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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.04.2004 06:00

D-CHAB-Forum über neue Materialien
„Fluor ist kein langweiliges Element“

Massgeschneiderte Polymere, proteinabweisende Oberflächen von Implantaten und Impfstoffe gegen Krankheiten wie Malaria und Aids: Solche Produkte aus dem Chemielabor werden unsere Zukunft prägen. Vergangene Woche wurden sie am fünften Forum des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB) (1) auf dem Hönggerberg vorgestellt.

Von Michael Breu

Jedes Jahr erkranken weltweit mehr als 300 Millionen Menschen an Malaria, eine Million stirbt daran. Davon am häufigsten betroffen sind Kinder: Täglich sterben 3000 Mädchen und Knaben unter fünf Jahren an Malaria, schreibt die Weltgesundheitsorganisation in einem aktuellen Bericht. 90 Prozent der Todesfälle treten alleine in Afrika auf. Aber auch in anderen Kontinenten nehmen die Krankheitsfälle zu – vor zwei Jahren registrierte Deutschland 1040 Malariafälle mit 8 Toten.

Zuckermolekülen auf der Spur

Therapien gegen die Malaria gibt es erst rudimentäre – zum Beispiel die Behandlung mit Chloroquin. Eine Impfung existiert bislang nicht. Das könnte sich ändern. Im kommenden Jahr soll ein entsprechender Wirkstoff klinisch getestet werden (Nature, 2002, 418: 785-789). Federführend an seiner Entwicklung ist Peter H. Seeberger, Professor am Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich (2). Der Chemiker hat sich auf die Synthese komplizierter Kohlenhydrate spezialisiert und untersucht, wie diese Zuckermoleküle zusammen mit Proteinen auf und in den Zellen wechselwirken – Glycomics, heisst dies im Fachjargon. Seeberger ist es dabei gelungen, Oligosaccharide schnell und effizient herzustellen. Dafür hat er eine automatisierte Syntheseapparatur entwickelt, die innert einem Tag so viele Material herstellen kann, wie Biologen für Tests benötigen (Science, 2001, 291: 1523-1527).

Die futuristischen Gebilde aus metallorganischen Gerüstmaterialien haben es in sich. Ein Raumgitter mit vielen offenen Poren und Kanälen macht die Nanowürfel zu einem idealen Speichermedium für Wasserstoff. gross

Ebenfalls mit neuen Synthesemethoden beschäftigt sich Antonio Togni, ETH-Professor am Laboratorium für Anorganische Chemie (3). Der Bündner arbeitet mit enantioselektiver Katalyse, bei der Wasserstoff- gegen Fluoratome ausgetauscht werden. „Fluor ist kein langweiliges Element“, sagt der Chemiker, „auch wenn es auf den ersten Blick so erscheint.“ Fluor steht im Periodensystem der Elemente an neunter Stelle und nimmt dort eine Randposition ein. Gerade deshalb ist es aus energetischer Sicht interessant: Die Fluor-Kohlenstoff-Bindungen sind stabiler und kürzer als entsprechende Bindungen anderer Halogene. Deshalb sind fluororganische Verbindungen in der pharmazeutischen Chemie äusserst beliebt. Ein Beispiel für ein solches Medikament ist das Antidepressivum „Prozac“ (Fluoxetine), mit dem das Unternehmen Eli Lilly einen Jahresumsatz von 2,56 Milliarden Dollar erzielt. Auch in der Natur wurden mittlerweile organische Fluorverbindungen entdeckt, obschon sie äusserst selten sind; ein Beispiel dafür ist die Fluoressigsäure (Nature, 2002, 416:279).


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Die Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich ganz gezielt durch ihre molekulare Struktur einstellen. Ein Forscher untersucht mit dem Transmissionselektronenmikroskop ein Polymer. Bilder: BASF gross

Im weitesten Sinne mit Naturstoffen befasst sich Manfred Zinn von der EMPA St.Gallen (4). Der Biochemiker hat sich auf Polyhydroxyalkanoate spezialisiert und untersucht deren Eigenschaften als Biokunststoffe. Am detailreichsten beschrieben ist die Polyhydroxybuttersäure (PHB). Sie wurde 1926 entdeckt und 1988 von ETH-Professor Dieter Seebach genauer untersucht. Seit 1985 ist PHB unter dem Namen „Biopol“ patentiert (zuerst von Zeneca, später durch Monsanto und heute von Metabolix). Zinn untersucht, wie Bakterien diese PHB herstellen und wie dieser Prozess beeinflusst werden kann. „Unsere Spezialität ist die so genannte Doppellimitation des Zellwachstums, welches durch definiert zusammengesetzte Kulturmedien erzielt wird“, sagt der Chemiker. Polyhydroxyalkanoate sind biokompatibel und biologisch abbaubar. Eingesetzt werden sie in der Verpackungsindustrie, als Pflaster, als „Vorratsgefäss“ für Medikamente (Mikrogranula) und für Implantate (zum Beispiel als Träger von mesenchymalen Stammzellen).

Oberflächen für Transplantate

Mit Oberflächen beschäftigt sich Marcus Textor, Professor am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich (5). „Von der energetischen Seite aus betrachtet, versucht eine Oberfläche immer, die Grenzflächenenergie zu minimieren, um das System zu stabilisieren. Daher sind Atome an der Oberfläche meist hoch reaktiv“, erklärt der Materialwissenschafter. Textor hat in seinem Labor Oberflächenbeschichtungen für Transplantate entwickelt, welche die unerwünschte Adsorption von Proteinen verhindern und somit Entzündungsreaktionen vorbeugen. Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Entwicklung von Mikroträgern für die Arzneimittel-Verabreichung – ein Gebiet, auf dem auch Manfred Zinn und Peter Seeberger forschen. „Das gibt eine gute Zusammenarbeit“, ist sich Textor sicher.

„Zusammenarbeit ist sehr wichtig“, findet Dieter Distler, Forschungschemiker der BASF in Ludwigshafen (6). Vor allem brauche es den Austausch zwischen Hochschulen und Industrie. „Das ist an der ETH vorbildlich“, lobt er, „viele Chemieprofessoren gehen nach dem Uniabschluss und dem Postdoc in die Praxis und kehren später wieder an die Hochschule zurück.“ Distler forscht in seinem Labor an funktionalen Polymeren, die unter anderem in der Bauindustrie Verwendung finden. „Chemie kann den Bau revolutionieren, nicht allein die Technik“, ist er überzeugt.


Fussnoten:
(1) Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften: www.chab.ethz.ch/
(2) Gruppe Prof. Peter H. Seeberger: www.seeberger.ethz.ch/
(3) Gruppe Prof. Antonio Togni: www.chab.ethz.ch/personen/prof/togni
(4) Gruppe Dr. Manfred Zinn: www.empa.ch/plugin/template/empa/*/3862/---/l=1
(5) Gruppe Prof. Marcus Textor: www.textorgroup.ch/
(6) Gruppe Dr. Dieter Distler: www.corporate.basf.com/de/innovationen/felder/nanotechnologie/



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