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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 10.01.2007 06:00

Expedition auf den pakistanischen Gasherbrum II
Zwischen Himmel und Bergen

Der ETH-Postdoktorand Jan Beutel bestieg vergangenen Sommer mit vier Freunden den 8035 Meter hohen Gasherbrum II in Pakistan. Im Gespräch mit ETH Life erzählt er von körperlicher Höchstbelastung vor und während der Expedition, Glücksgefühlen beim Aufstieg in eine Wolke und den Freiheiten an der ETH Zürich.

Samuel Schlaefli

Im Sommer 2005 kam der Plan erstmals auf den Tisch: Jan Beutel beschloss gemeinsam mit seinen Bergsteigerfreunden aus Tirol die Planung einer Expedition zur Besteigung des 8035 Meter hohen Gasherbrum II in Pakistan. In eineinhalb Jahren sollte es soweit sein, die Zeit bis dahin würden sie für die Organisation und vor allem das Konditionstraining nutzen. Doch plötzlich ging alles sehr schnell. Einer der involvierten Freunde erzählte Beutel in der Silvesternacht 2005 von einer vororganisierten Expedition im kommenden Sommer. Obwohl ihm ein halbes Jahr zur physischen und psychischen Vorbereitung auf den 8000er etwas gar knapp schien, begossen sie das Projekt noch am gleichen Abend.

Entspannung als Voraussetzung

Jan Beutel ist Postdoktorand am Institut für Technische Informatik und Kommunikationsnetze (TIK) der ETH Zürich, diplomierter Skilehrer sowie Skiführer und verbringt einen Grossteil seiner Freizeit in den Bergen. „Wenn man so etwas machen will, muss man einen gewissen Willen zum Leiden mitbringen“, resümiert Beutel. Er habe während der Vorbereitungsphase oft am Feierabend den Uetliberg im Joggingtempo bestiegen - mit dem Rucksack voller Milchbeutel am Rücken. Nur so war es ihm möglich die Bedingungen auf 8000 Meter Höhe annähernd zu simulieren. Einem eisernen Trainingsprogramm folgend, legte er während fünf Monaten rund 40`000 Höhenmeter zurück. Beutel ist überzeugt, dass ihm das Umfeld der ETH bei der Vorbereitung stark zugute kam: „Wenn es meine Arbeitsplanung zuliess, konnte ich an einem sonnigen Tag auch mal spontan auf den Mont Blanc steigen“. Neben dem körperlichen Training war für ihn auch die mentale Vorbereitung wichtig: „Ich wollte die Expedition absolut ausgeruht und im inneren Gleichgewicht angehen. Wenn man von vornherein Angst oder Zweifel verspürt, hat man bereits verloren“.

Die pakistanischen Träger gönnen sich auf dem Weg zum Basislager eine kurze Pause. (Bild: Jan Beutel) gross

Gemeinsam mit seinen vier Freunden – alles erfahrene Berg- und Skiführer – flog Beutel am 27. Juni 2006 von Zürich nach Islamabad, von wo aus die Expedition mit dem Bus über weitere 900 km in die Provinzhauptstadt Skardu gelangte. Die 120 km von Skardu bis zum Basislager am Bergfuss auf 5000 Meter Höhe legte die Gruppe in Begleitung von lokalen Trägern planmässig in neun Tagen zurück. Vier Wochen verbrachte Beutels Team insgesamt im Basislager, um sich an die Höhe zu gewöhnen und den idealen Zeitpunkt für den Aufstieg abzuwarten. Die Bergsteiger nutzten die Zeit um sich mit den anderen stationierten Expeditionen über mögliche Aufstiegstrategien und wichtige Vorkehrungen zu beraten. Zum weiteren Herantasten an die bevorstehenden Bedingungen auf über 8000 Meter unternahm die Gruppe mehrere Aufstiege mit Übernachtungen in Lager Eins auf 6000 Meter, Lager Zwei auf 6500 Meter und Lager Drei auf 7000 Meter. Da Beutel und seine Freunde ab dem Basislager auf Hochträger verzichteten, nutzten sie die Besuche der Hochlager gleichzeitig um einen Teil des Materials für den finalen Aufstieg zu deponieren.

