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Rubrik: Tagesberichte Circuit QED am Laboratorium für Festkörperphysik Quantensprünge zur Entwicklung von Hochleistungsrechnern |
Published: 26.02.2007 06:00 Modified: 23.02.2007 17:39 |
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Der Physiker Andreas Wallraff und sein Team betreiben am Quantum Device Lab einen Circuit QED-Versuchsaufbau, in welchem „künstliche“ Atome in Form von elektrischen Schaltkreisen im Mikrometer-Massstab mit einzelnen Lichtteilchen (Photonen) zu höheren Quantenzuständen angeregt werden. Es ist denkbar, dass Photonen mit diesem Verfahren in Zukunft als Datenträger in einem Quantencomputer genutzt werden könnten. Wallraff war Mitautor des neusten Nature Papers zum Thema. Samuel Schlaefli (mailto:samuel.schlaefli@cc.ethz.ch) Bits prägen unseren Alltag und sind zur Grundeinheit jeglicher digitalen Kommunikation geworden. Ein Bit überträgt eine Information, indem es entweder den Wert 0 oder 1 einnimmt. Durch ganze Bit-Zahlenreihen, die enorme Mengen an Informationen beinhalten, lassen sich all die Funktionen ausführen, die wir von der Arbeit mit dem PC gewohnt sind. Quantenphysiker fanden heraus, dass neben den gängigen Bits auch Quantenbits, sogenannte Qubits, zur noch effizienteren Informationsverarbeitung in Computern genutzt werden können. Qubits könnten neben den Positionen 0 und 1 durch quantenphysikalische Vorgänge auch eine Superposition, ein „sowohl als auch“, von beiden einnehmen. Damit erlangt ein Qubit zusätzliche Ressourcen zur Datenverarbeitung, welche für komplexe, bisher undenkbare Berechnungen genutzt werden könnten. Festkörperphysik widmet sich den QubitsGleich zehn Institute und Laboratorien der ETH Zürich befassen sich innerhalb der Initiative QSIT (Quantum Systems for Information Technology) (1) departementübergreifend mit der Quanteninformationsspeicherung und damit auch mit Qubits. Nur zwei davon stammen aus dem Bereich der Festkörperphysik, gehörte die Forschung mit den Qubits doch bislang in erster Linie der Atomphysik und Quantenoptik an. Das Quantum Device Lab (2) unter der Leitung von Professor Andreas Wallraff ist eines der beiden Mitglieder von QSIT. Wallraff war als PostDoc am Department of Applied Physics an der Yale University und beschäftigte sich dort eingehend mit Circuit Quantum Electrodynamics (Circuit QED; siehe Kasten). „Es waren die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, resümiert Wallraff heute seine Forschungserfolge in Yale. Er war massgeblich an der Konzeption und Realisierung der ersten Versuchsaufbauten für Circuit QED-Experimente beteiligt. Die Experimente führten bisher zu zwei Nature-Publikationen, von welchen die letzte zu Beginn dieses Monats erschienen ist. Anfangs 2006 wurde Andreas Wallraff von der ETH zum Leiter des neu gegründeten Quantum Device Lab als Teil des Laboratoriums für Festkörperphysik ernannt. In dieser Funktion wurde er mit dem Aufbau eines eigenen Labors zur Untersuchung quantenmechanischer elektronischer Schaltungen und deren Anwendungen in der Quanten-Informationsverarbeitung betraut. Im April 2006 konnte das Team um Wallraff an der ETH mit der Installation der ersten Apparaturen beginnen und ab Dezember 2006 die ersten erfolgreichen Experimente durchführen. "Künstliches" Atom und supraleitender ResonatorDas Labor von Andreas Wallraff im Untergeschoss des Physikgebäudes an der Schafmattstrasse hat das Volumen einer kleinen Turnhalle und ist noch weitgehend unverstellt. Derzeit wird nur das vordere Eck des Raumes von der Versuchsanlage in Beschlag genommen. Mehrere Personalcomputer und ein Turm mit Hochleistungs-Mikrowellenelektronik bilden die Kommandobrücke zur Steuerung der Experimente. Die Versuche finden in einem circa eineinhalb Meter langen, von der Decke hängenden High-tech-Kühlschrank bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt statt. Das eigentliche Herz des Versuchs ist darin eingebettet und nur gerade zehn Millimeter lang und wenige Mikrometer breit. Es handelt sich um einen Mikrochip, auf welchem die Wechselwirkungen zwischen Qubit und Photon schliesslich stattfinden. Das Experiment aus dem Jahr 2004 demonstrierte in einem vergleichbaren Aufbau in Yale, was eine solche Anlage leisten kann: Zum ersten Mal überhaupt wurde ein einzelnes, künstlich in einer elektrischen Schaltung realisiertes Atom durch den Beschuss mit einem einzelnen Photon – einem Lichtteilchen mit geringster Energiemenge – unter kontrollierten Bedingungen zu einem höheren Quantenzustand angeregt.
