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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.09.2004 06:00

Erstes Holcim-Forum an der ETH Zürich
Bauen an der Zukunft

Letzte Woche fand an der ETH Zürich das erste Forum der neu gegründeten Holcim-Foundation statt. Die Stiftung, an der sich auch Fachleute der ETH beteiligen, möchte dem nachhaltigen Bauen weltweit zum Durchbruch verhelfen.

Von Felix Würsten

Nachhaltige Entwicklung, so ist inzwischen auch aus Wirtschaftskreisen immer wieder zu hören, ist für die Zukunft der Menschheit von zentraler Bedeutung. Eine Schlüsselstellung, auch da sind sich die meisten im Grundsatz einig, kommt dabei dem Bauwesen zu. Denn der Bau und Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturanlagen benötigt nicht nur beschränkte Güter wie Rohstoffe, Energie und Raum, sondern prägt auch direkt unsere Lebensweise. Wer sich umschaut, wie heute im In- und Ausland konkret gebaut wird, erkennt allerdings rasch einmal, dass man von den hochgesteckten Zielen der Nachhaltigkeit noch weit entfernt ist.

Zweistufiger Wettbewerb

Der in 70 Ländern tätige Holcim-Konzern (1), ein global player im Zementgeschäft, möchte dem nun mit einer neuen Stiftung entgegenwirken. "Die Holcim-Foundation (2) soll zum Denken und Handeln anregen und dem nachhaltigen Bauen weltweit zum Durchbruch verhelfen", erklärte Markus Akermann, CEO des Konzerns, letzte Woche am ersten Holcim-Forum. Dass die Tagung an der ETH stattfand, ist kein Zufall, fungiert die Hochschule doch als technisches Kompetenzzentrum der Stiftung.

Die Holcim-Foundation verfolgt ihre Ziele auf zwei Wegen: Zum einen will sie regelmässige Tagungen durchführen, an denen Experten aus aller Welt miteinander diskutieren können. Die Teilnehmer sollen dabei insbesondere auch von den Erfahrungen, die in anderen Ländern gemacht wurden, lernen und profitieren. Zum zweiten schreibt die Stiftung im November 2004 erstmals den Holcim-Award aus. Dabei handelt es sich um einen zweistufigen Wettbewerb: In einer ersten Phase werden weltweit insgesamt fünf regionale Preise vergeben. Aus den siegreichen Projekten wird dann im darauf folgenden Jahr der globale Preisträger ermittelt. Pro Wettbewerbszyklus stellt die Stiftung ein Preisgeld von 2 Mio. Franken zur Verfügung.

Verbaler Konsens – wenig konkrete Taten

Den Organisatoren des ersten Forums gelang es, illustre Referenten nach Zürich zu holen. Simon Upton, Chairman des OECD Round Table on Sustainable Development (3) "warnte" die Zuhörer, dass Nachhaltigkeit ein äusserst heikles politisches Terrain sei. Es bestehe zwar unter Politikern ein breiter Konsens, dass es Nachhaltigkeit brauche. Doch was unter dem Begriff konkret zu verstehen ist, sei höchst umstritten. Kritisch bewertete Upton die Versuche, die realen Probleme – beispielsweise die Zerstörung der Umwelt oder die Armut in der Dritten Welt – mit möglichst umfassenden Lösungsansätzen anzugehen. Solche Ansätze seien häufig akademischer Natur; sie führten nur dazu, dass verbal zwar immer wieder ein Konsens erzielt werde, in der Realität aber nichts Konkretes unternommen werde. Man habe in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl von internationalen Vereinbarungen getroffen. Doch er habe den Verdacht, so meinte Upton pointiert, dass viele Politiker gar nicht richtig verstehen, was sie eigentlich unterzeichnet haben.


