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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.05.2003 06:00

Dem grönländischen Klima auf der Spur
Forschen im ewigen Eis

Seit drei Jahren forscht eine Forschungsgruppe des Instituts für Atmosphäre und Klima der ETH auf dem höchsten Punkt in Grönland. Ein Doktorand hat einen Winter lang mitten auf dem Eisschild verbracht. Das Hauptziel der Untersuchungen ist ein besseres Verständnis der klimatischen Prozesse, die auf dem Eisschild ablaufen. Wichtigstes Hilfsmittel für die Erhebung der Daten ist ein 50 Meter hoher Forschungsturm.

Von Lukas Denzler

Rund acht Prozent der weltweit gespeicherten Eismasse liegen in Grönland. Bereits vor einigen Jahren konnte gezeigt werden, dass die Massenbilanz des grönländischen Eisschildes negativ ist, dass heisst im Sommer schmilzt mehr Eis, als im Winter wieder hinzukommt. Würde alles grönländische Eis schmelzen, stiege der Meeresspiegel um etwa sieben Meter. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, welche Prozesse und Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und der Gletscheroberfläche stattfinden. Nur so kann abgeschätzt werden, wie sich der Eisschild in Zukunft verhalten wird.

Ein 50 Meter hoher Turm auf dem Gletscher

Um dem grönländischen Klima auf die Spur zu kommen, führt Professor Atsumu Ohmura mit seiner Gruppe zum zweiten Mal ein grösseres Forschungsprojekt in Grönland durch. Während bei der ersten Expedition die Massenbilanz des Eisschildes untersucht wurde, stehen nun die Austauschprozesse zwischen der Atmosphäre und der Gletscheroberfläche im Zentrum. Die Untersuchungen sind Teil eines amerikanisch-europäischen Projektes, das über mehrere Jahre angelegt ist. Die Forschungsstation befindet sich auf Summit, dem mit 3'203 Meter über Meer höchsten Punkt Grönlands.

Mitarbeiter des Instituts für Atmosphäre und Klima installieren Messinstrumnete am 50 Meter hohen Turm (Bild: Institut für Atmosphäre und Klima). gross

Um meteorologische Daten in den untersten Luftschichten erheben zu können, haben die Forscher einen 50 Meter hohen Turm aufgebaut. Es sei dies der höchste Turm, der auf einem Gletscher stehe, sagt Atsumu Ohmura. Und man spürt den Stolz, wenn der Klimatologe erzählt, dass sein Team ganze zehn Tage brauchte, um den Turm aufzustellen. Die Gruppe um Ohmura hat in den letzten Jahren viel Zeit in die Entwicklung solcher Türme investiert. Die Spezialkonstruktion wiegt 1,2 Tonnen und muss neben den Instrumenten mindestens zwei Menschen tragen können und arktische Stürme aushalten.

Gegenwärtig forschen zwei Doktoranden und eine Doktorandin auf Summit. Sebastian Hoch ist seit der Planungsphase des Projektes dabei und beschäftigt sich mit der Strahlungsbilanz. „Es ist für mich eine einmalige Chance, zu sehen, wie sich ein internationales Forschungsprojekt entwickelt“, erzählt der junge Forscher. Summit sei besonders geeignet für klimatische Forschungen, weil die Messungen für eine relativ grosse Fläche des Eisschildes repräsentativ seien.

Positive Nettostrahlung

Das Energieangebot auf Summit wird vor allem durch die einfallende Sonnenstrahlung bestimmt. Ein Teil davon wird reflektiert. Um die Strahlungsverhältnisse genau charakterisieren zu können, werden alle Komponenten der Nettostrahlung nahe der Schneeoberfläche bestimmt. Als Nettostrahlung wird die Differenz zwischen einfallender und ausgehender Strahlung bezeichnet. Die ersten Ergebnisse der ETH-Forscher zeigen eine positive Nettostrahlung in den Sommermonaten.


