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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.09.2002 06:00

Journal of Biology lanciert
Das ideale Biologie-Journal?

Der gebührenfreie Zugang zur wissenschaftlichen Literatur wird immer mehr gefordert und eingelöst. Diesen Sommer erschien die erste Ausgabe des Journal of Biology, das höchsten Ansprüchen genügen soll. Einschätzungen zur neuen Publikation.

Von Christoph Meier

Das Editorial Board liest sich wie ein Who's who der Biologie: Michael Ashburner, Michael B. Eisen, Stuart L. Pimm oder Martin Raff gehören dazu. Die Rede ist vom diesen Sommer erstmals erschienenen Journal of Biology (JoB) (1), in dem Artikel aus dem gesamten Gebiet der Biologie veröffentlicht werden können. Es wird von der BioMed Central (2) publiziert, die Teil der Current Science Group ist. Der Inhalt ist auf dem Web frei zugänglich, wird unmittelbar in der PubMed Central (3) archiviert und soll zusätzlich in der gedruckten Version an 80'000 Lebenswissenschaftler verteilt werden.

Als Vorteile werden der gebührenfreie Zugang für Leser und das Belassen des Copyrights bei den Autoren erwähnt. Zusätzlich gibt es keine Ablehnung aufgrund der Länge eines Artikels, über deren Publikation mindestens immer ein Wissenschaftler mitbestimmt. Diese vielversprechenden Bedingungen gehen einher mit einem hohen wissenschaftlichen Anspruch. Die Herausgeber wollen denselben Standard bieten wie Nature, Science oder Cell.

Science-Publikation bleibt ein Ereignis

Fragt man bei Nature und Science nach, wie sie sich zur neu erwachsenden, möglichen Konkurrenz stellen, so weisen die Vertreter der beiden Wissenschaftsmagazine zuerst einmal darauf hin, dass sie die Aktivitäten von anderen Zeitschriften nicht kommentieren. Rebecca Ham von Science wünscht immerhin der neuen Zeitschrift alles Gute und findet, dass solche Publikationsformen nützliche Diskussionen stimulieren. Sie hält aber auch fest, dass Journals mit freiem Zugang bis jetzt keinen Einfluss auf das Geschäft von Science gehabt hätten.

Angesprochen darauf, wieso Biologen trotzdem in ihren Zeitschriften publizieren sollen, meint Nature-Redaktor Philip Campbell lakonisch: "Autoren wägen alle Faktoren und den Nutzen ab, wenn sie ein Journal wählen." Er weist zudem darauf hin, dass bei Nature das Copyright seit diesem Jahr auch beim Autor bleibe. Unverhüllt selbstbewusst tönt es bei Science: "Der primäre Nutzen von Science ist seine Strenge und sein Prestige." Bei 7000 eingereichten Artikeln pro Jahr, von denen nur 10 Prozent publiziert werden können, sei eine Science-Publikation für einen Wissenschaftler unausweichlich ein Ereignis."

Gute Erfolgschancen

Ob sich das JoB wirklich zu einer ernsthaften Konkurrenz der anderen Top-Journals entwickelt, hängt gemäss Susan Gasser, Mitglied des Editorial Board des JoB und Biologie-Professorin an der Uni-Genf, davon ab, wie gut es gelingen wird, die führenden Wissenschaftler zu überzeugen, ihre Artikel beim JoB einzureichen. Sie selbst sieht es als Ehre an, einem Editorial-Board mit hervorragenden Wissenschaftlern anzugehören. Wichtig am JoB ist für die Wissenschaftlerin die elektronische Publikationsform mit all ihren Vorteilen.


Offen für Misserfolge
Neben dem Jounal of Biology lanciert das Verlagshaus BioMed Central neu auch das Journal of Negative Results in Biomedicine (4) unter dem Chefredaktor Bjorn R. Olsen von der Harvard Medical School. Es ist bereit, Papers entgegen zu nehmen, die über Forschungen mit unerwarteten, kontroversen oder von negativen Resultaten berichten, diese einem Review-Prozess zu unterziehen und bei entsprechender Qualität zu publizieren. Damit soll anderen Arbeitsgruppen dabei geholfen werden, nicht Projekte zu verfolgen, die zu einem Misserfolg oder nicht zu einem erwarteten Ergebnis führen.



