstehen, reicht diese Momentaufnahme nicht. Die Berücksichtigung eines über längere Zeit aufmerksamen Publikums ist dafür unerlässlich. „Belsazar“ – ein Anzug-schonender Projektor Im Hörsaal erleichterten Vorführtechniken die Kommunikation mit diesem studentischen Publikum. "Der naturwissenschaftliche Vortrag lässt seine beweglich aufgebauten Versuchsanordnungen im grossen Hörsaal durch dahintergestellte Lichtwerfer als Schattenriss auf der ganzen Tafelwand erscheinen", beschrieb Gellinek den state of the art der Experimentalvorführung in den 1930er Jahren. Auch der eben erfundene Hellraumprojektor kam zum Einsatz. Der von Zeiss-Jena konstruierte "Schreib-Projektionsapparat Belsazar", nach dem alttestamentarischen babylonischen König benannt, der Gott lästerte und dem darauf die an der Wand lodernde Warnschrift 'mene mene tekel ufarsin' erschien, "mache den unbequemen Gebrauch von Kreide und Schwamm" überflüssig und schonte den eleganten Anzug des auf dem Podium agierenden Professors. Denken = Forschen Ihm kam es zu, den Studenten die Komplexität der wissenschaftlichen Forschung und ihrer Methoden aufzuschlüsseln, einerseits durch Mitteilung, vor allem aber durch Anregung zum selbsttätigen Denken. In der Logik der Einheit von Lehre und Forschung war der vorgeführte Denkakt ein genuiner Forschungsakt. Der freie Vortrag vor Zuhörern feuere den Forscher ebenso an wie die einsame Musse des Schriftstellerlebens oder die lose Verbindung einer akademischen Genossenschaft, urteilte Wilhelm von Humboldt 1810 in seinem Fragment "Die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin" und befestigte damit den Topos, nach dem Reproduktion von Wissenschaft Produktion von Wissenschaft war. |
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