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Rubrik: Tagesberichte

ETH-Physikstudent hilft Instrumentenbauer
Das vermessene Hackbrett

Published: 28.03.2007 06:00
Modified: 28.03.2007 10:33
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Im letzten Jahr baute der Hackbrettbauer Werner Alder unter anderem mit Hilfe von ETH-Forschern ein neues Konzerthackbrett. Bei der Suche nach weiteren Entwicklungsmöglichkeiten traf er auf einen ETH-Physikstudenten. Mit ihm hat er kürzlich an der ETH zum ersten Mal ein Hackbrett systematisch auf seine Resonanzeigenschaften vermessen.



Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)

Die Szene erinnert an einen Arztbesuch. Der Patient leidet unter mangelnder Ausgeglichenheit und wird nun von Aerzten systematisch abgeklopft. Das Spezielle daran ist: Der Patient ist ein Hackbrett, und das Aerzteteam besteht aus dem Hackbrettbauer Werner Alder von Urnäsch und dem ETH-Physikstudenten Urs Grob (1) . Die Praxis befindet sich im Keller des CLA-Gebäudes der ETH.

Doch wie kam es zu diesem Untersuch? Da gab es auf der einen Seite den passionierten Hackbrettspieler Urs Grob. „Besonders als ich klassische Musik spielte, wurde mir zunehmend bewusst, dass einzelne Töne nicht befriedigten“, blickt der Physikstudent zurück. Er machte sich auf die Suche nach Gründen. In der Literatur fand er nichts. Doch das genaue Hinhören liess ihn erahnen, dass die Resonanzeigenschaften für die verschiedenen Töne sehr verschieden sein müssen. Vor allem in den tiefen Lagen schien der Wurm zu stecken.

Dank Ingenieurkurs zu geeigneten Messinstrumenten

Dies überraschte Grob nur bedingt: „Ein Hackbrett muss relativ steif sein, sodass es bei hohen Frequenzen besser schwingt.“ Das führt dazu, dass in den tiefen Lagen die Obertöne sehr hoch im Spektrum liegen, der Grundton aber fast nicht übertragen wird. Für die weiteren qualitativ unbefriedigenden Töne konnte er keine generelle Erklärung finden. In dieser Situation kam er auf eine für einen Naturwissenschaftler naheliegende Idee: Er wollte ein Hackbrett systematisch vermessen.

Bald realisierte Grob, dass die entsprechenden Messapparatur für ihn zu teuer ist. Er sah sich deshalb um, wo eine solche bereits vorhanden sind. Fündig wurde er an der ETH. Der Hackbrettspieler Grob belegte den Ingenieur-Toolkurs „Experimentelle Modalanalyse“. Die dabei geknüpften Kontakte ermöglichten ihm in der Folge, an seinem alten Hackbrett selbst zu messen.

Die Frage der Schalllöcher

Die ersten gewonnenen Daten bestätigten Urs Grob. Sie zeigten, dass der Holzkasten des Hackbretts verschiedene Frequenzen an verschiedenen Orten unterschiedlich verstärkt. Zudem fehlte den tiefen Tönen die Resonanz. Der Physikstudent kam zum Schluss, dass hier eine Verbesserung durch eine wesentliche Änderung der Resonanzkastenkonstruktion oder durch Schalllöcher zu erreichen sei. Je kleiner sie wären, desto besser würde die Luftresonanz in den tiefen Lagen des Instruments.

Als Werner Alder dann einen Vortrag über der Hackbrettbau hielt und die Frage nach der Funktion der Schalllöcher stellte, hatte der anwesende Urs Grob eine entsprechende Erklärung. Der Instrumentenbauer wurde hellhörig und beschloss, das Wissen von Grob für seine Arbeit zu nutzen.

Abstraktes Bild eines Hackbrettes: Es zeigt die Eigenmoden des Instrumentes bei einer Resonanzfrequenz von rund 220 Hz. (Bild: Urs Grob)

Werner Alder selbst hatte schon vorher Kontakt zu einem ETH-Team. Im vergangenen Jahr hatte er auf Anregung des Musikers Fredi Zuberbühler einen Prototypen eines neuen Konzerthackbretts gebaut. Dabei verwendete er einen leicht gewölbten Resonanzkasten. In diesem steckt ein entsprechend geformter Rahmen. Den hatten ETH-Forscher von der Professur für CAAD mit ihrer Software optimiert und einen digitalen Plan entworfen. Dieser erlaubte, den Rahmen mit einer computergesteuerten Fräse herzustellen (2) .

„Die klanglichen Eigenschaften sind wohl besser, doch verbessern lässt sich auch dieses Instrument“, kommentiert Werner Alder seine Neuentwicklung. So wollte er die Möglichkeit nutzen, dieses Hackbrett zu vermessen. Seine Literatursuche hatte ergeben, dass es wohl hunderte von Studien zum Resonanzverhalten der Violine gibt, aber keine einzige zu seinem Instrument.

Erst eine Diagnose

So kam es zum Treffen im Keller des CLA, das vor kurzem stattfand. Dabei klopfte Alder während eines Tages mit einem Impulshammer an rund 130 Stellen die Unter- und Oberseite seines neuen Hackbrettes ab. Urs Grob leitete die Messung vom Computer aus und überwachte die Aufzeichnung der Spektogramme. Der Physikstudent dazu: „Erstmals ist damit meines Wissens ein Hackbrett systematisch vermessen worden.“

Beide „Hackbrettforscher“, Werner Alder und Urs Grob, sind sich bewusst, dass ihre Messungen vorerst nur eine Diagnose liefern können. Ob diese zu einer Therapie führt, beziehungsweise neue Wege bei der Konstruktion des Instruments aufzeigt, sei noch offen. „Auch wenn ich aus diesem Tag vielleicht in der Praxis keinen direkten Nutzen ziehen kann, erhalte ich doch einen neuen Einblick ins Instrument. Und ich kann sagen, dass ich eine Verbesserung zumindest versucht habe“, gibt sich Werner Alder gelassen. Für Urs Grob ist auch klar, dass es das völlig berechenbare Hackbrett nicht geben wird. Dafür sei das System zu komplex. „Schön ist aber trotzdem, dass auf diese Weise mein theoretisches Wissen nicht nur anhand von Semesterprüfungen getestet wird.“

Footnotes:
(1 Hackbrettbau Werner Alder: www.hackbrettbau.ch
(2 Vgl. ETH Life-Artikel „Neues Hackbrett dank Hightech“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/hackbrettcaad.html


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