Zum Gelingen eines solchen Experiments waren zwei grosse Innovationen beim Entwickeln der Versuchsanlage nötig: Zum einen wird nicht ein gewöhnliches Atom, sondern ein „künstliches“ Atom mittels Photonen angeregt. Ein Mikrochip mit zwei winzigen Streifen Aluminium, die durch eine Barriere (Josephson-Barriere) voneinander getrennt sind, fungiert als „künstliches“ Atom (Qubit). Da der Versuch nahe beim absoluten Nullpunkt von -273.15°Celsius durchgeführt wird, nehmen die Aluminiumstreifen supraleitende Eigenschaften an. Dies führt dazu, dass das Qubit sehr simple Quantenenergie-Niveaus auf einer viel tieferen Energieskala als natürliche Atome annehmen kann. Die niedrigsten beiden Energiezustände unterscheiden sich einzig um die enorm geringe Energie, welche ein einzelnes Photon trägt - rund 10-24 Wattsekunden. Diese Energie würde eine gewöhnlich Glühbirne gerade mal für 10-26 Sekunden zum Leuchten bringen. Das „künstliche“ Atom hat gegenüber dem natürlichen zudem den Vorteil, dass es trotz seiner Grösse von einem Mikrometer eine Billion Mal so gross ist, wie ein einzelnes Aluminiumatom. Dadurch wird die Reaktionswahrscheinlichkeit des Qubits mit einem eingeschossenen Photon um ein Vielfaches erhöht. Durch seine feste Verdrahtung auf dem Mikrochip kann es zudem nicht in der Versuchsapparatur verloren gehen, was das Qubit wesentlich besser handhabbar macht als ein herkömmliches Atom.
