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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.12.2006 06:00

Osteoporoseforschung an der ETH
Knochenarbeit für Grossrechner

Weshalb will jemand eine Rekordgleichung mit über einer Milliarde Unbekannten lösen? Weil sich damit klären lässt, welche Belastung ein Knochen aushalten kann. Für die Osteoporoseforschung ist dies ein wichtiger Fortschritt.

Peter Rüegg

Auf den ersten Blick haben die beiden nicht viel Gemeinsames. Peter Arbenz, Informatik-Professor am Institut für Computional Science, löst mit Hilfe des Grossrechners am CSCS in Manno eine lineares Gleichungssystem mit 1,2 Milliarden Unbekannten. Ralph Müller, Professor am Institut für Biomechanik, erforscht mit Hilfe von Computertomographien den Knochenschwund, die Osteoporose. (1), (2) Doch was bringt die beiden auf den ersten Blick ungleichen Partner in einem Projekt zusammen?

Interessante Rechnung, wichtige Anwendung

„Das Projekt hat zwei Seiten“, sagt Arbenz. Für ihn, den Informatiker, sei es eine „interessante Rechnung“, für den Knochenforscher Ralph Müller eine „wichtige Anwendung“ vor dem Hintergrund des Knochenschwunds. Die Rechnung geht für beide auf. In Müllers Labor entstehen hoch aufgelöste Computertomographien von Knochen, die unter anderem die feinen trabekulären Strukturen abbilden. (3)

Daran lässt sich ableiten, wie stark sich die Knochenmasse aufgrund der Osteoporose bereits abgebaut hat. In einem zweiten Schritt wollen die Biomediziner jedoch auch herausfinden, wie stark die Knochen sind und unter welcher Belastung sie allenfalls brechen. Diese Werte berechnet der Informatiker Peter Arbenz. Das Rohmaterial für solche Rechnungen sind die hochauflösende CT-Bilder.

Knochenstruktur in Voxel umgebaut

Auf dem Computer werden die dreidimensionalen Bilder der Knochenstrukturen in Millionen lauter gleiche Würfel, so genannte Voxel, umgewandelt. Jedes Voxel hat acht Ecken, die sich in je drei Richtungen verschieben lassen. Die Verschiebungen entstehen, wenn man in der Simulation Druck auf den Knochen ausübt. Mit Hilfe der Verschiebungen in den Eckpunkten der Voxel können auf dem Computer die Spannungen berechnet werden, die in einem Knochen auftreten. Dies führt allerdings zu einem linearen Gleichungssystem mit über einer Milliarde Unbekannten. Dem Informatikprofessor ist es nun vor kurzem gelungen, eine solch riesiges System in nützlicher Frist, sprich in weniger als zehn Rechenminuten, auf dem Supercomputer am CSCS zu lösen – in der Osteoporoseforschung weltweit eine Premiere. Die Schlüssel zum Erfolg sind eine geeignete Vereinfachung der Gleichung, ein guter Algorithmus und ein cleverer Vorkonditionierer. Zudem müssen die Daten geschickt für die parallele Rechung angeordnet werden, sodass die PC möglichst wenig Informationen austauschen müssen. Dennoch braucht man noch immer die Leistung und vor allem den Speicher von 1000 PC, um eine solches Gleichungssystem lösen zu können.


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Abertausende von Würfeln stellen einen Ausschnitt aus einem Knochen dar und zeigen mittels Farbcode die Belastung an. (Bild: P. Arbenz / Institut für Computional Science) gross

Hätte Arbenz die vollständige Systemmatrix berechnen lassen, wären acht Exabyte (zehn hoch 18 Byte) Speicher nötig gewesen, was etwa dem Speicherumfang von einer Milliarde PC entspricht.

Quantensprung in Osteoporoseforschung

Das neue Rechenverfahren bringt den Biomechaniker Ralph Müller einen grossen Schritt vorwärts. „Wir haben damit ein neues Mass für Stärke des Knochens erhalten“, sagt er. Bisher habe man für grosse Knochensysteme experimentelle mechanische Tests durchführen müssen, um zu solchen Resultaten zu kommen. Unmöglich, dies an Patienten durchzuführen. Ziel ist es, die neue Methode im medizinischen Alltag einzusetzen. Die Idee ist, dass ein Arzt in seiner Praxis Bilder mit dem CT machen kann, diese auf seinem Computer berechnet und mit dem Patienten besprechen kann. Der Arzt könne dadurch verschiedene Szenarien berechnen, etwa wie schwer eine Einkaufstasche sein darf, damit das Handgelenk eines Patienten nicht bricht. Mit den Berechnungen könne man aber auch den Verlauf von Therapien aufzeigen, sagt Müller.

Soweit sind die beiden Forscher noch nicht. Selbst wenn ein Supercomputer die Daten innerhalb nützlicher Frist ausspuckt: Kaum ein Arzt oder Spital verfügt über eine solche Rechnerleistung. „Die Patienten müssten viel zu lange auf das Ergebnis der Berechnungen warten.“, sagt Arbenz. Ziel müsse es deshalb sein, das Programm so zu verbessern, dass es auch weniger Speicherplatz braucht. Arbenz ist zuversichtlich, dass dies auch gelingt: „Dennoch ist der neue Ansatz mit seiner 1000fachen Reduktion ein Quantensprung für Ralph Müllers Gruppe. Das eröffnet eine neue Welt der Analyse“. In der Zukunft soll das Programm so verbessert werden, dass es noch weniger Speicherplatz braucht und die Daten direkt in der Arztpraxis verarbeitet werden können. Arbenz ist zuversichtlich, dass dies auch gelingt

Datensätze werden noch grösser

Die Herausforderung steht. Heute bilden die Biomechaniker zum Beispiel nur den ersten Zentimeter des Unterarms ab. „Das ist zu wenig, um die Stärke des Knochens zu berechnen“, sagt Müller. Ihm schwebt vor, rund fünf Zentimeter des Unterarms im CT abzubilden und mit einem solchen Datensatz die Knochenstärke auszurechnen. Die Gleichung wird dadurch entsprechend grösser. Um diese zu lösen bräuchte es wohl mehrere Manno – oder ein noch besseres Rechenverfahren von Peter Arbenz.


Fussnoten:
(1) Website des Instituts für Biomedizinische Technik: www.biomech.ethz.ch/
(2) Website des Instituts für Computational Science: www.icos.ethz.ch/
(3) vgl. ETH Life-Artikel "Dem Knochen auf der Spur": www.ethlife.ethz.ch/articles/sciencelife/Knochenstruktur.html



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