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Viel Zeit wird für die Wartung der Instrumente gebraucht. Diese müssen periodisch von Rauhreif befreit werden (Bild: Institut für Atmosphäre und Klima). gross

Somit steht Energie für die Erwärmung der Luft und der Schneedecke zur Verfügung. Der Schnee sublimiert zu Wasserdampf und gelangt so direkt in die Atmosphäre. Eine Schneeschmelze wurde bisher nicht beobachtet. Würde Schnee schmelzen, hätte dies eine geringere Reflektion der Schneeoberfläche zur Folge, und das Energieangebot würde deutlich zunehmen.

Eine weitere wichitge Grösse ist die Albedo. Sie gibt an, welcher Teil der kurzwelligen Strahlung von der Erdoberfläche reflektiert wird. Die Albedo hängt im Falle Grönlands wesentlich von der Beschaffenheit der Schneeoberfläche ab. „Bisher wurde die zeitliche Variabilität der Albedo jedoch nur grob bestimmt“, erklärt Saskia Bourgeois. In ihrer Doktorarbeit möchte sie die Albedo auf Summit deshalb möglichst genau untersuchen und mit Satellitendaten vergleichen. Derzeit ist die Forscherin bereits zu ihrem dritten Aufenthalt nach Grönland unterwegs. Auf die Frage, was sie an ihrem Projekt fasziniere, antwortete Saskia Bourgeois vor ihrer Abreise: „Ich habe das Privileg, mit eigenen Daten arbeiten zu können und weiss so genau, wo diese herkommen und wie sie erhoben wurden.“

Den Winter auf Summit verbracht

Neben der Strahlung sind für die Energiebilanz aber auch die Prozesse in der unteren Atmosphäre bedeutsam. Auf dem Turm sind deshalb Instrumente für Temperatur-, Feuchtigkeits- und Windmessungen installiert. In den untersten 50 Metern der Atmosphäre haben die Forscher enorme Temperaturunterschiede festgestellt. So ist es an der Spitze des Turmes teilweise bis zu 30 Grad wärmer als am Boden. Der Grund für diese starke Abkühlung am Boden liegt in der stabilen Luftschichtung sowie der starken Wärmeabstrahlung der Oberfläche bei klarem Himmel. Mit einem speziellen Gerät wird die Windströmung 20 Mal pro Sekunde gemessen und vektoriell dargestellt. Um sämtliche Messungen zu überwachen und die Instrumente zu warten, hat Peter Schelander vor einem Jahr zusammen mit vier Amerikanern den Winter auf Summit verbracht und in dieser Zeit auch manche Schneestürme erlebt. „Diese sechs Monate waren schon sehr lang, aber es hat sich gelohnt“, erzählt der aus Schweden stammende Doktorand. Wieder in Zürich, hätten ihm die Füsse auf dem harten Asphalt eine Woche lang weh getan, weil er in Grönland ein halbes Jahr nur auf weichem Schnee gelaufen sei. Zur Zeit ist Peter Schelander mit der Auswertung der riesigen Datenmenge beschäftigt.

Ein permanentes Observatorium als Ziel

Die in Grönland gewonnenen Erkenntnisse tragen zur Verbesserung der Klimamodelle bei und ermöglichen damit bessere Prognosen, wie sich das Klima in Zukunft entwickeln wird. Die amerikanische Seite beabsichtigt, die Forschungsstation auf Summit fünf weitere Jahre zu betreiben. Und auch Atsumu Ohmura möchte weiterforschen. Grönland sei für Strahlungs-Experimente besonders geeignet, sagt der Klimatologe. Die Bewölkung sei gering und die Atmosphäre enthalte nur wenig Wasserdampf. Atsumu Ohmura schlägt deshalb vor, auf Summit ein permanentes Observatorium einzurichten.

Es gibt einen weiteren Grund, die Strahlung über eine längere Periode genau zu beobachten. Sie ist nämlich eng mit dem Klima verknüpft, während sich Änderungen des Klimas erst mit einer Verzögerung von etwa zehn Jahren auch auf die Temperatur auswirken und messen lassen. Würde also die langwellige Strahlung über viele Jahre beobachtet, so könnten Veränderungen des Klimas früher als heute erkannt werden.


Literaturhinweise:
Weitere aktuelle Informationen aus dem Foschungscamp in Grönland sind zu finden unter: www.summitcamp.org
Website des ETH-Instituts für Atmosphäre und Klima: www.iac.ethz.ch/



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