Die zweite Innovation liegt in der Art des Resonators, dem Speichermedium für Photonen. Er bildet den „Raum“, in welchen das Photon auf dem Mikrochip eingeschossen wird. Im Falle der Circuit QED ist dieser „Raum“ jedoch nicht dreidimensional, sondern in Form einer elektrischen Leitung auf den Mikrochip des Qubits gepresst. Damit ist der Resonator auf seine Resonanzfrequenz bezogen rund eine Million Mal kleiner als diejenigen Modelle, welche für ähnliche Experimente in der Atomphysik verwendet werden. Die Wahrscheinlichkeit kann dadurch nochmals erhöht werden, dass das in den Resonator eingespeiste Photon auf das Qubit trifft. Aufgrund dieser Massnahmen tauschen Qubit und Resonator circa zwölf Millionen Mal pro Sekunde ein Photon aus - wobei die Verweildauer des Photons im System in der Praxis lediglich eine Mikrosekunde beträgt. Photonen als InformationsträgerDiese Versuchsanordnung ermöglichte 2004 in Yale erstmals neue quantenoptische Experimente in Festkörpern, mit erweiterten Parametern gegenüber bisherigen, vergleichbaren Experimenten in der Atomphysik. Aufgrund der gemessenen Frequenzen des aus dem Resonator austretenden Photons konnten die Forscher Rückschlüsse auf die Wechselwirkungen des Photons mit dem Qubit ziehen. In der Ausgabe vom 1. Februar 2007 des Wissenschaftsmagazins „Nature“ erschien das Folgeexperiment (3), welches noch in Yale unter Mitarbeit von Wallraff stattfand. Im Gegensatz zum Experiment vor drei Jahren, wurden nun die Vorgänge im Resonator anhand des Qubits und nicht mehr des Photons gemessen. Dadurch konnten mit derselben Versuchsanlage neue physikalische Phänomene erforscht werden. Unter anderem bewies das Team, dass einzelne Photonen im Versuchsaufbau nachgewiesen werden können, ohne dass das Photon dabei jedoch vom Qubit absorbiert würde. Gleichzeitig konnte die statistische Verteilung der Zahl der Photonen im Resonator für verschiedene kohärente und thermische elektromagnetische Felder bestimmt werden. Dieser Befund untermauert die These, dass einzelne Photonen in naher Zukunft als Informationsträger in einem Quantencomputer wirken könnten. Forschung noch jung aber vielversprechendDer nächste Schritt auf dem Weg zu einem Quantencomputer, wäre die Entwicklung eines sogenannten „Quantum Bus“. Dabei handelt es sich um eine Schnittstelle, über welche einzelne Qubits durch den Austausch von Photonen miteinander kommunizieren könnten. Im Gegensatz zu den meisten Realisierungen von Qubits, wo Informationen nur zwischen benachbarten Zellen ausgetauscht werden können, würde die Informationsverarbeitung im Falle einer Anwendung von Wallraffs Circuit QED-Technologie zwischen Qubits räumlich unabhängig ablaufen – mit der entsprechend höheren Leistung. Die ersten Versuche mit zwei gekoppelten Qubits wurden am Quantum Device Lab bereits in Angriff genommen. Laut Wallraff gibt es jedoch vor allem drei grosse Herausforderungen, die einem raschen Durchbruch bei der Entwicklung dieser neuartigen Computer im Weg stehen: Erstens, die Messung der schwachen Lichtsignale erfordert eine enorm sensitive Messtechnik zur Erzeugung und Detektierung von Photonenpulsen im Bereich von wenigen Femtowatt (10-15 W). Zweitens, die Qubits sind extrem empfindlich hinsichtlich der Eigenschaften der Metalle auf den Mikrochips, welche zur ihrer Fertigung eingesetzt werden, weshalb deren Materialeigenschaften laufend verbessert werden müssen. Und drittens gestaltet sich die Kühlung der Versuchsanlage auf nahezu minus 273.15° Celsius schwierig. Diese Temperatur ist jedoch unbedingt nötig, damit die Metalle supraleitende Eigenschaften annehmen und im Versuchssystem keine thermisch verursachten Photonen entstehen. Jede Wärmequelle ist gleichzeitig auch ein Photonenproduzent. Somit können die Versuche nur bei absoluter Kälte störungsfrei durchgeführt werden. Trotzdem ist Wallraff guter Dinge, dass die Quantenelektrodynamik mit elektronischen Schaltungen in absehbarer Zukunft weitere Erfolge aufweisen wird. Schon die Tatsache, dass sich mittlerweile weltweit zahlreiche Froschergruppen theoretisch und experimentell mit diesem Thema auseinandersetzen und dass sich ganze Vortragsreihen am jährlichen Treffen der American Physical Society mit Circuit QED befassen, stimme ihn hoffnungsvoll. Das Forschungsgebiet sei zwar in der Schweiz noch sehr jung, habe aber international bereits grosses Gewicht, wobei die ETH mit dem Quantum Device Lab auf dem Weg dazu sei, bald in der ersten Liga mitzuspielen.
References:
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