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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 01.07.2003 06:00

Walliser Landwirte: multifunktional in verschiedenster Weise
Das Multitool „Landwirtschaft“

Durch die Einführung der Direktzahlungen änderte sich das Pflichtenheft der Landwirtschaft entscheidend. Früher stand die Produktion von Lebensmitteln im Vordergrund. Heute trägt der Landwirt durch seine Tätigkeit nicht nur zur ökologischen Vielfalt bei. Er hat auch die Rolle, Hüter wichtiger traditioneller Werte zu sein. Das nennt man Multifunktionalität. Studierende der ETH-Agrarwissenschaften haben im Wallis diesen immer anspruchsvolleren Rollencluster und die damit verbundenen Problemen studiert, dies im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitswoche.

Von Samuel Ineichen (1)

Die Zeiten der dümmsten Bauern mit den grössten Kartoffeln ist vorbei. Seit in den 90-er Jahren die Subventionen durch Direktzahlungen abgelöst wurden, hat sich der Aufgabenbereich der Schweizer Landwirtschaft deutlich verändert. Heutige Direktzahlungen sind nicht mehr an die Produktion, sondern in erster Linie an ökologische Leistungen der Betriebe gebunden. Abnahmegarantien und Fixpreise existieren nicht mehr. Wer heute als Landwirt Anspruch auf finanzielle Unterstützung erheben will, muss die sogenannte ökologische Leistungsnorm (ÖLN) erfüllen. Somit schlagen die Direktzahlungen zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen können die Landwirte gestützt werden, zum anderen garantieren sie einen nachhaltigen Natur- und Landschaftsschutz. Aber dies ist erst der Anfang. Der moderne landwirtschaftliche Betrieb muss einer ständig wachsenden Anzahl von sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und ökologischen Ansprüchen gerecht werden.

Produzent, Dienstleister, Vermarkter

Dies bedingt, dass sich der Bauernstand vom Rohstoffproduzenten im ersten Sektor zum Produkte-, Verarbeitungs- und Dienstleistungserbringer gewandelt hat. Es genügt nicht mehr, nur Kartoffeln zu produzieren und sie der Genossenschaft abzuliefern. Der heutige Landwirt muss sich immer häufiger auch selbst mit der Vermarktung befassen. Die von den Grossabnehmern verlangten Vorleistungen werden immer umfänglicher. Und die Bedeutung der ländlichen Regionen als nahegelegene Erholungsgebiete nimmt ebenfalls ständig zu. Diese Problematik lässt sich am Beispiel der Walliser Weinbauern lässt bildhaft aufzeigen.

Das Ziel der kürzlich durchgeführten Studienwoche des Departements Agrar- und Lebensmittelwissenschaftenvon Ende Juni war die Erfassung und der Vergleich von gesellschaftlichen Ansprüchen, bzw. der Erfüllung dieser Ansprüche durch die Landwirtschaft. Dazu traf sich das achte Semester des Agrarstudienganges in Châteauneuf (VS), wo sie die Thematik anhand von sechs verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben untersuchten.

Trockensteinmauern: Stützen der Popularität

Die Terassen der Walliser Rebberge erfüllen eine ganze Reihe von Aufgaben, bringen aber ebenso viele Anforderungen mit sich. Zum einen dienen sie zur Traubenproduktion und tragen somit direkt zum landwirtschaftlichen Einkommen bei. Ein anderes Thema sind jedoch die Trockensteinmauern, auf welchen die Terassen gebaut sind. Diese prägen das regionale Landschaftsbild auf eindrückliche Weise.


Feld-Erfahrung in die Breite tragen

Jedes Jahr führt der agronomische Teil des Departements Agrar- und Lebensmittelwissenschaften eine interdisziplinäre Arbeitswoche durch. Dieses Jahr wurde sie vom 23. - 27. Juni in Châteuneuf im Wallis durchgeführt. Arbeitsgruppen machten sich in mehreren landwirtschaftlichen Betriebe der Region kundig. Der Fokus hiess „Multifunktionalität in der Landwirtschaft“. Dasselbe Thema wurde von einer speziellen Medien-Gruppe mit und für die Medien bearbeitet, dies unter der Leitung von Professor Bernard Lehmann vom Institut für Agrarwirtschaft. Der vorliegende Text ist ein Resultat dieser Gruppenarbeit.




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Die Bedeutung des Tourismus-Aspekts in der Landwirtschaft wächst - nicht nur im Wallis. gross

Umfragen zufolge werden sie von der Bevölkerung wie von den Touristen als sehr schön empfunden. Kulturlandschaftlich sind sie nicht mehr wegzudenken. Ausserdem dienen sie als Lebensraum einiger zum Teil bedrohter Tierarten. Aus diesen Gründen wird es als wichtig erachtet, dass die Steinmauern erhalten bleiben. Der Landwirt ist sich dessen bewusst und setzt viel Arbeit und Energie für Wartungs- und Aufbauarbeiten ein. Die Kosten dieser Wartungen werden durch Direktzahlungen gelindert, jedoch nicht gedeckt. Trotzdem leisten die Weinbauern diese Arbeit, da sie sich der Funktion der Trockensteinmauern bezüglich Lebensqualität und Popularität bewusst sind.

Als weitere Beispiele können die ständig beliebter werdenden Ehringer Kuhkämpfe genannt werden. Ein solcher Event zieht ein grosses Publikum an die Schauplätze. Sie erhalten Traditionen und Bräuche. Die Kämpfe dienen zudem als Ännäherungsplattform zwischen Landwirten, Touristen und der restlichen Bevölkerung. Es geht darum, die Akzeptanz zu fördern und Eigenwerbung zu betreiben.

Ziegen-Füttern für Touristen

Eine Auflistung der multifunktionalen Leistungen zu erstellen, wäre jedoch ebenso schwierig wie die Landwirtschaft heterogen ist. Die Betrachtungsweisen der Betriebsleiter zur Multifunktionalität ist je nach Art und Struktur der Betriebe sehr unterschiedlich. Dass ein Gemüseproduzent im Rhônetal auf eine ganz andere Art und Weise multifunktional ist als ein Ziegenbauer auf der Alp, liegt auf der Hand. Der Ziegenkäse-Produzent, der auf die Tourismus-Saison ausgerichtet ist, treibt seine Ziegen auf mehrfache Anfrage der Touristen gut sichtbar auf die Weide. Damit kreiert er mit der Fütterung der Ziegen gleichzeitig ein idyllisches Landschaftsbild. Dem Gemüsebauern dagegen fällt diese Befriedigung sichtbarer Wünsche schwerer. Sein Beitrag an die Multifunktionalität ist daher stärker auf ökologische Produktionsmethoden ausgerichtet.

Das Projekt der interdisziplinären Arbeitswoche stellt die Multifunktionalität der jeweiligen Betriebe noch aus anderen Blickwinkeln dar. Zum einen aus der Sicht von aussen, wo die Ansprüche der Gesellschaft aufgezeigt werden. Und zum anderen aus der Sicht von innen, in der erkennbar wird, welche dieser Ansprüche die Betriebe erfüllen. Den jeweiligen Landwirten werden somit Hinweise geliefert, womit sie ihren Mix aus Produkten und Dienstleistungen verstärkt auf die Ansprüche der Gesellschaft ausrichten können.


Literaturhinweise:
ETH-Institut für Agrarwirtschaft: www.iaw.agrl.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Der Autor ist ETH-Student der Agrarwissenschaften. Näheres zur Entstehung des Artikels: siehe Kasten.



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