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"Armut ist nicht der Fehler der Armen": Mohammed Yunus, Gründer und Direktor der Grameen Bank in Bangladesch. gross

Eine ungewohnte Position zum Thema Nachhaltigkeit nahm auch Winy Maas vom holländischen Planungsbüro MVRDV (4)(5) ein. Anhand von provokativen Entwicklungsvorschlägen, die zuweilen für Heiterkeit im Publikum sorgten, versuchte Maas aufzuzeigen, dass Nachhaltigkeit ein durchaus relativer Begriff ist. Die Bedürfnisse der Gesellschaft änderten sich laufend, und es sei heute schwer absehbar, was für die kommenden Generationen richtig sei.

Studierende präsentieren Projekte

Abgerundet wurde die Tagung durch einen Wettbewerb für Nachwuchskräfte. Studierende aus verschiedenen Ländern konnten am Forum ihre Projekte vorstellen, welche dann von den Teilnehmern beurteilt wurden. Das Spektrum der Arbeiten reichte von der Beseitigung von Bauabfällen in Brasilien bis hin zu neuen baumartigen Gebäudekonstruktionen in China. Am Wettbewerb nahmen, neben anderen Teams der ETH Zürich, auch Ivica Brnic, Florian Graf und Wolfgang Rossbauer teil. Die drei hatten mit ihrem Projekt bereits den ETH-Jubiläumswettbewerb "Luftschloss" (6) gewonnen und wurden nun auch beim Holcim-Forum als Sieger ausgezeichnet.


Bankier der Armen

(nst) Am zweiten Tag des Holcim-Forums sprach mit Mohammed Yunus eine charismatische Persönlichkeit, die sich in Bangladesch seit langem um Nachhaltigkeit bemüht. Yunus gilt als "Erfinder" des so genannten Mikrokredits. Der Ökonom realisierte in den siebziger Jahren, dass der Weg aus der Armut heraus oft an kleinsten Geldbeträgen scheitert. Nach erfolglosen Versuchen, herkömmliche Banken zu Krediten an Arme zu bewegen, gründete Yunus 1983 die Grameen Bank (Bengali für "Dorfbank") – eine Bank für die Armen. Diesen ermöglicht sie mit Krediten über durchschnittlich 200 US-Dollar, sich eine Existenz aufzubauen, und ausserdem den Bau einfacher Häuser. Mit grossem Erfolg: Heute hat Grameen gut 3,5 Mio. Kreditnehmer. Die meisten sind der Armutsfalle entkommen, und bemerkenswert ist: 95 Prozent davon sind Frauen. Die Rückzahlungsmoral ist mit über 90 Prozent sehr hoch. Die Weltbank hat sich dieser Mikrofinanz-Initiative angeschlossen und ein eigenes Förderprogramm eröffnet. Die UNO hat 2005 zum "International Year of Microcredit" ausgerufen (7). " Armut ist nicht der Fehler der Armen", sagte Mohammed Yunus am Freitag. "Sie wird durch Institutionen verursacht, die der Lebenswirklichkeit in Entwicklungsländern nicht entsprechen."




Fussnoten:
(1) Homepage des Holcim-Konzerns: www.holcim.com/
(2) Homepage der Holcim-Stiftung: www.holcimfoundation.org/
(3) Informationen zum Round Table on Sustainable Development at the OECD: www.oecd.org/document/57/0,2340,en_2649_37425_31549817_1_1_1_37425,00.html
(4) Homepage von MVRDV: www.mvrdv.archined.nl/
(5) Siehe dazu auch ETH-Life-Artikel "Weder Stadt noch Land" www.ethlife.ethz.ch/articles/StadtlandSchweiz.html
(6) Siehe dazu auch ETH-Life-Artikel "Vom Luftschloss zum Turm" www.ethlife.ethz.ch/articles/luftschlabschlwett.html
(7) Website zum Internationalen Jahr der Kleinstkredite: www.unesco.ch/actual-d/internationales_jahr_2005_frame.htm#mikrokredit



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