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Rubrik: Tagesberichte

Pervasive Spiele
Spielerisch forschen und lehren

Published: 18.06.2007 06:00
Modified: 21.06.2007 14:27
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"Pervasive Spiele" sind mehr als mit Würfelglück Hütchen zu fangen oder ein paar Karten auf den Tisch zu klopfen und „Stöck-Wyys-Stich“ zu rufen. Solche Spiele könnten zukünftig auch in der akademischen Lehre und in der Forschung Einzug halten.



Renata Cosby und Peter Rüegg

Steffen P. Walz, Doktorand an der ETH-Professur für Computer Aided Architectural Design (CAAD), ist ein Spieldesigner, allerdings ein etwas ungewöhnlicher. Sein Fachgebiet sind "pervasive games", alles durchdringende Spiele. Das klingt zwar etwas abgehoben. Im Prinzip geht es bei pervasiven Spielen um eine besondere Art von Computerspielen, die sich das "pervasive computing" zu Nutze machen. Dadurch wird die physische Welt zum Spielbrett. Durch pervasives Computing entsteht ein „Internet der Dinge“ und dieses wiederum lässt die Nutzerinnen und Nutzer mit vernetzten Orten interagieren - überall und jederzeit. Dazu braucht es Netzwerke von Sensoren oder mobilen Anwendungen.

Stadt pervasiv erkunden

Ein solch pervasives Spiel ist das Stadterkundungsspiel REXplorer für die deutsche Stadt Regensburg, wo Touristen ein Smartphone ausleihen können, um während eines Stadtrundgangs etwas über die Geschichte der Stadt zu lernen. (1) Der REXplorer sei ein perfektes Beispiel für ein pervasives Spiel, weil er die Touristen auf neue und interaktive Art anspreche, findet der ETH-Doktorand. Er ist überzeugt, dass eines Tages solche Spiele auch in der Forschung und Lehre eingesetzt werden.

Anhand von pervasiven Spielen lässt sich herausfinden, wie Leute mit Hilfe der Technik miteinander in Kontakt treten oder wie sie sogar mit der Technik selbst interagieren. Computerspiele sind laut Walz geeignet, um gemeinsames und bei einem Spiel entstehendes Verhalten der Mitspieler zu untersuchen. Mit Hilfe von pervasive games möchte Walz Räume schaffen, in denen verschiedene Möglichkeit getestet werden können. Damit könnten sie für die Forschung ideale Simulationsinstrumente sein und wie das Beispiel des Stadterkundungsspiels zeigt, auch ein Werkzeug für die Lehre.

Bank-Kunde-Beziehung spielend verbessern

Ein weiteres Beispiel für ein durchdringendes Spiel ist das neue Swiss Design Institute for Finance and Banking (SDFB) (2) , wo Walz im Steuerungsausschuss mitwirkt. Das SDFB ist eine neu eingerichtete gemeinsame Forschungsinitiative der ETH Zürich, der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und der Universitäten St. Gallen und Zürich. Das Institut beschäftigt sich mit der Frage, wie Banken interaktive Technologien verwenden können, um die Beziehungen und das Vertrauen der Kundschaft zu verbessern. Beides ist heutzutage weitgehend computerisiert. Dieses Problem könnte durch „pervasives Spielen“ gelöst werden, so wie es das SDFB vorsieht. Das SDFB-Angebot sei deshalb ein interessantes Forschungsthema für Spieldesigner, findet Walz.

Seriöse Spiele für Lehre und Forschung

Weitere "seriöse" Anwendungen für pervasives Spielen können Themen sein wie Politik, Gesundheit, Marketing und Lernen. Am Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Zürich, wo Walz zwei Jahre lang ein Seminar mitgeleitet hat, wurden Spiele entworfen, um damit aggressive männliche Jugendliche anzusprechen. „Die meisten dieser Jugendlichen spielen bereits Computerspiele. Unsere Idee ist, dass sie spielerisch lernen, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen, so dass sich diese verbessern und nicht verschlechtern“, erklärt der Spieldesigner. Von den Spielen würden sie lernen, nicht mehr unverhältnismässig oder aggressiv zu reagieren.

Touristen erkunden mit dem Handyspiel REXplorer die Stadt Regensburg (Bild: S. Walz)

Spieldesigner wie Walz sind überzeugt, dass Wissenschaft und Forschung ebenfalls als eine Serie von Spielen anzusehen sind. Als Beispiel führt als Beispiel an, wie Studierende und Forscher nach Bestätigungen suchen, um eine Hypothese zu stützen oder zu verwerfen. Entlang dieses Weges gilt es, verschiedene Herausforderungen zu meistern. "Das ist eine Art Spiel", betont Walz.

Bisher hat Spieldesign an der ETH Zürich noch nicht richtig Fuss fassen können, bedauert der Forscher. Im Gegensatz zu anderen führenden Universitäten weltweit, die Spiellaboratorien einrichten, um das Potenzial von Spielen als Instrumente für Forschung und Lehre zu erforschen. „Ein Spielforschungslabor an der ETH Zürich würde sicherlich Industriepartner und Geldmittel anziehen“, ist Walz überzeugt. Und: „Wir brauchen neue Lernstrategien, die interaktiv, intrinsisch motivierend und präzise sind, die aber auch Spass machen.“

Klimaänderung spielerisch erforschen

Walz schwebt beispielsweise vor, ein Nachhaltigkeitsspiel für das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu entwerfen. Dieses Spiel würde auf echten Daten abstützen und die Spieler könnten mögliche Klimaszenarien untersuchen, was wiederum den Entscheidungsträgern zu Gute käme. „Gleichzeitig könnte ein solches Spiel genutzt werden, um dem Publikum engagiert die Klimaänderung zu erklären“, findet er.

Der Mangel an Bewusstsein wie Spiele und Spielen die akademische Lehre umformen könnten, sei im Moment eine grosse Hürde, die noch zu überwinden sei. Spiele aber würden den meisten Studierenden und Forschern zusagen und liessen es zu, verschiedene Möglichkeiten spielerisch zu erkunden. Spieldesign sollte deshalb nicht nur an Kunstakademien eine Rolle spielen, sondern auch Forschungsinstitutionen, sagt der CAAD-Spezialist. „Die akademische Welt trägt eine Verantwortung dafür, um von den Vorteilen des pervasiven Spielens zu profitieren."

Footnotes:
(1 Vgl. ETH Life-Bericht “Die Welt als Handyspiel“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/rexplorer.html
(2 Website des Institutes: www.sdfb.ch/


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