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Rubrik: Tagesberichte

Sensomotorisches System für Rehabilitation
Mit Hightech laufen lernen

Published: 12.01.2007 06:00
Modified: 11.01.2007 15:13
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Mit dem "Lokomat" lernen Schlaganfallpatienten wieder laufen. Nun ergänzt ein neu entwickeltes Aufhängesystem aus dem ETH-Laboratorium für Sensomotorische Systeme dieses Gehtraining - und verbessert die Therapiemöglichkeiten massiv.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Der "Lokomat" ist ein ziemlich grosses Ungetüm. Es steht in einem grossen Raum im Erdgeschoss der Uni-Klinik Balgrist. Ein Laufband gehört dazu, Holmen, an denen sich die Patienten festhalten, ein robuster Metallbügel, an dem der Patient hängt, und ein Roboter, der die natürlichen Gehbewegungen eines Menschen imitiert. An diesen Gehroboter hat sich Probandin Audrey Schaufelberger anschnallen lassen und geht in normalem Tempo auf dem Laufband.

Gehen wie auf dem Mond simulieren

Weniger augenfällig ist das ausgeklügelte Aufhängesystem, an welchem die Probandin festgebunden ist. Sie trägt ein Gurtzeug, das mit einem Seil verbunden ist. Das Seil läuft über mehrere Umlenkrollen, die am Metallbügel sitzen, hin zu einer Winde, die Teil des neuartigen Entlastungssystems "Lokolift" ist. Dieses kann einen gewissen Anteil oder auch das gesamte Körpergewicht eines Patienten tragen. „Damit kann man sogar gewichtsentlastetes Gehen wie auf dem Mond simulieren“, sagt Robert Riener, Professor vom Laboratorium für Sensomotorische Systeme der ETH und Universität Zürich, in dessen Arbeitsgruppe dieses Entlastungssystem gemeinsam mit der Firma Hocoma AG in Volketswil entwickelt wurde. (1) Für Patienten, die nach einem Schlaganfall oder durch eine Verletzung des Rückenmarks eine Lähmung der Beinmuskeln erlitten haben, ist das Training im "Lokomat" ein Teil ihrer Rehabilitation.


Gehtraining in virtueller Umgebung

In einer neuen Studie versucht Mathias Wellner, Doktorand von Professor Robert Riener, das Gehtraining auf dem Lokomat zu verbessern. Dazu verwendet er eine virtuelle dreidimensionale Umgebung, in welche ein Patient hinein versetzt wird. Dieser sieht sich als stilisierte Figur auf einer Leinwand. Geht ein Patient mit dem "Lokomat" auf dem Laufband, absolviert die virtuelle Figur ebenfalls eine gewisse Strecke. Den künstlichen Weg kreuzen Hindernisse, die der Patient übersteigen muss. Nähert er sich dem Hindernis, erklingt ein Ton, der immer rascher folgt, je mehr er sich dem Hindernis nähert. Hebt der Patient seinen Fuss zu wenig hoch an, blockiert der Gehroboter die weitere Bewegung. Der Fuss stösst virtuell an. Der Patient ist dadurch gezwungen, sein Bein höher zu heben. Die Forscher wollen nun herausfinden, ob und mit welchen Klängen Patienten am stärksten motiviert werden, das Training effizient durchzuführen. Eine Idee ist, die Lieblingsmelodie eines Patienten einzuspielen und bei mangelhafter Bewegung verzerrt wiederzugeben.


Probandin Audrey Schaufelberger testet das neue Aufhängesystem "Lokolift", überwacht von Doktorand Mathias Wellner.

Das Gehtraining ist wichtig, um die Folgen der Verletzung zu mildern und das Laufen wieder zu erlernen. Entlastungssysteme ihrerseits sind nötig, um den Patienten schonend das (Wieder-)Erlernen des Gehens zu ermöglichen, indem sie mit reduziertem Körpergewicht trainieren können. Zudem schützt die Aufhängung vor Stürzen und bietet Stabilität. Im Lauf der Rehabilitation wird die Entlastung stetig verringert, so dass die Beine immer mehr Körpergewicht selbst tragen müssen. Vor rund zehn Jahren haben Therapeuten begonnen, mit dem Gehroboter "Lokomat" zu arbeiten. Mittlerweile befinden sich weltweit mehr als 100 solcher Gehautomaten im Einsatz. Das Problem der Körpergewichtsentlastung war bisher allerdings nicht befriedigend gelöst.

Keine ruckartigen Kräfte mehr

Das neue Aufhängesystem "Lokolift" verbessert nun die Therapiemöglichkeiten massiv, denn es kann das Körpergewicht beim Gehen konstant halten. Wenn ein Patient auf dem Laufband geht, lenkt er das Seil bei jedem Schritt um ein paar Zentimeter nach oben und unten aus. Konventionelle Entlastungssysteme mit Gegengewichten würden dabei durch die auftretenden Trägheitskräfte ruckartig am Gurtzeug ziehen. Das neue System verhindert, dass solche ruckartigen Kräfte den Patienten belasten und fördert somit ein gleichmässiges und natürliches Bewegungsmuster. Dadurch ermüdet der Patient weniger schnell und kann länger und unter natürlicheren Bedingungen trainieren. Dies wiederum beeinflusst den Heilungsprozess positiv. Zieht ein Patient stärker am Seil, etwa durch ein Einknicken beim Gehen, passt sich die Seillänge dank der Winde sofort an.

Sensoren und Motoren im Wechselspiel

Für die Steuerung des Systems ist viel Hightech nötig. Mehrere Sensoren kontrollieren unter anderem die Bewegung des Seils und der mechanischen Entlastungsfedern. Auch die Winde wird mit Sensoren überwacht. Die Daten laufen in einem Computer zusammen, der schliesslich mehrere kleine Motoren steuert, welche die Bewegung des Seils ausgleichen und ständig anpassen. Vergleiche mit herkömmlichen Entlastungssystemen, wie Gegengewichten oder Stahlfedern, zeigen Riener, dass das neue System, das als "Lokolift" bereits kommerziell vertrieben wird, die unerwünschten oszillierenden Kräfte, die auf Patienten wirken, um bis das Zehnfache verringert.

Footnotes:
(1 Frey, M. et al. (2006): A novel mechatronic body weight support system; IEEE Transactions on Neural Systems and Rehabilitation Engineering, Vol. 14, No. 3.


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