"Home sweet home" auf 6500 Meter: Die Tiroler Expedition im Camp Zwei. (Bild: Jan Beutel) gross


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Jan Beutel (l) und Joe Zangerle nach dem Gipfelsturm auf 8035 Meter Höhe. Im Hintergrund der K2 und der Broad Peak. (Bild: Jan Beutel) gross

Auf Augenhöhe mit dem K2

Am 28. Juni war es endlich soweit: Obwohl Beutel aufgrund von Durchfall die vergangenen Nächte nur wenig geschlafen hatte, entschied sich das Team den Gipfelsturm in der folgenden Nacht zu wagen. Nach einer Übernachtung in Lager Zwei, und einem halben Tag Ruhe in Lager Drei, entschied sich das Team Lager Vier zu überspringen und die letzten 1000 Höhenmeter an einem Stück zu erklimmen. Das Wetter war der Expedition wohl gesinnt: „Ein stahlblauer Himmel, Sonnenschein und angenehme Temperaturen – es schien ein wenig wie auf einer Frühjahrestour bei uns in den Westalpen, nur dass ich nach jedem Schritt fünfmal heftig Schnaufen musste“, erinnert sich Beutel an den Tag des Gipfelsturms.

Am frühen Vormittag erreichte er den Gipfel als erster seiner Expedition. „Kurz vor dem Gipfel sah ich über mir eine dunkle Verfärbung des Himmels. Erst auf dem Gipfel wurde mir bewusst, dass ich soeben in eine Wolke eingetreten war“. Als sich diese verzogen hatte, erlebte er ein Panorama wie aus dem Bilderbuch: „Die Aussicht entschädigte für alle vorhergehenden Strapazen. Ich stand auf einmal in Augenhöhe mit 8000ern wie dem K2 oder dem Broad Peak und realisierte erstmals, dass ich aus eigener Kraft, ohne den Gebrauch von zusätzlichem Sauerstoff, auf dem Gipfel des dreizehnthöchsten Berges der Erde angekommen war.“ Leider gelang der Aufstieg nicht allen so gut wie ihm. Der Expeditionsleiter Christian Gabl musste seinen Aufstieg wegen einer Erkältung im Lager Drei vorzeitig abbrechen. Dies obwohl er langjährige 8000er-Erfahrung mitbrachte. Joe Zangerle, der den Gipfel als zweiter erreichte und ebenfalls ausgiebige Höhenerfahrung vorweisen konnte, gestand Beutel später, dass er bei der Ankunft auf dem Gipfel vor lauter Erschöpfung alles doppelt gesehen habe. Alfred Fluer und Egon Netzer, der Vierte und Fünfte im Bunde, erreichten den Gipfel aufgrund eines längeren Zwischenhalts in Lager Drei erst zwei Tage später. Beutel wundert sich noch heute, weshalb gerade ihm als „Küken“ der Truppe der Aufstieg am wenigsten zu schaffen machte.

Egon Netzer beim Anschneiden der Willkommens-Torte nach der Rückkehr vom Gipfel ins Basislager. (Bild: Jan Beutel) gross

Zivilisation nicht vermisst

Nach gut zweieinhalb Stunden auf 8035 Meter kehrten Beutel und seine drei Freunde ins Lager Zwei und am nächsten Morgen ins Basislager zurück. Dort erholten sie sich sechs Tage von der Erschöpfung des Gipfelsturms, warteten auf die Träger für die Rückreise und genossen das Glücksgefühl der erfolgreichen Besteigung. Nach fast sechs Wochen auf den Beinen war Beutel der Jeep willkommen, auf dessen Ladefläche die Expedition den letzten Teil des Weges nach Islamabad zurücklegte. Die Zivilisation hatte er in den vergangenen Wochen überhaupt nicht vermisst: „Ich habe sieben Wochen lang keine E-Mails gelesen und bewusst auf sämtliche Kontaktmöglichkeiten mit der Welt ausserhalb unserer Expedition verzichtet. Das war dermassen erholsam, dass man eine solche Reise alle paar Jahre wiederholen sollte“. Trotzdem hat Beutel momentan noch keine weiteren Expeditionspläne. Der nächste Berg müsste seiner Meinung nach nicht mehr unbedingt so hoch, dafür technisch etwas anspruchsvoller sein. Ist also der grosse Bruder vom Gasherbrum II noch kein Thema? „Nein, vor dem K2 hätte ich definitiv noch zuviel Respekt“, gesteht Beutel.

Jan Beutel hält am kommenden Donnerstag einen Vortrag mit Diaschau über seine Expedition auf den Gasherbrum II: 11.01.2007, 18:15 Uhr ETH Zürich, HG D5.2, Rämistrasse 101


Literaturhinweise:
Ein Reisetagebuch der Expedition ist zu finden unter: www.tik.ee.ethz.ch/~beutel/gasherbrum2006/index.php



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