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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.08.2006 06:00

Mit ETH-Glaziologe Andreas Bauder auf dem Gornergletscher
Erlebnis Gletscher

"ETH Life" begleitete den Gletscherforscher Andreas Bauder von der ETH-Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie auf den Gornergletscher.

Jonas Baud

Man fühlt sich wie in einer anderen Welt. Beinahe unwirklich schön das Panorama: Über uns das mächtige Monte-Rosa Massiv mit dem höchsten Punkt der Schweiz, der Dufourspitze (4634 m) und rechts das majestätische Matterhorn. Wir sind umgeben von einer weissen Landschaft: Das ewige Eis des Gornergletschers, gespickt mit Geröll und Schutt. Jeder Schritt auf diesem Boden muss geprüft werden; es ist nicht ungefährlich, sich hier zu bewegen. Unvermittelt tut sich eine Spalte auf, oder eine Wasserpfütze. Es ist ein faszinierendes Gefühl, sich in dieser Eiswüste zu befinden, und das mitten im Sommer, bei perfekten Bedingungen.

Gletscherforschung im Alltag

"ETH Life" hatte die Möglichkeit, den ETH-Gletscherforscher Andreas Bauder und seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Jens Eller einen Tag lang auf dem Gletscher zu begleiten und die Forschungsaktivitäten zu beobachten. Wir fuhren gemeinsam in Zürich los in Richtung Zermatt. Dort stiegen wir um auf die Gornergratbahn, die uns langsam, aber stetig 1'500 Höhenmeter hinauf in die prächtige Alpenwelt brachte. Unser Ziel war die Station Rotenboden; von dort aus wanderten wir hinunter zum Gletscher.

Der Gornergletscher ist etwa 13,5 Kilometer lang und bedeckt mit allen Seitengletschern eine Fläche von 60 Quadratkilometern. Er bildet somit hinter dem Aletschgletscher die zweitgrösste zusammenhängende Gletscherfläche der Schweiz.

Datenfluss vom Gletscher nach Zürich

Die ETH betreibt ein umfangreiches Messdispositiv auf dem Gletscher. Gemessen wird unter anderem die Eisbewegung. Andreas Bauder: „Dieser Gletscher bewegt sich im Untersuchungsbereich etwa 20 Meter pro Jahr“. Registriert wird dies durch rund 40 Messtangen, die im Eis stecken.. Ein Laser-Theodolit ausserhalb des Gletschers misst stündlich Winkel und Distanzen und kann so die aktuelle Position der Stationen eruieren. Ein stationärer Computer erfasst die Daten. "Ich kann auf diese zugreifen und sie jederzeit anschauen. Sie werden einmal im Tag automatisch an die ETH übermittelt." Das erleichtere die Arbeit sehr.

Jeden Herbst werden die Stangen sechs bis acht Meter tief ins Eis eingebohrt. Da im Sommer die Eisdicke aufgrund der Schmelze stark abnimmt, müssen sie regelmässig kontrolliert werden. Genau dies nun war die Aufgabe des ETH-Forschungsteams unter der Leitung von Andreas Bauder, die ich auf diesem Rundgang begleiten konnte. Nur an einigen Stationen musste nachgebohrt werden, um zu verhindern, dass die Stangen vorzeitig ausschmelzen; ansonsten waren nur kleinere Korrekturen vorzunehmen, so dass wir relativ zügig vorankamen.

Bauder geniesst es bei seiner Arbeit, auch in der Natur Forschung betreiben zu können: „Mich fasziniert die Glaziologie, da Eis eine reine Materie ist und man am Objekt selber Experimente durchführen kann."

In den Schweizer Gletschern hat aufgrund der Klimaerwärmung in den letzten Jahren die Ablation - also die Schmelze - stark zugenommen. Die Masse und Länge der Gletscher nimmt generell mehr oder weniger schnell ab. Doch Andreas Bauder sieht noch keinen Anlass zu Alarmismus: „Da der Gornergletscher bis zu über 400 Meter dick ist, bleibt er uns noch lange erhalten“ .


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Forschung auf dem Gornergletscher: ETH-Glaziologe Andreas Bauder (links) zusammen mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Jens Eller (rechts) beim Auswerten von Messdaten. gross

Der Weg des Schmelzwassers

Ziel der Forschungen an diesem Gletscher ist es, das Entleeren des Gornersees (1) zu untersuchen, der jeweils im Frühsommer durch das Schmelzwasser entsteht. Der See bildet sich dort, wo Gorner- und Grenzgletscher zusammenfliessen. Im Laufe der warmen Jahreszeit entleert sich der See. „Es gibt verschiedene Szenarien, wie das passiert. Wenn ein gewisser Pegelstand erreicht wird, beginnt das Eis abzuschmelzen, und das Wasser fliesst subglazial ab. Dieses Jahr jedoch floss der See durch einen sich immer tiefer in die Oberfläche einfressenden Kanal, wodurch die vier bis fünf Millionen Kubikmeter Wasser langsam in eine sogenannte Gletschermühle abgeleitet wurden“ erklärt Andreas Bauder.

Durch diesen Gletscherkanal fliesst das Schmelzwasser des Gornersees dieses Jahr ab. gross

Um das Abfliessen des Wassers durch den Gletscher zu verfolgen, wird an verschiedenen Stellen der Wasserdruck gemessen. Zusätzlich registrieren Geophone und Seismometer des ETH-Instituts für Geophysik die Erschütterungen innerhalb des Gletschers.

Dem Beobachter bot dieser Forschungsrundgang einen spannenden und lehrreichen Einblick in die Feldarbeit der Glaziologen. Der Arbeitstag war am frühen Abend zu Ende, da uns noch der steile und anstrengende Aufstieg zum Nachtlager bevorstand: die Monte Rosa-Hütte auf 2'795 Metern. Vom eher ungeübten Berggänger aus dem Mittelland verlangte die Exkursion denn auch einiges ab. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Dieser Tag auf dem Gletscher war ein eindrückliches Erlebnis.


Literaturhinweise:
Website der ETH-Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie: www.vaw.ethz.ch/research/glaciology/
Tägliche Gletscherbilder: http://people.ee.ethz.ch/~glacier/acam.html/
Schweizer Gletschermessnetz: http://glaciology.ethz.ch/swiss-glaciers/glaciers/gorner.html/

Fussnoten:
(1) Vergleiche dazu "ETH Life"-Artikel über Gornersee: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/Gornersee.html



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