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Soll den etablierten Top-Journals zur Konkurrenz gereichen: Homepage des Journal of Biology. gross

Gute Erfolgschancen räumt die ETH-Professorin Sabine Werner dem neuen Journal ein. Sie begrüsst, dass vermehrt Wissenschaftler den Inhalt bestimmen können und nicht nur Redaktoren. Wird sie auch im JoB publizieren? "Ja, wenn es als High-Quality-Journal etabliert ist", antwortet die Biologin. Doch trotz der Vorteile wie rascher Review-Prozess, freie Verfügbarkeit und den ausbleibenden Publikationskosten, glaubt sie, dass noch einige Jahre nötig sind, bis man den Erfolg wirklich einschätzen kann.

Kein Sonderfall

Obwohl das JoB in seinem Versuch, ein free access "Top-Journal" zu sein, vielleicht bis jetzt zumindest in der Biologie einzigartig ist, stellt der gebührenfreie Zugang keinen Sonderfall dar. Alice Keller von der ETH-Bibliothek belegt dies mit Zahlen: "Beschränkt man sich nur auf die online verfügbaren, wissenschaftlich relevanten Zeitschriften, so gibt es derzeit 12000 Titel. Davon sind 3000 im Volltext frei zugänglich." 30 Prozent könnten den Fachgebieten Biologie/Medizin zugeordnet werden.

Die Bibliothekarin weist auch auf das neue Business Modell der Current Science Group hin, wonach Zeitschriften nicht von den Leserinnen und Lesern, sondern von den Autorinnen und Autoren finanziert werden. Eine Idee die im New Journal of Physics (5) ähnlich bereits früher realisiert worden sei, wo Autorinnen und Autoren eine Gebühr von 500 US-Dollar pro Artikel bezahlen. Zudem sei es so, dass die Current Science Group auch einen beträchtlichen Umsatz mit Bibliotheken mache.

Die ETH-Bibliothek freue sich aber über jede neue kostenlose Zeitschrift, doch gibt Alice Keller auch zu bedenken, dass ein solches Journal nicht eine andere kostenpflichtige Zeitschrift ersetze. "Vielmehr wächst die Zahl an wissenschaftlich relevanten Publikationen weiterhin exponentiell mit einer geschätzten Verdoppelungszeit von 10 bis 15 Jahren." Für eine Bibliothek kommt dazu, dass sie das Wissen langfristig greifbar machen will. Für den konkreten Fall des JoB weiss die Bibliothekarin, dass es eine Printausgabe desselben für Archivzwecke gibt, doch selbstverständlich gegen Bezahlung. Die ETH-Bibliothek bearbeitet derzeit das JoB.

Absichtlich falsch

Welchen Erfolg das JoB auch erzielen wird, die Forscher wollen offensichtlich vermehrt ein grösseres Mitspracherecht beim Publizieren. So stand in Nature vom 22. August 2002, dass die Public Library of Science (PLoS) Ende diesen Jahres ein eigenes Verlagsunternehmen beginnen möchte. Die PLoS ist eine non-profit Organisation von Wissenschaftlern, welche die wissenschaftliche Literatur frei zugänglich machen möchten und letztes Jahr mit einem Boykott der gebührenpflichtigen Journals drohten. Auch dort wird sich weisen müssen, ob die Wissenschaftler sich in diese neue Publikationen einbringen möchten.

Ganz gelassen schauen auf jeden Fall die Top-Journals der Entwicklung nicht zu. Denn die Behauptung im erwähnten Nature-Artikel, dass die PloS die PubMed als den Bedürfnissen der Forschenden elend unangemessen sei, ist gemäss Michael Eisen Mitbegründer der PLoS absichtlich falsch. Die PLoS unterstütze die PubMed Central stark, hätte aber einfach Vorbehalte, das die Verlage zu wenig mittun. Nicht überraschend steht darum in der neusten Nature-Ausgabe eine Entgegnung von Eisen unter dem Titel: "Public-access group supports PubMed Central."


Fussnoten:
(1) Journal of Biology: www.jbiol.com
(2) BioMed Central: www.biomedcentral.com
(3) PubMed Central: www.pubmedcentral.nih.gov
(4) Nature 419 (2002) S. 111, "Public-access group supports PubMed Central>
(5) New Journal of Physics: www.njp.org



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